Meinung

Gesundheit nur für Reiche: Kapitalverband will gesetzlich Versicherte maximal schröpfen

Kontaktgebühr, höhere Medikamenten-Zuzahlung, Wegfall der Familienversicherung und totale Überwachung: Für Maximalprofit des Großkapitals will dessen mächtigster Lobbyist BDA gesetzlich Krankenversicherte exzessiv auspressen – unter dem willkommenen Vorwand "Kassensanierung".
Gesundheit nur für Reiche: Kapitalverband will gesetzlich Versicherte maximal schröpfenQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Michael Bihlmayer

Von Susan Bonath

Die Angriffe von Staat und Kapital auf die Lohnabhängigen gehen weiter. Neben der Arbeitszeitbegrenzung, der Grundsicherung und der Altersvorsorge steht die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf ihrer Abschussliste. Medizinische Behandlung nur noch für jene, die es sich leisten können: So könnte man den Inhalt eines Forderungspapiers der politisch mächtigen Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kurz zusammenfassen. Oder so: Mehr ausbeuten lassen und früher sterben, um die Profitrate des deutschen und westlichen Großkapitals anzukurbeln.

Abzocke mit "Kontaktgebühr"

Über das noch nicht veröffentlichte "Positionspapier der BDA berichtete zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Unter dem erfundenen Vorwand, Deutschlands Sozialausgaben würden explodieren, trommelt der Kapitalverband demnach für angeblich dringend nötige "radikale Milliardeneinsparungen" in der GKV um vermeintlich "bis zu 50 Milliarden Euro im Jahr". Mit dessen Vorschlägen "ließen sich die Beiträge und die Lohnnebenkosten erheblich senken", plappert die FAZ die BDA-Ergüsse nach – eine "Rechnung", die nicht aufgehen kann.

Das Papier steckt voller Schweinereien gegen Lohnabhängige. Bekannt geworden war bereits die Forderung des Kapitalverbandes nach einer sogenannten Kontaktgebühr: Gesetzlich Versicherte sollen für jeden Arztbesuch bezahlen. Wer also beispielsweise zum Hausarzt muss, um sich eine Überweisung für einen Orthopäden zu holen, der ihn zum Radiologen weiterleitet und dann zum Chirurgen schickt, müsste mindestens viermal die anvisierte Gebühr abdrücken. Auch wer wegen einer schweren Grippe oder einem verstauchten Fuß ein paar Tage nicht zur Arbeit gehen kann, müsste blechen.

Ende kostenloser Familienversicherung

Damit ließen sich, so übernimmt die FAZ die Sprechblasen aus dem Papier, "unnötige Konsultationen vermeiden und die Patienten besser steuern." Und: "Eine Ausweitung der Selbstbeteiligung führe zu einem Einsparpotenzial von bis zu drei Milliarden Euro im Jahr." Das Ziel dahinter ist offensichtlich, Beschäftigte zu nötigen, auf gelbe Scheine zu verzichten und sich krank zur Arbeit zu schleppen, um das systematisch kaputt gesparte Gesundheitswesen zu "entlasten", damit sie es dann immer weiter stutzen können.

Doch damit nicht genug: So fordert demnach der Verband überdies ein Ende der Beitragsfreiheit für bisher kostenlos mitversicherte Ehepartner, die nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind – meist Mütter, die sich um die Erziehung der Kinder kümmern. Diese müssten dann den Mindestbeitrag für freiwillig gesetzlich Versicherte von rund 220 Euro monatlich abdrücken. Angeblich, so zitiert die FAZ den Verband, spüle dies Mehreinnahmen von 2,8 Milliarden Euro in die gesetzlichen Krankenkassen.

Überwachung und Ökonomisierung

Auch die Überwachung der Patienten will die BDA ausweiten. Sie fordert, dass die Ärzte den gesetzlich Versicherten für jede Behandlung einen Abrechnungsbeleg überstellen sollen, eine sogenannte Patientenquittung, die automatisch in die elektronische Patientenakte eingepflegt würde. Dabei gehe es um "Transparenz über die Leistungen und Kosten". Das ist, im Klartext, eine Kosten-Nutzen-Rechnung für Menschen – die totale Ökonomisierung des Humankapitals, wie Unternehmen ihr Personal bezeichnen.

Ein weiterer Punkt des Kapitalverbandes klingt erst mal gut, wirkt sich aber auf Versicherte nicht aus: Er fordert, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent zu senken – angeblich, um die Krankenkassen zu entlasten. Das ist eine Chimäre: Dass die Hersteller und Apotheken ihre Preise dann nennenswert senken würden, ist unwahrscheinlich. Deren (systematisch bedingtes) Ziel bleibt Maximalprofit.

Höhere Medikamenten-Zuzahlung

Die Versicherten will die BDA dabei sogar noch härter schröpfen. Ihre Medikamenten-Zuzahlung sollen nach deren Willen um 50 Prozent steigen. Für Ärmere würden damit selbst verschriebene Medikamente immer unerschwinglicher. Die Maßnahme hätte jedoch auf jeden Fall zweierlei Auswirkungen: Erstens würde sie den Profit der Pharmaindustrie und Apotheken steigern, zweitens durch den Wegfall von Mehrwertsteuer den Staatshaushalt schmälern. Dann können BDA und Politik mit der Begründung klammer Staatskassen nach weiteren "Sparmaßnahmen" rufen – für Ottonormalbürger eine Endlosspirale nach unten.

Zusammengefasst heißt das: Erstens sollen gesetzlich Versicherte für jeden Arztbesuch eine Gebühr bezahlen: beim Haus- und Facharzt, für jeden Zahnarzttermin. Zweitens wollen sie die Familienversicherung abschaffen: Nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigte Partner, die sich etwa um die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen kümmern, sollen extra zahlen, mindestens rund 220 Euro monatlich. Drittens soll die ohnehin schon hohe Medikamenten-Zuzahlung um weitere 50 Prozent steigen. Viertens will man Patienten nach ökonomischen Kosten-Nutzen-Kriterien rundum überwachen.

Neoliberaler Raubzug

Angesichts dessen klingt es wie ein zynischer Witz, wenn BDA-Präsident Rainer Dulger behauptet, nur auf diese Weise "die viel zu hohen Beitragssätze nicht noch weiter steigen", sondern "baldmöglichst wieder sinken" zu lassen. Das ist nur der übliche und allzu durchsichtige Versuch, der lohnabhängigen Mehrheit einen solchen radikalen, neoliberalen Raubzug zu ihren Lasten auch noch schmackhaft zu machen; mindestens als alternativlose Notwendigkeit zu vermarkten.

Dulger weiß, dass er in den Unionsparteien CDU und CSU im Verbund mit der kollaborierenden SPD willige Handlanger für die Durchsetzung seiner Kapitalinteressen findet. So verwies er auf Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die bereits ein Gremium namens "Finanzkommission Gesundheit" für eine "GKV-Reform" eingesetzt hat. "Dafür bringen wir klare Vorschläge ein", zitierte ihn die FAZ – und erwartet wohl schon felsenfest, dass die GroKo diesen mindestens teilweise folgen wird.

Betrachtet man die ähnliche Kürzungspolitik in anderen westlichen Industrieländern, darunter den USA, liegt das tatsächliche Ziel um so klarer auf der Hand: Kapital und Politik wollen die kriselnden Profite des westlichen Großkapitals durch verschärfte Ausbeutung, Schröpfung und Unterdrückung der Lohnabhängigen maximieren und zugleich die Staatskassen weiter plündern. Alles andere ist nicht plausibel.

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