Meinung

Aufhebung der Zollfreigrenze: Und noch ein Schuss ins Knie

Das ist so ein Ding mit der EU: Meistens, wenn sie sich für besonders schlau hält, stimmt das Gegenteil. Also, wie ist das, wenn man Waren verzollen will, die weniger als 150 Euro wert sind, nur weil sie aus China kommen und man das gerne ärgern will?
Aufhebung der Zollfreigrenze: Und noch ein Schuss ins Knie© Urheberrechtlich geschützt

Von Dagmar Henn

Was haben sie sich nur dabei gedacht … Die Abschaffung der Freigrenze für Kleinimporte wird sich wieder mal ganz anders auswirken, als sich das Brüssel und Finanzminister Lars Klingbeil so vorgestellt haben. Vielleicht hätte Klingbeil vorher mit den Zollbehörden reden müssen. Die sind von dieser Änderung bestimmt begeistert.

Das Problem: Jede Handlung einer Behörde erzeugt Aufwand, kostet Geld. Die Zollfreigrenze bedeutet nicht, dass keine Zahlung anfällt – auch auf Waren unter 150 Euro entfiel schließlich die Einfuhrumsatzsteuer. Aber das ist ein einfacher Akt, 19 Prozent auf alles.

Aufwendiger wird es, wenn dann ein spezifischer Zollsatz hinzukommt. Der kann sich nämlich je nach Ware unterscheiden. Acht Prozent für Schuhe mit Lederanteil und 16,8 bis 17 Prozent für sonstige Schuhe beispielsweise, bis zu 6,5 Prozent für Kosmetik, 3,7 Prozent für Navigationsgeräte ... Das sind lange und recht genaue Listen. Was die Bearbeitung schon einmal aufwendiger macht als bei den 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer.

Aber das Geld muss ja dann auch noch kassiert werden, und in der Regel geschieht das beim Kunden. Dann muss das eingegangene Geld verbucht werden, was im Fall eines Zolls bedeutet, es muss auf zwei verschiedene Posten verbucht werden. Außerdem müssen auch noch Formulare darüber ausgefüllt werden. Viel Spaß für im Höchstfall (also den 17 Prozent auf Nichtlederschuhe) 25,50 Euro einbringt. In der Regel aber weit weniger.

Schon vor vielen, vielen Jahren hieß es, ein einziges Schreiben, egal von wem, verursache Kosten von etwa 20 Mark. Also gehen wir mal davon aus, dass bei der Verzollung dieser Kleinsendungen mindestens 20 Euro Kosten anfallen, je Sendung. Da fließt auch die Arbeitszeit bei der Auslieferung mit ein, die Formulare, die Buchhaltung ... Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass in den meisten Fällen die verursachten Kosten über den Einnahmen liegen. Oder um es deutlicher zu formulieren: Mit diesem Schritt hat die EU gerade dafür gesorgt, dass ihre Zollämter Verluste einfahren.

Ach ja, nicht zu vergessen, die Freude der Kundschaft über den Aufwand ... Die fällt dann in die Kategorie "Delegitimierung des Staates", oder?

Aber das ist noch nicht alles. Der nächste Aspekt ist, dass jemand da sein muss, der dieses ganze Kleinzeug überhaupt bearbeitet. Was bedeutet: Zumindest in der Zwischenphase, in der die Leute trotzig dennoch weiter direkt aus China bestellen, müssen Stellen dafür geschaffen werden, wenn man nicht gerade davon ausgeht, dass die Zollmitarbeiter derzeit verzweifelt an den Schreibtischen sitzen und auf Aufträge warten. Die müssen besetzt werden. Und es braucht Zeit, bis die Abläufe richtig funktionieren.

Vermutlich hoffen die EU-Finanzminister darauf, dass die Besteller es dann einfach unterlassen, die Waren zu kaufen. Und womöglich gar, dass die chinesischen Versender, um die es hier vor allem geht, Shein, Temu, AliExpress etc., in Europa gar nichts mehr verkaufen. Was letzten Endes nicht ganz so passieren wird, weil es sich selbst dann, wenn man sie bei Amazon kauft, um dieselbe chinesische Ware handelt, von deren Verkauf dann eben auch noch ein US-Konzern profitiert. Also selbst dann wird nicht so ganz ein Schuh draus.

Abgesehen davon, dass es noch eine weitere Möglichkeit gibt – die Firmen beschaffen sich ein Auslieferungslager in der EU und wickeln die Verzollung gleich in großen Mengen ab. Was vermutlich der Schritt sein wird, den diese Versender gehen werden. Irgendwo in Rumänien oder Bulgarien wird sich schon ein günstiger Standort finden lassen.

Übrigens, die USA haben gerade erst ihre Zollfreigrenze abgeschafft, die bei ihnen "de minimis" hieß und bis 800 US-Dollar reichte. Die Hauptgeschädigten dadurch sind interessanterweise nicht chinesische Versender – sondern europäische Lieferanten.

Aber wie man es dreht und wendet, einen Vorteil wird die EU dadurch nicht haben. Sollten die Versender gar zu dem Schluss kommen, der Aufwand sei ihnen zu hoch, und auf ein Konstrukt mit einer Niederlassung in der EU verzichten, ist die Hauptwirkung eine: Die Waren werden teurer und tragen damit zur Inflation bei. Und zwar stärker, als man auf den ersten Blick glauben könnte. Schließlich wird auch in der EU die Inflation inzwischen hedonistisch gezählt, was bedeutet, wenn eine Ware teurer wird, wird das dann nicht in die Inflation eingerechnet, wenn sie durch ein günstigeres Produkt ersetzt werden kann. Das dann woher kommt? Richtig: aus China.

Am Ende ist das wieder mal nur ein dummes Sanktionsspielchen der EU, weil man irgendwie gegen China vorgehen will. Und wie bei allen dummen Sanktionsspielchen werden es am Ende die Bürger der EU sein, die darunter leiden.

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