Meinung

Ukraine, Afrika, Lateinamerika – Nie diente das imperiale "Teile und herrsche" den Geteilten

Der russisch-ukrainische Bruderzwist ist der große Erfolg der westlichen Imperialisten, und sie werden alles daran setzen, dass er unendlich lange weitergeht. Unsere Feinde sind dieselben, die Afrika und Lateinamerika oder Indien und Pakistan geteilt und ihre Völker gegeneinander aufgehetzt haben.
Ukraine, Afrika, Lateinamerika – Nie diente das imperiale "Teile und herrsche" den GeteiltenQuelle: TASS © Denis Wyschinski

Von Oleg Jassinski

Die Unterschiede zwischen der Ukraine und Russland, die in den letzten Jahrzehnten durch feindliche Propaganda so stark hervorgehoben wurden, unterstreichen nur ihre Ähnlichkeit. So wie Zwillinge unterschiedliche Muttermale oder Frisuren haben, sonst aber kaum voneinander unterscheidbar sind.

Lateinamerikanern kann ich leicht erklären, dass der Westen Russlands und der Osten der Ukraine viel mehr Gemeinsamkeiten haben als viele benachbarte Departements in Kolumbien, Peru und Bolivien, Provinzen in Ecuador und Argentinien oder Bundesstaaten in Venezuela, Mexiko und Brasilien. Wir selbst müssten schon komplette Zombies sein, um das nicht zu verstehen oder zu bemerken. Sicherlich werden viele einwenden, dass in Europa Deutschland, Österreich, die Schweiz (oder Frankreich und Belgien) politisch unabhängige Länder sind, deren kulturelle und mentale Ähnlichkeit ebenfalls enorm ist. Und hier wäre es dann logisch, auch an Russland und Weißrussland zu denken. Aber all diese gegenseitige Unabhängigkeit lässt keinen politischen Antagonismus zu, den es in Wirklichkeit nicht gibt, weil er selbstzerstörerisch ist.

Es geht nicht um das theoretische Recht, unabhängig vom gesunden Menschenverstand auf dem eigenen Territorium zu tun, was man will, sondern um die staatliche Weisheit, sich nicht an dicke weiße Herren zu verkaufen und die Interessen der Nachbarn zu berücksichtigen. Jede Grenze eines jeden Staates ist ein historisches und veränderliches Phänomen, das bei weitem nicht immer die kulturellen und mentalen Besonderheiten der von ihnen getrennten Völker genau widerspiegelt.

Viele afrikanische Gebiete wurden auf englischen, französischen und portugiesischen Karten buchstäblich zerschnitten, um das für die Kolonialmächte gefährlichste Szenario zu verhindern – die Vereinigung der Völker. In diesem Sinne sind das chilenische und argentinische Patagonien, das Altiplano von Bolivien, Peru, Chile und Argentinien, die Llanos oder die Karibikküste Kolumbiens und Venezuelas separate Länder mit einer gemeinsamen Geschichte, Kultur, Mentalität, ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung, Küche, Musik und anderen Identitätsmerkmalen.

Um Feindseligkeiten zwischen benachbarten Völkern und Ländern zu schüren, ist es für die Propagandisten ihrer Feinde immer leicht, diese Unterschiede auszunutzen und das bekannte Prinzip "Teile und herrsche" in die Tat umzusetzen.

Ich bin überzeugt, dass der Sturz des Regimes von Selenskij heute nur noch eine Frage der Form und des Zeitpunkts ist. Aber das allein wird nichts lösen. Um die Interessen der Völker (oder des einen Volkes) der Ukraine und Russlands (und gleichzeitig auch der anderen) wirklich zu schützen, muss die westliche Kontrolle über die Gebiete östlich der heutigen ukrainischen Grenzen vollständig beseitigt werden. Alle Verhandlungsbemühungen oder Scheinverhandlungen des Westens zielen heute ausschließlich darauf ab, dies zu verhindern. Unsere Feinde brauchen einen permanenten Brückenkopf auf unserem Territorium, weil ihre Pläne alles andere als friedlich sind und nicht auf ein gleichberechtigtes Miteinander abzielen.

Unser derzeitiger Bruderzwist ist der große Erfolg der westlichen Imperialisten, und sie werden alles daran setzen, dass er unendlich lange weitergeht. Unsere Feinde sind dieselben, die Afrika und Lateinamerika oder auch Indien und Pakistan geteilt und gegeneinander aufgehetzt haben, und ihr Plan in Bezug auf unsere Länder ist derselbe wie in den Jahren der "Großen Eroberungen", des "Dritten Reiches" und des "Kalten Krieges".

Ohne ein neues sozial orientiertes internationales ideologisches Projekt, das unsere Völker wieder vereinen kann, sind unsere Träume von der Zukunft unerreichbar.

Oleg Jassinski ist ein aus der Ukraine stammender Journalist. Er schreibt für RT Español sowie unabhängige lateinamerikanische Medien wie Pressenza.com und Desinformemonos.org. Man kann ihm auch auf seinem Telegram-Kanal folgen.

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