
An der Staatsspitze der Niederlande steht nun die Karikatur eines Russenhassers

Von Wadim Truchatschjow
Über die vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden wurde in Russland kaum berichtet. Zu Unrecht, denn die Niederlande gehören zu den reichsten Ländern Europas und haben ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Das Land leistet – gemessen an den relativen Zahlen – sogar einen größeren Beitrag zum EU-Haushalt als sein großer Nachbar. Sie verfügen über eine fortschrittliche Industrie, darunter auch die Rüstungsindustrie. Rotterdam ist der wichtigste Hafen Europas, über den unter anderem Rüstungsgüter aus den USA für die Ukraine angeliefert werden. Außerdem gaben die Niederländer selbst Milliarden Euro für die ukrainischen Streitkräfte aus.
Der langjährige Premierminister dieses "Landes der Tulpen", Mark Rutte, ist heute NATO-Generalsekretär und wohl der einflussreichste Politiker Europas. Die Niederlande selbst sind eine Art "Brücke" zwischen den Angelsachsen und Kontinentaleuropa. Das Land ist auch ein Paradebeispiel für "progressive" europäische Werte, wo erstmals gleichgeschlechtliche Ehen und Sterbehilfe legalisiert wurden. Über viele Jahre hinweg war es einer der wichtigsten Handelspartner Russlands – und gleichzeitig einer der schärfsten Kritiker unserer innenpolitischen Lage.

Vor zwei Jahren erweckte der Erfolg der rechtsgerichteten "Partei für die Freiheit" [Partij voor de Vrijheid (PVV)] unter der Führung des charismatischen Geert Wilders gewisse Hoffnungen in Russland. Wilders machte sich einen Namen durch seine unerbittliche Kritik an der Migrationspolitik der Europäischen Union, und in letzter Zeit kamen noch öffentliche Zweifel an der Notwendigkeit einer Bewaffnung der Ukraine hinzu. Als diese politische Kraft mit 23,5 Prozent der Wählerstimmen den ersten Platz belegte, gab dies Anlass zu einem gewissen Optimismus. Es bestand also die Chance, dass Wilders seinen Erfolg festigen und den Posten des Premierministers erringen könnte.
Die Zugehörigkeit zur Regierungskoalition spielte Wilders jedoch einen bösen Streich. Er konnte nicht das Amt des Premierministers übernehmen, und seine Koalitionspartner zwangen ihn, die Entscheidung über die Ukraine-Hilfe zu treffen – wenn auch in etwas reduzierter Version. Endlose Debatten gab es auch über die Migrationspolitik und die Beziehungen zur Europäischen Union. Ohne ausreichende Machtmittel mussten Wilders und seine Partei ihren Partnern nachgeben. Darüber hinaus gab es Drohungen von Islamisten und Linksextremisten gegen diesen rechtsgerichteten Politiker. Somit war es ihm schlichtweg unmöglich, einen vollwertigen Wahlkampf zu führen.
Das Ergebnis: Die "Partei für die Freiheit" erzielte nur 16,7 Prozent und konnte somit lediglich 26 ihrer bisherigen 37 Sitze im 150-köpfigen Parlament behalten. Nun wird sie nicht an der Regierungsbildung beteiligt sein. Verschiedene euroatlantische Kräfte erzielten genügend Stimmen, um gleich zwei Kombinationen für die Regierungsbildung auszuprobieren – entweder eine "große Koalition" aus vier großen Parteien oder eine rechtsgerichtete Koalition unter Einbeziehung kleinerer konservativer und euroskeptischer Parteien, die sich im Vergleich zu Wilders als moderater erweisen. Die zweite Kombination ist wahrscheinlicher.
Besonders ärgerlich für Wilders und Russland dürfte jedoch der Sieger der niederländischen Wahlen gewesen sein. Die Rede ist von der linksliberalen Partei "Demokraten 66" (D66) und ihrem Vorsitzenden, dem 38-jährigen Rob Jetten. Dieser ist ein bekennender Homosexueller, der sein Privatleben zur Schau stellt und seine Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten betont. Auch Mark Rutte wurde diesbezüglich verdächtigt – allerdings hält er sein Privatleben geheim. Lediglich in einem Interview erwähnte er, dass er gerne nackt in seiner Wohnung herumläuft … allerdings gibt es dazu keine Augenzeugen.
Aber das Privatleben ist nicht alles, was Jetten und seine Partei ausmacht. Sie sind klassische Vertreter der linksliberalen Agenda. Ihrer Meinung nach sollte der Staat schwach sein und sich nur begrenzt in Wirtschaft und Politik einmischen. Die Macht sollte möglichst an supranationale Strukturen übertragen werden – vor allem an die Europäische Union. Es sei an der Zeit, die Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern und stattdessen den "grünen Wandel" einzuleiten. Selbstverständlich müssen aus ihrer Sicht gleichgeschlechtliche Ehen weltweit legalisiert werden. Und schließlich müssten die Niederlande und die EU insgesamt für Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika freizugänglich sein.
