Meinung

Eine Invasion in Venezuela würde Trump teuer zu stehen kommen

Fast die Hälfte der Bevölkerung Venezuelas unterstützt den derzeitigen Präsidenten nicht und stimmt für die Opposition – aber ein großer Teil von ihnen hasst die US-Amerikaner noch viel mehr. Und eine Invasion der Gringos würde die Venezolaner nur noch mehr verbittern und zum Widerstand aufbringen.
Eine Invasion in Venezuela würde Trump teuer zu stehen kommen© Urheberrechtlich geschützt

Von Geworg Mirsajan

US-Präsident Donald Trump wird nicht müde, die Öffentlichkeit zu schockieren. Die ganze Welt wartet auf den Ausgang des von ihm inszenierten und angezettelten Konflikts zwischen den USA und Venezuela. Einfach ausgedrückt: Die Zuschauer fragen sich, ob Trump den Krieg erklären und Truppen in die Bolivarische Republik schicken wird, oder nicht.

Der US-Präsident selbst sendet widersprüchliche Signale aus. Er hat den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro bereits als Chef des Drogenkartells Los Soles bezeichnet – und gleichzeitig dem Pentagon grünes Licht für die Zerschlagung von Kartellen und entsprechend auch ihrer Anführer selbst außerhalb der US-amerikanischen Hoheitsgewalt gegeben. US-Generalstaatsanwältin Pam Bondi bezeichnete Maduro als "einen der größten Drogenhändler der Welt und eine Bedrohung für die nationale Sicherheit" der USA.

Außerdem hat Trump vor der Küste Venezuelas die größte Flotte seit dreißig Jahren (also seit der US-Invasion in Grenada) zusammengezogen, bestehend aus einem Flugzeugträger, einem Raketenkreuzer, drei Zerstörern und anderen Schiffen (einschließlich Landungsschiffen). Danach erklärte er, dass die Tage von Nicolás Maduro als Präsident Venezuelas gezählt seien. Anschließend merkte er jedoch an, dass er Zweifel daran habe, ob die USA einen Krieg in Venezuela beginnen sollten.

Und seine Zweifel sind durchaus berechtigt. Eine groß angelegte Invasion hat zwar große Vorteile – aber auch nicht weniger Nachteile.

Einerseits würde sie eindeutig zum Sturz von Nicolás Maduro führen. Ja, theoretisch gibt es auch andere, kostengünstigere Optionen – einen Luftangriff oder die Bestechung venezolanischer Militärs, die Maduro ausliefern könnten. Umso mehr in einer Situation, in der sie die Wahl haben zwischen dem Tod durch US-amerikanische Angriffe einerseits und einem Leben in Wohlstand andererseits. Der Miami Herald zitiert die Worte einer seiner Regierungsquellen wie folgt:

"Es gibt mehr als einen General, der bereit ist, ihn zu verhaften und den Behörden zu übergeben, da er genau weiß, dass es eine Sache ist, über den Tod zu sprechen, und eine andere, ihn näher kommen zu sehen."

Allerdings waren laut Berechnungen bisher nur zehn Prozent der geheimen US-amerikanischen Operationen, deren Ziel ein Regimewechsel war, von Erfolg gekrönt. Die übrigen scheiterten.

Eine groß angelegte Invasion garantiert den Erfolg. Ja, der venezolanische Präsident verspricht, vier Millionen Milizionäre gegen die US-Amerikaner aufzustellen – doch der Zustand der Streitkräfte des Landes erlaubt es ihm nicht, sich wirksam gegen die US-amerikanische Armee zu verteidigen. Umso mehr, als die Invasion exemplarisch werden soll – jetzt, wo die US-amerikanische Außenpolitik immer mehr auf Macht und Machtandrohung setzt, muss Trump der ganzen Welt die unerschütterliche Macht der USA demonstrieren.

Darüber hinaus würde eine Invasion zu einer Schwächung der Verbündeten Venezuelas führen, die gleichzeitig auch Gegner der USA sind. Zum Beispiel Kuba, wo ohne venezolanische Öllieferungen ein Militärputsch zu erwarten wäre. Und auch andere Gegner Washingtons in der Region würden nach einer zerstörerischen Operation lieber genau überlegen, bevor sie beispielsweise ihre Zusammenarbeit mit China oder Russland vertiefen.

