Meinung

Streit um Ukraine mit Röttgen: AfD-Abgeordneter Strauß hat sich für nichts zu entschuldigen

Der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen erwartet im Bundestag eine Entschuldigung. Sein AfD-Gegenüber Otto Strauß habe ihn mit einem falschen Zitat konfrontiert. Röttgen vergisst: In der Politik geht es nicht um Personen, sondern um Positionen. Das angeblich falsche Zitat stammt von seinem Parteifreund Roderich Kiesewetter.
Streit um Ukraine mit Röttgen: AfD-Abgeordneter Strauß hat sich für nichts zu entschuldigenQuelle: www.globallookpress.com

Von Wladislaw Sankin

Man kann darüber streiten, wer Russland denn mehr hasst – Norbert Röttgen, Roderich Kiesewetter (beide CDU), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder Anton Hofreiter (Grüne). Ihr Hass ist robust und parteiübergreifend. In ihrer Hetze greifen diese Politiker auf gleiche Klischees und demagogische Kniffe zurück – die einander bis zum Verwechseln ähnlich sind.

So sagte Hofreiter am Freitag, dass Ukraine-Hilfen keine Wohltätigkeitsaktion seien, vor Russland verteidige die Ukraine "de facto als Schutzschild ganz Europa". Hofreiter ist kein Hinterbänkler, falls dies nicht bekannt sein sollte – im Bundestag ist er Vorsitzender des Europa-Ausschusses. 

Wortgleich klang auch der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss Kiesewetter, als er im August auf einer Konferenz erklärte, dass Europas Zukunft sich in der Ukraine entscheiden werde. Oberste Priorität habe deshalb "glaubwürdige und substanzielle militärische Unterstützung der Ukraine", "denn sie ist der Schutzschild Europas".

Man kann Dutzende ähnliche Äußerungen auch von Röttgen finden, z. B. als er wieder im tobsuchtähnlichen Tonfall vom "aggressiven völkerrechtswidrigen Vernichtungskrieg" Russlands gegen die Ukraine redete, wie etwa am 17. Oktober während der Wehrdienst-Debatte im Deutschen Bundestag. "Angegriffen wird unsere Freiheit in ganz Europa, unsere Art zu leben, frei, tolerant und friedlich – das wird angegriffen", redete sich Röttgen in Rage.

Ein ukrainischer repressiver Faschostaat als Muster der Freiheit und Toleranz?! Dessen Putschregierung nach dem blutigen Staatsstreich im Februar 2014 als Erstes die Rechte der Russischsprachigen außer Kraft setzte? Dessen Militärpolizei "Verteidiger unserer Freiheit" mit Prügel und Gewalt an die Front treibt? Vergeblich erwartet man von der deutschen Politik sprichwörtlich gewordene Ehrlichkeit nach der Art von "Aber das sind unsere Hurensöhne".

Deshalb tut solche Heuchelei immer wieder weh. Der AfD-Abgeordnete Otto Strauß wusste, dass bei Röttgens Argumenten etwas gewaltig nicht stimmt, und konfrontierte ihn mit einer Zwischenfrage.

"Sie sprechen darüber, es geht um die Verteidigung unserer Werte", sagte Strauß und versuchte damit, Röttgen in Erklärungsnot zu bringen: "Ich kann mich aber an eine Aussage von Ihnen erinnern, wo Sie gesagt haben, man kann Russland nicht die Bodenschätze in der Ukraine überlassen. Um was geht es denn jetzt? Um Bodenschätze oder die Verteidigung des Friedens?"

Röttgen bestritt die Aussage vehement. "Ich habe niemals einen solchen Satz gesagt", beteuerte er und forderte Belege. Strauß versprach: "Mache ich." Röttgen erwiderte: "Wenn Sie gelogen haben, dann stehen Sie in der nächsten Sitzungswoche auf und bekennen vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit, dass Sie gelogen haben."

Nach einer Woche twitterte Röttgen triumphierend: "Wir halten fest: Der AfD-Abgeordnete hat gelogen. In der nächsten Sitzungswoche erwarte ich eine öffentliche Entschuldigung und zwar im Plenum des Deutschen Bundestages, wo er seine Lüge zuvor verbreitet hat." Er bezog sich dabei auf einen ZDF-Artikel, in dem sein Gegenüber zitiert worden war. 

Die Formulierung stamme nicht von Röttgen, sondern "sinngemäß von Roderich Kiesewetter", teilte Strauß dem Sender mit und fügte hinzu: "Wofür ich mich selbstverständlich entschuldige". Eine derartige Verwechslung dürfe nicht passieren, "ist mir aber im Eifer der Debatte passiert".