Für Jetten und seine Parteikollegen stellt Russland einen existenziellen Feind dar. Sie sind bereit, die Ukraine maximal zu bewaffnen und Europa dazu zu zwingen, nicht nur vollständig auf russisches Öl und Gas zu verzichten, sondern auch jegliche Handelsbeziehungen mit uns zu unterbinden. Dafür halten sie es für notwendig, die nicht-systemische Opposition in Russland zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund scheint sogar Rutte, der seit vielen Jahren eine harte antirussische Politik verfolgt, als Vorbild für eine gemäßigte Haltung zu gelten. Und auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz wirken im Vergleich zu Jetten geradezu moderat.
Da Jetten mindestens drei Koalitionspartner finden und deren Positionen berücksichtigen muss, wird man ihm kaum erlauben, den Migranten freie Fahrt zu gewähren oder vollständig auf Öl und Gas zu verzichten. Was Russland angeht, wird Jetten jedoch völlige Handlungsfreiheit haben …
Die Waffenlieferungen der Niederlande an die Ukraine werden zunehmen. Angesichts des Einflusses des Landes in der Europäischen Union werden auch die gegen Russland gerichteten EU-Militärprogramme ausgeweitet. Mit anderen Worten: Die Niederlande könnten sich zu einer wohlhabenden Version Polens und der baltischen Staaten verwandeln. Die Tschechische Republik gehört seit kurzem nicht mehr zu der Gruppe der Russlandhasser – an ihre Stelle treten nun die Niederlande.
Kurz gesagt: Russland wird für eine gewisse Zeit einen sehr einflussreichen und gefährlichen Feind haben. Allerdings eignen sich Jetten und seine Partei, die an der Spitze der Russophobie stehen, hervorragend für Gegenpropaganda. Denn diese Vertreter sexueller Minderheiten, die Russland offen hassen, die davon träumen, die Untertanen ihres eigenen Königs dazu zu zwingen, ihre Häuser mit Dung zu heizen, und die bereit sind, Unmengen von Migranten nach Europa hereinzulassen, sind einfach nur Karikaturen. Mit all diesen Themen finden sie sogar unter denen Gegner, die Russland nicht mögen.
Allerdings ist die Situation nicht ausschließlich negativ. Wenn man die Stimmen zusammenzählt, die die russophobsten Parteien in den Niederlanden erzielten, kommt man auf nur ein Drittel. Das ist mehr als bei den jüngsten Wahlen in Tschechien und Norwegen, wo ähnliche Kräfte nicht einmal ein Viertel der Stimmen erreichen konnten. Allerdings wurde Russland in der niederländischen Öffentlichkeit über viele Jahre hinweg kritischer gesehen als in Tschechien und Norwegen. Aber ein Drittel ist immer noch keine Mehrheit. Sollten die Russlandhasser einen direkten Konflikt mit Russland anstreben, könnten sie nicht mit der Unterstützung der Mehrheit der Untertanen von König Willem-Alexander rechnen.
Auch bei den rechtsgerichteten Euroskeptikern ist die Lage nicht so ungünstig. Wilders und seine "Partei für die Freiheit" haben zwar Wählerstimmen verloren, jedoch gingen diese an zwei andere euroskeptische Kräfte, die sich gegen die Bewaffnung der Ukraine aussprechen. Die Partei "JA21" und das "Forum für Demokratie" [Forum voor Democratie (FvD)] konnten ihre Unterstützung deutlich ausbauen. Insgesamt verfügen die drei Parteien nun über 42 Sitze und 28 Prozent der Stimmen – zuvor lag die Zahl bei 41 Sitzen und 27,5 Prozent. Rechnet man die linksgerichteten Euroskeptiker der Sozialistischen Partei hinzu, ergibt sich ein Ergebnis von 30 Prozent der Stimmen für die "Ukraine-Skeptiker". Das ist ein beachtlicher Anteil.
Und die Karikaturfigur an der Spitze der neuen niederländischen Regierung wird mit ihrer Sturheit sicherlich so viel Mist bauen, dass am Ende seiner Amtszeit sowohl die Rechts- als auch die Links-Euroskeptiker an Einfluss gewinnen werden. Strategisch gesehen ist es für Russland in gewisser Weise sogar vorteilhaft, dass eines der wichtigsten Länder der EU und der NATO von einer solchen Persönlichkeit geführt wird. Die Niederländer mögen die Konsequenzen ihrer Entscheidung selbst tragen. Die übrigen Länder können dieses Experiment aus der Ferne beobachten, um ähnliche Entwicklungen in ihren eigenen Staaten zu vermeiden.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 1. November 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
Wadim Truchatschjow ist russischer Politologe mit Schwerpunkt Europa und Kandidat der Geschichtswissenschaften.
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