
Gedanken zum Jubiläum: 20 Jahre RT, 10 davon mit Gert Ewen Ungar

Von Gert Ewen Ungar
Es gibt in jedem Leben Entscheidungen, die auf den ersten Blick unscheinbar wirken, sich im Rückblick aber als Wegmarken erweisen, an denen das Leben eine neue Richtung eingeschlagen hat. Einen Russischkurs zu besuchen und nach Russland zu reisen, war in meinem Leben eine solche Wegmarke. Als ich den Entschluss dazu fasste, konnte ich nicht abschätzen, welch einschneidenden Auswirkungen er haben würde.
Vor allem der deutsche Mainstream leistete einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu, dass ich diesen Entschluss fasste. Schon lange vor Beginn der militärischen Spezialoperation Russlands in der Ukraine, schon vor dem Maidanputsch schien mir die Berichterstattung über Russland in den deutschen Medien sehr verzerrt zu sein. Da wurden Schwule und Lesben durch die Straßen Moskaus gejagt, drangsaliert, verprügelt und misshandelt, ohne dass die Ordnungskräfte eingriffen. Im Gegenteil, so hieß es damals, würde der Staat diese Gewaltakte legitimieren.
Die Geschichte schien mir übertrieben, das Gegenteil konnte ich allerdings nicht belegen, denn ich hatte nur dieses Gefühl, aber keinen Beweis. Daher blieb nichts anderes übrig, als die Sprache zu lernen und nach Russland zu reisen, um mir ein eigenes Bild zu verschaffen. Diese Freiheit nahm ich mir.

Ich betrieb damals einen völlig unbedeutenden Blog. Dort veröffentlichte ich meine Reiseeindrücke und – siehe da – die Besucherzahlen stiegen plötzlich massiv an. Es gab ein Interesse an authentischen Informationen über Russland. Was der Mainstream damals berichtete, konnte ich übrigens nicht bestätigen.
Meine zweite Reise führte mich auf die Krim. Über die Zustände auf der "von Russland annektierten Krim" wurden ebenfalls Horrorgeschichten erzählt. Ich fuhr hin und schaute es mir an. Statt einer annektierten Halbinsel mit Panzern an jeder Ecke, unterdrückten Krimtataren und einer leidenden, sich nach der Ukraine sehnenden Bevölkerung fand ich ein Ferienparadies vor.
Ich schrieb einen Reisebericht, veröffentlichte ihn auf meinem Blog und erhielt eine Anfrage von dem damals noch jungen Sender RT Deutsch, ob er den Text übernehmen dürfe. Ich hatte nichts dagegen. Das war im Jahr 2015 und markierte den Beginn meiner Zusammenarbeit mit RT. Der damalige Chefredakteur Ivan Rodionov bot mir eine freie Mitarbeit an. Ich nahm an, und bin Ivan Rodionov bis heute für dieses Angebot dankbar.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2025. RT feiert seinen 20. Geburtstag. Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte am vergangenen Freitag dem Sender, seiner Chefredakteurin Margarita Simonjan und allen Mitarbeitern. Damit gratulierte er in gewisser Weise auch mir. Ich gebe zu, das erfüllt mich mit einem gewissen Stolz.
Es hat sich in den zehn Jahren in Deutschland und der deutschen Medienlandschaft viel verändert, vor allem zum schlechteren. Die Russlandberichterstattung der deutschen Medien hat sich inzwischen noch weiter von der russischen Lebenswirklichkeit entfernt. In den deutschen Medien wird klar erkennbar das Feindbild Russland aufgebaut. Deutschland bereitet sich auf eine militärische Auseinandersetzung mit Russland vor. Deutsche Politik und deutsche Medien wiederholen gemeinsam alle historisch gemachten Fehler.
