Meinung

Verstand schafft Leiden: "Berliner Zeitung" auf Moskau-Reise

Zum zweiten Mal ging der Verleger der "Berliner Zeitung", Holger Friedrich, auf Russlandreise. Diese Woche veröffentlichte er seinen Reisebericht.
Verstand schafft Leiden: "Berliner Zeitung" auf Moskau-ReiseQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elme

Von Anton Gentzen

Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung, ging zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres auf Russland-Reise und veröffentlichte am Mittwoch seinen Reisebericht. Interessant zu lesen ist er deshalb, weil Friedrich bislang mit den Realitäten des Riesenlandes offenbar kaum vertraut war und es die "Entdeckungen" eines Unbefleckten sind. So erfährt man nebenbei, was sogar ein Ostdeutscher (wie düster es da erst in Köpfen vieler Westdeutscher ist, möchte man gar nicht erst wissen) so alles an Klischees und Vorurteilen in sich trug und wie ein Teil derselben angesichts der Realitäten in sich zusammenbricht.

Da sind dann auch ein paar kleine Irrtümer schnell verziehen. So meint Friedrich, der es sich bei der ersten Reise offenbar angewöhnt hatte, per "großartiger deutscher KI-Übersetzungsapp" DeepL mit Taxifahrern und anderen Einheimischen zu kommunizieren, diese funktioniere nun in Russland aufgrund "eines der neueren Sanktionspakete" nicht mehr.

Falsch: Im Juni dieses Jahres war es das Unternehmen selbst, das in Eigeninitiative entschieden hat, Russen und Weißrussen auszusperren. Ob dies etwas damit hat, dass der Gründer Jarosław Kutyłowski Pole ist, kann man nur mutmaßen. Grund genug, diese ohne Not begangene Boshaftigkeit nie zu vergessen und als Kunde nicht mehr zurückzukehren, auch wenn die geopolitischen Winde einmal anders wehen sollten. Zu DeepL nicht, auch zu niemandem sonst, der Russen diskriminierte.

Auch von anderen menschenverachtenden Widrigkeiten nimmt ein deutscher Journalist erst Notiz, wenn sie ihn persönlich treffen. Drei Jahre und sechs Monate nach dem Verbot von Direktflügen und jeglichen Zugverbindungen zwischen Berlin und Moskau erinnert sich Friedrich an die Hunderttausenden russischsprachiger Menschen, die "allein in Berlin und seinem Umfeld" leben und ohne Schuld mit menschenunwürdigen Verhältnissen bei ihren zum Teil unverzichtbaren Reisen bestraft werden:

"Früher waren es zwei Stunden Flug bis Moskau und ein komplizierter Visa-Prozess, um einzureisen. Heute wird das Visum innerhalb von Stunden digital bereitgestellt, im Ausgleich dazu bedarf es des Umsteigens in Baku, Tbilissi, Belgrad oder Istanbul und mindestens sieben Stunden Flug. Wer es vornehmer mag, wählt Doha als Umsteigeort, was die Reisezeit auf mindestens zehn Stunden anwachsen lässt. (...) Die Flüge sind teuer und doch sind sie ausgebucht, das Geschäft machen andere und die Lufthansa geht leer aus."

RT DE schrieb über die Sippenhaftung, in die (nicht nur Berliner) Deutschrussen und Russlanddeutschen, wie auch das gesamte russische Volk, genommen wurden und über die zahlreichen nazistisch motivierten Schikanen durch EU und Bundesregierung schon 2022 und seitdem immer wieder mal. Nur in einem haben wir uns geirrt: Der Kragen ist nicht geplatzt. Ein leidensfähiges Volk sind die Russen.

"Reisebericht" ist übrigens nicht ganz richtig: Nur an wenigen Erlebnissen lässt uns Friedrich tatsächlich teilhaben. Es ist eher ein Besinnungsaufsatz darüber, wie Sanktionen umgangen werden und wer so alles davon profitiert: Google, asiatische Fluggesellschaften, chinesische Konzerne und ... allerlei US-Unternehmen:

"Es wird wohl in Bezug auf die Geschäftsethik mit zweierlei Maß gemessen – amerikanische Firmen haben kein Problem, russisches Geld zu nehmen und wichtige Umsätze zu sichern. Das Geschäft läuft."

Die wichtigste Erkenntnis ist offenbar, wie tief Deutschland inzwischen im Ansehen von Russen gesunken ist, und zwar aller Russen: "sowohl Repräsentanten offizieller Strukturen als auch meine privaten, mitunter recht oppositionellen Kontakte", wie Friedrich es formuliert. Davor hat RT DE von Anfang an gewarnt, und mögliche Lösungen, die die Berliner erst noch finden will, liegen auch schon längst auf dem Tisch.

"Verstand schafft Leiden", heißt Alexander Gribojedows in Russland wegen zahlreicher in Reim gegossener Lebensweisheiten und genialer Aphorismen beliebtes Werk. Tatsächlich, jeder, der schon 2013 verstanden hat, was läuft, leidet. Es tut regelrecht weh, zu sehen, wie ein gestandenes journalistisches Mannsbild sich an Erkenntnisse herantastet, die für uns nichts anderes als Banalitäten sind. Es tut weh zu wissen, was alles Ukrainern, Russen, Deutschen, Weißrussen und vielen, vielen anderen erspart worden wäre, wenn man auf unsere Warnungen 2013, 2014, 2021 gehört hätte. Und der wirklich große Knall steht auch erst noch bevor.

Noch mehr leidet der Verstand an dem Wissen, dass die Berliner Zeitung in ihrem Zurückhinken um zehn Jahre auch noch die Vorhut ist – alle anderen haben sich gar jeder Erkenntnis verschlossen und reisen nicht nach Moskau.

Es wird alles ganz böse enden, für die Ukraine, für Russland, für Deutschland, für Europa, für die Welt. Das ist die Gewissheit der Stunde. Und der Schlusssatz klingt wie eine Drohung: "Die Berliner Zeitung wird berichten."

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