Meinung

USA erkennen Rückstand gegenüber Russland in einem Strategiebereich an

US-Präsident Donald Trump schloss mit Finnland einen Riesendeal über den Bau von elf Eisbrechern ab. Jahrzehntelang beschränkten sich die USA in diesem Bereich auf ein bis zwei Eisbrecher und zeigten kein besonderes Interesse an diesem Thema. Nun ändert sich die Strategie jedoch grundlegend. Was veranlasste Washington dazu, seine Eisbrecher-Flotte zu vergrößern und zu versuchen, Russland einzuholen?
USA erkennen Rückstand gegenüber Russland in einem Strategiebereich an© Sara Francis/U.S. Coast Guard via Getty Images

Von Olga Samofalowa

Es handelt sich um den Bau von elf Schiffen im Gesamtwert von rund 6,1 Milliarden US-Dollar, von denen vier in Finnland und sieben in den Vereinigten Staaten gebaut werden sollen. Donald Trump erklärte, er kaufe die besten Eisbrecher der Welt.

Der finnische Präsident Alexander Stubb rühmte sich, dass sein Land in den letzten 100 Jahren fortschrittliche Eisbrecher-Technologien entwickelt habe: Rund 60 Prozent aller Eisbrecher weltweit seien in Finnland gebaut worden, und 80 Prozent der weltweiten Eisbrecher-Flotte seien von finnischen Ingenieuren konstruiert worden.

"Sie werden uns das Eisbrecher-Handwerk beibringen", sagte Trump zum finnischen Staatschef. Er wies darauf hin, dass die USA nur über ein einziges Schiff mit Eignung als Eisbrecher verfügen (es wird von der Küstenwache des Landes eingesetzt), während Russland etwa 40 solcher Schiffe besitzt.

Lange Zeit kamen die Vereinigten Staaten tatsächlich mit ein oder zwei Eisbrechern aus, und das stellte für sie kein Problem dar.

Alexander Worotnikow, Dozent am Institut für Sozialwissenschaften der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation (RANEPA) und Koordinator des Expertenrats des Projektbüros für die Entwicklung der Arktis, sagt dazu:

"Die klimatischen und geografischen Gegebenheiten erforderten bisher keine großen Eisbrecher-Kapazitäten. Die US-Hauptrouten verlaufen in den warmen Gewässern des Atlantischen und Pazifischen Ozeans, und in der Arktis verfügen die USA nur über ein einziges Gebiet – Alaska. Dort beschränkten sich die Eisbrecher-Aktivitäten auf die Versorgung einiger Stützpunkte, wissenschaftliche Expeditionen und eine symbolische Präsenz in den nördlichen Breitengraden. Die Prioritäten des US-Schiffbaus und des Staatshaushalts lagen schon immer woanders – nämlich im Bereich der Flugzeugträger, U-Boote und strategischen Streitkräfte. Die Arktis schien zweitrangig zu sein, und die alten Schiffe Polar Star und Healy erfüllten in gewisser Weise noch ihre Aufgaben."

Aber was hat sich geändert? Nach Auffassung Worotnikows begann sich die Situation zu ändern, als offensichtlich wurde, dass die Arktis zunehmend in den Fokus des globalen Interesses rückt, wobei es nicht nur um den Zugang zu natürlichen Ressourcen geht, sondern auch um die Kontrolle über wichtige Transportkorridore.

Er fährt fort:

 "Heute muss Washington einräumen, dass es in diesem Bereich deutlich hinterherhinkt. Russland baut bereits seit Jahrzehnten seine Eisbrecher-Flotte aus, was eine ganzjährige Schifffahrt durch die Nordostpassage und damit die Kontrolle über die kürzeste Logistikverbindung zwischen Europa und Asien ermöglicht. Mit jedem Jahr stärkt Russland dort seine Infrastruktur, baut neue atomgetriebene Eisbrecher, errichtet Häfen und Navigationssysteme. Für die USA ist offensichtlich, dass sie ohne eigene Eisbrecher-Kapazitäten weder konkurrieren noch in vollem Umfang in der Arktis präsent sein können – weder in militärischer, noch in wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Hinsicht. Aus diesem Grund wurde der aktuelle 'Eisbrecher-Deal' mit Finnland geschlossen, den Donald Trump als 'Durchbruch' präsentiert. Tatsächlich handelt es sich jedoch eher um einen Versuch, diejenigen einzuholen, die schon lange einen Vorsprung haben."

Seiner Meinung nach hat Finnland tatsächlich Erfahrung im Eisbrecherbau gesammelt, jedoch nicht nur aufgrund des Klimas, sondern auch dank der engen Zusammenarbeit mit Russland in der Vergangenheit.

Worotnikow sagt: "Viele finnische Werften haben jahrzehntelang Schiffe für die Sowjetunion und das heutige Russland gebaut und dadurch Kompetenzen erworben, die die US-Amerikaner nun gerne nutzen möchten. Finnland als 'weltweit führend' zu bezeichnen, ist übertrieben: Ja, die Finnen können konstruieren und beraten, aber sie verfügen weder über die Ressourcenbasis noch über die Infrastruktur oder die Serienproduktion in dem Umfang, wie es in Russland möglich ist. Darüber hinaus wurden die technologischen Grundlagen ihrer Eisbrecherlösungen weitgehend unter Beteiligung sowjetischer Spezialisten und mit russischem Kapital entwickelt."