Aber was sagte Kiesewetter denn damals genau? Im Dezember 2023 sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" folgenden Satz:

"Wenn die Ukraine zerfällt, sind die Folgekosten viel größer, als wenn wir jetzt viel stärker reingehen. Und wenn Europa die Energiewende vollziehen will, braucht sie eigene Lithiumvorkommen. Die größten Vorkommen in Europa liegen im Donezk-Lugansk-Gebiet. Deswegen will Russland diese auch, um uns abhängig zu machen von der Energiewende mit Blick auf Elektromotoren."

Nach der Befreiung ukrainischer Gebiete sei der Konflikt "auch eine extrem wirtschaftliche Frage". Kiesewetter ergänzte: "Also, wir haben hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund, und deshalb brauchen wir eine vereinte Anstrengung der Bürgerinnen und Bürger, damit unsere Politik die Rückendeckung hat, mehr für die Ukraine zu tun."

Im November 2024 wiederholte Hofreiter dieses Argument in der ZDF-Sendung Markus Lanz: Dass der Donbass mit etwa 80 Prozent der natürlichen Ressourcen der Ukraine (Zahlen nach Markus Lanz) unter ukrainischer Kontrolle bleibt, "liegt absolut in unserem ökonomischen Interesse", sagte er auf die Frage des Moderators. "Die russische Armee kämpft gerade darum, eines der größten Lithiumvorkommen in Europa unter ihre Kontrolle zu bekommen", so Hofreiter.

Interessanterweise war es ausgerechnet ZDF-Frontmann Lanz, der Hofreiter zu dieser Aussage geradezu drängte. Der russische Vormarsch habe wirtschaftliche Auswirkungen, und es liege in unserem eigenen Interesse, diesem in der Ukraine nicht tatenlos zuzusehen. "Oder sehe ich das falsch?", fragte Lanz mit Nachdruck. Doch in seinem Bericht über das angeblich falsche Zitat des AfDlers Strauß lässt der ZDF-Autor Andreas Kynast die Rolle seines Senders in der Genese des Rohstoff-Arguments außer Acht. Auch verzichtet er auf die Wiedergabe der Kiesewetter-Äußerung, so als hätte es sie gar nicht gegeben. So geht das Lügen durch Weglassen.

Der 71-jährige AfD-Politiker ist ein Bundestags-Neuling, gewählt im Februar dieses Jahres über die Landesliste Nordrhein-Westfalen. In seiner beruflichen Laufbahn war der vierfache Vater Handwerker, Unternehmen und Fluglehrer. In seiner ruhig-höflichen Art merkt man ihm an, dass er kein professioneller Politiker ist, dass für ihn Werte wie Anstand und persönliche Ehre immer noch zählen. Der Unterschied zu Röttgen, der seit 31 Jahren Bundestagsabgeordneter ist, könnte kaum krasser sein.

Dieser hatte schon in vielen hohen Ämter inne, darunter Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, und ist damit mit allen politischen Wassern gewaschen. Er wusste natürlich, dass Strauß mit seinem Einwand nicht falsch lag, dennoch lieferte einen hysterischen Auftritt und forderte vom ungleichen Gegner eine Entschuldigung. In der Politik spielt es eine untergeordnete Rolle, ob die Personen Kiesewetter oder Röttgen etwas gesagt haben, denn solange sie in ihrer Parteifunktion etwas äußern, steht das für die gesamte Partei.

So wird auch die AfD wohl nicht wegen Strauß "rechtsextremistisch" genannt, sondern wegen Äußerungen anderer. Doch auch an ihm bleibt dieses Schmäh-Etikett haften. Mit seinem Rohstoff-Einwurf kann Strauß wegen Hofreiter genauso auch die Grünen kontern, und wegen Lanz den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.

Es war auch kein Zufall, dass der AfD-Politiker Röttgen in seiner Ansprache zuerst irrtumlicherweise "Herr Roderich" nannte. Denn diese beiden CDU-Falken reden in Bezug auf die Ukraine und Russland sinngemäß fast immer das Gleiche – gleich demagogisch, militaristisch, hysterisch. Genauso wie ihr Parteichef mit seiner Anmaßung wieder als führende Streitmacht in Europa Russland herauszufordern, stehen auch sie für Russlandhass, Militanz und Kriegslüsternheit. Es gibt keinen Grund, sich bei den Herren Hofreiter-Röttgen-Roderich zu entschuldigen. Im Gegenteil, um Entschuldigung müssten diese selbst schon seit Langem bitten, und zwar gleichermaßen vor dem deutschen, ukrainischen und russischen Volk.

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