Auf der anderen Seite würde eine Invasion jedoch enorme Kosten verursachen. Vor allem innenpolitische. Eine Reihe von US-Senatoren (insbesondere US-Senatorin Jeanne Shaheen, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten) sind empört darüber, dass die US-Regierung sie nicht über ihre Pläne in Bezug auf Venezuela auf dem Laufenden hält. Sie und ihre demokratischen Kollegen fordern US-Außenminister Marco Rubio auf, den US-Senat darüber zu informieren, ob die Vereinigten Staaten einen Krieg beginnen werden.

Ja, gemäß dem Gesetz über die Kriegsbefugnisse ist Trump lediglich verpflichtet, den US-Kongress innerhalb von 48 Stunden nach dem ersten Schlag zu benachrichtigen und dann innerhalb von 60 Tagen die Genehmigung der Gesetzgeber für die Fortsetzung der Kriegshandlungen einzuholen. Das heißt, vereinfacht gesagt hat Trump 62 Tage lang das Recht, nach eigenem Ermessen Krieg zu führen.

Allerdings könnte es erstens aus politischer Sicht ein schwerwiegender Fehler sein, den US-Kongress zu ignorieren, und die Spaltung innerhalb der Republikanischen Partei verschärfen (einige ihrer Mitglieder – vor allem Neoisolationisten aus der "Make America Great Again"-Bewegung – sind unzufrieden mit Trumps autoritärem Regierungsstil und seiner Neigung zu außenpolitischen Abenteuern).

Zweitens haben die Demokraten eine Lücke im Gesetz gefunden. Nominell gesehen begann die Militäroperation gegen Venezuela bereits am 2. September, als das US-Militär das erste "Drogenschiff" zerstörte, das mit elf "Drogenterroristen" an Bord von Venezuela aus in Richtung Norden fuhr. Seitdem sind bereits 62 Tage vergangen, was bedeutet, dass Trump die Genehmigung des Kapitols einholen muss – sonst wird er wegen Verstoßes gegen US-amerikanisches Recht angeklagt. Ja, das Weiße Haus ist mit dieser Auslegung nicht einverstanden, es betrachtet Drohnenangriffe auf "Drogenschiffe" nicht als Beginn von Kampfhandlungen – aber auch hier wird das Gericht eine Entscheidung treffen müssen. Und Trump kann sich angesichts sinkender Umfragewerte aufgrund des anhaltenden Shutdowns solche Probleme nicht leisten.

Auch außenpolitisch könnte die Invasion Probleme mit sich bringen. Ja, die USA werden Nicolás Maduro stürzen – aber was werden sie danach tun?

Fast die Hälfte der Bevölkerung des Landes unterstützt den derzeitigen Präsidenten nicht und stimmt für die Opposition – aber ein großer Teil von ihnen hasst die US-Amerikaner noch viel mehr. Und eine Invasion der Gringos würde sie nur noch mehr verbittern und zum Widerstand aufbringen. Danach würde das US-amerikanische Militär (das nicht die Freuden des Guerillakriegs im venezolanischen Dschungel genießen möchte) die Flucht ergreifen. Und Venezuela selbst würde entweder eine harte Militärdiktatur erleben, die auf antiamerikanischer Stimmung basiert, oder einen Bürgerkrieg, der zu einer Lähmung der Ölexporte aus diesem Land führen würde – was wiederum einen starken Anstieg der Ölpreise zur Folge haben dürfte. Dadurch würden die Kraftstoffpreise in den USA steigen, was zu einem weiteren Rückgang der Beliebtheit Trumps führen würde.

Wahrscheinlich zögert der US-Präsident deshalb und gibt noch keinen Befehl für eine groß angelegte Invasion. Offenbar hofft er, Nicolás Maduro (dessen Schicksal im Falle einer Intervention bereits besiegelt wäre) mit Gewaltandrohung zu Zugeständnissen zu zwingen. Falls diese Zugeständnisse ausbleiben, könnte Trump aber auch versuchen, das Risiko einzugehen und eine geheime Operation zur Entführung oder Eliminierung Maduros durchzuführen – trotz des Scheiterns eines ersten Versuchs dieser Art. Das wäre wesentlich kostengünstiger und weniger riskant in Bezug auf die innenpolitischen Folgen. Und sicherlich spektakulär.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. November 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.

Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren im Jahr 1984 in Taschkent, erwarb er seinen Abschluss an der Staatlichen Universität des Kubangebiets und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war in der Zeit von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.

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