
Polens Nord-Stream-Ultimatum an Deutschland legitimiert staatlichen Terror

Von Andrei Rudaljow
Es scheint, als habe Warschau beschlossen, sich an Merkel für ihre jüngsten Worte zur Ursache des Wiederentbrennens des vor dem Jahr 2022 lediglich schwelenden Ukraine-Konflikts zu rächen und Berlin demonstrativ in die Schranken zu weisen. Zur Erinnerung: Die ehemalige Bundeskanzlerin erklärte, Polen und die ungezügelte russophobe baltische Triade, bestehend aus Estland, Lettland und Litauen, hätten sich ein Jahr vor dem Nord-Stream-Anschlag auf alle erdenklichen Weisen gegen eine Beilegung der Ukraine-Krise gestellt.
Nun lehnt wiederum Polen die Auslieferung von Wladimir Schurawljow, einem ukrainischen Staatsbürger, der des Anschlags auf die Nord-Stream-Gaspipeline verdächtigt wird, an Deutschland kategorisch ab. Er wurde zuvor auf Ersuchen der deutschen Behörden festgenommen. Zudem war es nicht irgendein Experte, der dies verkündete, sondern es waren ein ausgewachsener Verteidigungsminister Polens, der Präsidentenberater sowie der Premierminister Tusk höchstselbst.
Damit sind diese Politiker automatisch nicht nur an dem Sabotageanschlag beteiligt, sondern auch daran, den gesamten ukrainischen Konflikt mit angefacht zu haben.
Hierzu ein paar Binsenweisheiten: Diese Erdgaspipeline war eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für Deutschland und sicherte dessen Energieunabhängigkeit. Sie wurde trotz des wütenden Aufstampfens Washingtons fertiggestellt. Und das ist verständlich: Russische Kohlenwasserstoffe waren in der jüngeren Geschichte der Schlüssel zum industriellen Wohlstand des Landes. Die Sprengung der Gaspipelines im September 2022 war weniger ein Schlag gegen Russland als einer gegen Europas größte Volkswirtschaft – Deutschland. Das Land wurde, gelinde gesagt, auf den Weg der Deindustrialisierung gelenkt, vor den Augen der ganzen Welt gedemütigt – und ihm wurde mehr als deutlich gemacht, dass es sich seine Interessen und seine Souveränität sonstwohin schieben darf. Und dass es nun so handeln wird, wie ihm geheißen wird – nämlich russophob und militaristisch.

Nun folgte eine weitere öffentliche Demütigung, diesmal vonseiten Polens: Berlin wurde zu verstehen gegeben, dass alle Versuche, die Sabotage zu untersuchen, zu nichts führen würden und es überhaupt besser sei, es gar nicht erst zu versuchen. Darüber hinaus erklären Warschauer Beamte offen, dass die Zerstörung der Erdgaspipelines im nationalen Interesse Polens liege und das Hauptproblem der Bau von Nord Stream sei und nicht dessen Zerstörung. Sie nennen die beiden Erdgasleitungen "ein Element der russischen Militärmaschinerie". Ja, wirklich, was gibt es da auch zu untersuchen? Bald werden sie sich noch gegenseitig für ihre Beteiligung an der Sprengung mit Orden auszeichnen …
In einem Interview stellte der polnische Präsidentenberater Sławomir Cęckiewicz Berlin praktisch ein Ultimatum, alle Ermittlungsbemühungen zugunsten von Geeintheit mit Polen und anderen NATO-Staaten aufzugeben. Er erklärte zudem, die Priorität seines Landes liege im Schutz derjenigen, die auf die eine oder andere Weise an der Sabotage beteiligt waren.
Schon seltsam, dass Berlin noch nicht alle Kosten für die Vorbereitung und Durchführung der Sabotage (wie in manchen anderen Ländern für die Erschießung eines zum Tode Verurteilten an dessen Hinterbliebene) in Rechnung gestellt werden. Obwohl, wer weiß … Wenn man schon jemanden für seinen Eigensinn und Ungehorsam demütigt, der trotz endloser Rufe und direkter Drohungen von den Hügeln Washingtons die Fertigstellung der Gaspipelines mitermöglichte – dann demütigt man ihn richtig, "das Porto inbegriffen". Deutschland versuchte, auf sich selbst und seine langfristige Zukunft zu achten – und ließ dabei wohl außer Acht, dass es der Linie des vereinten Westens zu folgen hatte – anstatt von ihr abzuweichen, Andersdenken zu pflegen oder gar an die eigene Souveränität zu denken. Ihm wurde ultimativ vermittelt, die höchste Priorität liege in der aktuellen Konfrontation mit Russland. Alles andere ist optional. Wo gehobelt wird, fliegen halt Gaspipelines (in die Luft).
Nach dem aktuellen Aufruhr in den polnischen politischen Kreisen um Nord Stream kommen einem die Worte des ehemaligen Bundesnachrichtendienst-Leiters August Hanning in den Sinn, der letztes Jahr bei Welt TV über Warschaus Beteiligung an der Sabotage der Gaspipeline ausgiebig sprach.
Er diskutierte die Rolle der Geheimdienste sowie die entsprechenden Abkommen auf höchstem Niveau zwischen der Ukraine und Polen. Laut Hanning leistete Polen logistische Unterstützung für diesen Anschlag.
Wenn man nun am Faden zieht, kann man auch das ganze Knäuel entwirren – und zu den Schlussfolgerungen gelangen, die in der berühmten Untersuchung des Journalisten Seymour Hersh zum Ausdruck kommen: Diese belastet die CIA, US-amerikanische Kampftaucher und die Vertuschung vermittels NATO-Militärübungen zur See. Genau deshalb wird Berlin nun hochoffiziell eine Rüge ausgesprochen, und genau deswegen besteht man in dieser Sache auf der angeblichen "Notwendigkeit" dessen, dass Berlin bedingungslos die einheitliche Linie mit den Anschlags-Komplizen im Nordatlantischen Bündnis einhält.
Aber auch das ist nicht der Hauptpunkt, nicht dieses offene Geheimnis ist hier die Hauptsache – sondern die Tatsache, dass vor unseren Augen Terrorismus legitimiert und ein Freibrief für solche Verbrechen ausgestellt wird. Niemand verbirgt mehr etwas – sondern sie erklären sich im Grunde für zu allem berechtigt: Konflikte zu provozieren und anzustacheln, sogar bis hin zur direkten Konfrontation, sowie Terror und Sabotage zu betreiben. Man kann sich vorstellen, was passieren wird, wenn die ganzen Kettenhunde sich endlich von der Kette freireißen – schließlich beanspruchen sie für sich selbst schon jetzt, alles zu dürfen und nach dem "Kriegsrecht" zu handeln.
Übersetzt aus dem Russischen.
Andrei Rudaljow ist ein russischer Schriftsteller, Journalist, bedeutender Literaturkritiker (vor allem des "neuen Realismus" in Russland) und Publizist. Er ist zudem Chefredakteur der russischen Nachrichtenagentur IA Belomorkanal und hat eine Kolumne bei der russischen Ausgabe von RT.
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