Russland bleibt in diesem Bereich der absolute Marktführer. Nach wie vor verfügt Russland über die weltweit größte Eisbrecher-Flotte, die unter anderem auch einzigartige Atomschiffe umfasst.

Der Experte betont: "Unsere Technologien ermöglichen es, bis zu drei Meter dickes Eis zu durchbrechen, monatelang autonom zu arbeiten und die Sicherheit der Schifffahrt unter Extrembedingungen zu garantieren. Dabei handelt es sich nicht nur um Technik, sondern um ein strategisches Instrument, das den Handel, die Militärpräsenz und die Energieunabhängigkeit der nördlichen Gebiete sicherstellt. Ohne Eisbrecher wäre die Versorgung von Häfen und Siedlungen, die Erschließung des Arktis-Schelfs und die Lieferung von Treibstoff und Ausrüstung nicht möglich. Die Nordostpassage ist kein abstraktes Projekt, sondern eine reale Transportader, die nur dank der russischen Eisbrecher-Flotte funktioniert."

Daher ist der Deal zwischen Trump und Stubb seiner Meinung nach eher symbolischer Natur: Er belege, dass die USA zum ersten Mal seit Jahrzehnten die tatsächliche Bedeutung der Arktis anerkannt und die Führungsrolle Russlands ernst genommen hätten.

Worotnikow fügt hinzu:

"Die Finnen treten dabei als Auftragnehmer auf, jedoch nicht als Hauptakteure. Für Russland sind die neuen westlichen Eisbrecher kein Grund zur Besorgnis, sondern lediglich eine Bestätigung, dass wir Standards gesetzt haben, an denen sich andere nun orientieren müssen."

Für welche Zwecke werden die USA die neu gebauten Eisbrecher einsetzen? In erster Linie für den Transport von Ressourcen und den Handel.

Julia Dawydowa, Direktorin des Zentrums für sozialpolitische Forschung der Plechanow-Wirtschaftsuniversität, äußert sich dazu wie folgt:

"Die Eisbrecher dienen den USA als Teil einer langfristigen Strategie, um ihre Präsenz, Sicherheit und ihren Einfluss in der sich rasch verändernden Arktis zu sichern. Die Arktis verfügt über riesige Ressourcenvorräte wie Seltenerdmetalle, Öl und Gas. Die Nordostpassage beginnt mit den traditionellen Logistikrouten zu konkurrieren, und die USA können als eine der arktischen Mächte nicht zulassen, dass Russland und China ihren Einfluss in dieser Region verstärken."

Michail Djakonow, Gründer und CEO des Logistikunternehmens Freight Logistic Group, ist der Ansicht:

"Die Nordostpassage stellt sozusagen einen großen Kuchen dar, an dem Donald Trump seinen Anteil haben möchte. Die Investition von Milliarden US-Dollar in den Bau von Eisbrechern ist ein strategischer Schritt: Er ermöglicht den Zugang zu neuen Handelsmöglichkeiten, stärkt den Einfluss in Europa und eröffnet neue Perspektiven für eine Militärpräsenz in der Arktis. Und wenn Staaten bereit sind, erhebliche Mittel für solche Projekte zu investieren, dann sehen sie darin einen langfristigen Nutzen und gehen nicht ohne Grund davon aus, dass sich die Nordostpassage zu einem wichtigen Transportkorridor im globalen Sinne entwickeln wird."

Ihm zufolge besteht der Hauptvorteil der Nordostpassage darin, dass die Lieferzeiten im Vergleich zur herkömmlichen Schiffsroute durch den Suezkanal um 22 Tage verkürzt werden könnten. Überdies sei die Nordostpassage frei von zahlreichen geopolitischen Risiken.

Djakonow erklärt:

"Die Suezroute verläuft durch eine Region, in der es immer wieder zu Konfliktherden kommt, und die Instabilität im Nahen Osten wirkt sich häufig auf die Schifffahrt aus. In dieser Hinsicht erscheint die Nordostpassage berechenbarer und sicherer: Die einzigen Schwierigkeiten hier stehen im Zusammenhang mit den Wetterbedingungen und der Eislage. Aus diesem Grund benötigt man für einen stabilen Schiffsbetrieb Eisbrecher, um diese Route nicht nur im Sommer befahrbar zu machen."

Ein weiterer Grund, warum die USA Eisbrecher benötigten, ist die Stärkung der nationalen Sicherheit.

Djakonow erläutert abschließend: "Vor allem brauchen sie sie, um die Versorgung entlegener Militärstützpunkte in Alaska und Grönland sicherzustellen, die US-Marine bei Operationen in der Arktis zu unterstützen und an internationalen Missionen und Manövern in der Arktis teilzunehmen."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 11. Oktober 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

Mehr zum ThemaWie Russland Finnland für Russophobie bestrafen kann

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.