Die Berichte über Russland, Russlands Politik und die russische Gesellschaft, die den Deutschen von den großen deutschen Medienunternehmen und den GEZ-Anstalten vorgesetzt werden, sind verzerrt, manipulativ, zum Teil offen rassistisch und fallen immer häufiger in die Kategorie "Gräuelpropaganda". Viel davon ist ganz schlicht und einfach gelogen. Es gibt in Russland Waschmaschinen und Kühlschränke zu kaufen, in denen noch alle Mikrochips und Halbleiter enthalten sind, und russische Soldaten kämpfen nicht mit Klappspaten – um nur den aller offensichtlichsten Unsinn an Behauptungen anzuführen.
Der russische Untermensch, der vergewaltigt, raubt und brandschatzt, der zivilisatorisch unterentwickelt ist und es auch immer bleiben wird, ist wieder fester Bestandteil des von den deutschen Medien gezeichneten Bildes von Russland und seiner Gesellschaft. Es ist gerade durch die Wiederholung eine besondere Schande.
Dass dies überhaupt möglich ist, liegt zweifellos an der in Deutschland herrschenden Zensur. Es ist für mich völlig offenkundig, dass RT und andere russische Sender in der EU und in Deutschland nicht deswegen zensiert werden, weil sie Desinformation und Propaganda verbreiten, sondern weil sie im Gegenteil die deutsche Propaganda bei der Arbeit stören. Dem deutschen Journalismus fehlt das Korrektiv.
Pressefreiheit soll genau das gewährleisten, was nun in Deutschland erneut ausgehebelt ist: ein breites Angebot an Sichtweisen und Meinungen, aus denen sich der Medienkonsument das für ihn Passende aussucht, um dann seinerseits am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Das ist in aller Vorläufigkeit die grundlegende Funktionsweise einer Demokratie. In Deutschland funktioniert das nicht mehr.
Natürlich wurde ich schon früh wegen meiner Arbeit für RT angegriffen, beleidigt, verunglimpft. Man tut sich in Deutschland schon seit langem wieder schwer mit anderen Sichtweisen und Einschätzungen. Mit Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine am 24. Februar 2022 steigerte sich das jedoch bis hin zu offenen Morddrohungen. Deutschland wurde mir zu brenzlich. RT machte mir das Angebot, von meiner freien Anstellung in eine Festanstellung zu wechseln und in Moskau zu arbeiten. Ich nahm das Angebot nicht zuletzt deswegen an, weil ich um meine physische Unversehrtheit Angst hatte. Deutschland wird sich mit jedem Tag wieder ähnlicher.
Nun lebe ich seit über drei Jahren in Russland. Bereut habe ich den Schritt zu keiner Zeit. Auch wenn man das in Deutschland nicht glaubt und sogar verlacht, aber es lebt sich hier freier. Einzig die Bundesrepublik bereitet mir wachsende Sorgen. Ich blicke jeden Tag von außen auf das, was dort im Innern passiert. Das ist mein Job. Deutschland bereitet mir so große Sorgen, dass ich immer häufiger wünsche, ich könnte mein Deutschsein abstreifen. Aber genau das geht nicht. Man bleibt seiner Herkunft, seiner Sprache und Kultur verpflichtet. Man bleibt so in gewisser Weise immer Patriot.
Um so wichtiger halte ich es für Deutschland, dass ein Kanal offen gehalten wird, durch den eine andere Sichtweise, der fehlende Part, die unterdrückte Information Eingang in den nahezu hermetisch abgeriegelten deutschen Informationsraum findet. Diese Aufgabe erfüllt RT DE, und ich leiste dazu meinen kleinen Anteil.
Es ist ein Paradox, aber die Arbeit für RT, die Arbeit für einen russischen Staatssender, garantiert mir die Meinungsfreiheit in Deutschland, die mir Berlin und Brüssel verwehren. Ich werde davon weiterhin reichlich Gebrauch machen. Für diese Möglichkeit danke ich RT von Herzen. Es ist und bleibt für Deutschland wichtig, was wir tun.
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