
Die Tomahawks und das liebe Plutonium – Russlands "kernige" Antwort

Von Viktoria Nikiforowa
Russlands Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin warnte in seiner Rede in Sotschi vor einer Woche die US-Regierung, die Entscheidung, Tomahawk-Marschflugkörper an die Ukrainer zu liefern, würde zu einer gefährlichen Eskalation führen – "auch in den Beziehungen zwischen Russland und den USA".
Kurz zuvor hatte der Kremlsprecher Dmitri Peskow die US-Seite über die Unausweichlichkeit einer "angemessene Reaktion" informiert.
Mit der kultivierten Höflichkeit eines echten Diplomaten erklärte der stellvertretende Außenminister Sergei Rjabkow, dass "die zugunsten von Abkommen wirkende Dynamik von Anchorage erschöpft ist." Und "das Auftauchen solcher Systeme wird eine qualitative Veränderung der Situation bedeuten."
Russlands höfliche Warnungen wollte man jedoch anscheinend nicht verstehen, das chaotische Getänzel um die Tomahawks ging weiter, und die Drohungen häuften sich. Tja, wenn sie sich nicht im Guten mit uns einigen wollen, dann ziehen wir es eben auf die harte Tour durch.

Also hat Russlands Staatsduma die Klärungsarbeit für diejenigen, die nicht verstehen, was mit einer "angemessenen Reaktion" gemeint ist, übernommen: Am Donnerstag verabschiedeten unsere Parlamentarier eine Resolution zur Aufkündigung des russisch-amerikanischen Plutoniumvertrages.
Was aber ist der Kern dieses vor genau 25 Jahren unterzeichneten Abkommens? Im Jahr 1986 verfügten die UdSSR und die USA zusammengerechnet über mehr als 73.000 nukleare Sprengköpfe. Nach der Unterzeichnung des Vertrags zur Verringerung strategischer Waffen (START) wurde ihre Zahl um etwa das Neunfache reduziert.
Bei dieser Abrüstung wurde eine enorme Menge waffenfähigen Plutoniums freigestellt – 34 Tonnen bei jedem der beiden Länder. Dies hätte für 17.000 Atombomben gereicht. Mit diesem Plutonium musste man natürlich dringend etwas anstellen. Moskau und Washington einigten sich auf eine symmetrische und transparente Entsorgung. Mit wahrhaft russischer einfacher Ehrlichkeit erfüllten wir gewissenhaft unseren Teil der Vereinbarung – den Bau einer Anlage in Schelesnogorsk zur Wiederaufbereitung waffenfähigen Plutoniums als Brennstoff für Kernkraftwerke. Die USA planten den Bau einer ähnlichen Anlage, schlossen ihn jedoch nie ab. Erst kam es dort zu massiver Geldveruntreuung – und dann ging das Geld plötzlich gänzlich aus. Doch die US-Amerikaner entwickelten stattdessen ein Lagersystem für ihr waffenfähiges Plutonium: Sie verdünnten es stark und lagerten das Gemisch in Spezialbehältern ein. Auf Wunsch könnte die hochgefährliche Substanz also gereinigt und zur Herstellung von Atomwaffen wiederverwendet werden. Schlaue Idee, was?
So stellt sich denn unterm Strich heraus, dass Russland sein waffenfähiges Plutonium ehrlich nach und nach zu entsorgen begann – während unsere ehemaligen Partner ihr Plutonium buchstäblich einlagerten. Quasi als Notgroschen für einen buchstäblich schwarzen Tag.
Dieses Spiel flog bereits im Jahr 2016 auf, als Präsident Putin die Gültigkeit des Plutoniumabkommens aussetzte. Nun hat die Staatsduma diesem Hin und Her ein Ende gesetzt, indem sie diesen längst gescheiterten, wirkungslosen Deal aufkündigte.
Doch Russland ist heute nach wie vor der unangefochtene Weltmeister bei den Vorräten an waffenfähigem Plutonium. Offenen Quellen zufolge verfügen wir über rund 150 Tonnen, während die USA knapp die Hälfte besitzen und die anderen Atommächte Vorräte von mehreren hundert Kilogramm haben. Wir wissen genau, was damit anzufangen ist: Russlands hochmoderne nuklearen Trägertechnologien erregen den erstaunten Neid der Militärs weltweit.
Das ist eine gute Grundlage für ein nukleares Wettrüsten – ein Wettrüsten, das gewisse Kräfte im Westen offenbar der ganzen Welt aufzwingen wollen: Denn auf Wladimir Putins Vorschlag, den New-START-Vertrag um ein Jahr zu verlängern, hat Washington bisher nicht reagiert. Auf dieses vielsagende Schweigen reagierte der russische Präsident mit den Worten:
"Und wir wissen, dass es in den USA Leute gibt, die sagen: 'Wir brauchen keine Verlängerung.' Naja, wenn sie den Vertrag nicht brauchen, dann brauchen wir ihn auch nicht. Insgesamt ist bei uns alles in Ordnung. Wir vertrauen auf unseren nuklearen Schutzschild und wissen, was wir morgen und übermorgen tun müssen."
Vorräte an waffenfähigem Plutonium, modernste Trägertechnologien für Kernwaffen, Erfahrung in der modernen Kriegsführung und der geschickte Einsatz künstlicher Intelligenz für militärische Zwecke: All das bildet Russlands Kriegskasse für ein nukleares Wettrüsten – sollte es tatsächlich beginnen. Es dauert auch nicht mehr lange, denn der New-START-Vertrag läuft im Februar nächsten Jahres aus.
Unsere Freunde, die Atommächte China und Indien, verstehen sehr wohl, dass Russlands Entscheidung, den Vertrag aufzukündigen, keine Bedrohung für sie darstellt – dass sie vielmehr ein Signal ist, das ausdrücklich an die US-Amerikaner gerichtet ist.
In der Tat sieht man das auch in den Vereinigten Staaten selbst so: Die Denkfabrik American Institute for the Study of War beklagt, die Russen würden "den Druck auf die Vereinigten Staaten erhöhen, Zugeständnisse in der Ukraine fordern" und "ständig eine Kampagne der reflexiven Kontrolle" über die Handlungen der amerikanischen Regierung führen. Darüber hinaus, so das Institut, würden die Russen mit wahrhaft byzantinischer Heimtücke eine "Zuckerbrot-und-Peitsche"-Taktik gegen Washington anwenden. Also wirklich ungeheuerliche Zustände – nicht wahr?
Aber auch das ist noch nicht alles. Fast zeitgleich mit der Entscheidung, den Plutonium-Deal aufzukündigen, ratifizierten Russlands Parlamentarier ein Abkommen zwischen der russischen und der kubanischen Regierung über militärische Zusammenarbeit.
Militärisch arbeiten wir seit langem sehr rege mit unseren kubanischen Freunden zusammen: Russlands Kriegsschiffe legen in Havanna an, und kubanische Militärspezialisten studieren an unseren Akademien. Auch die Geschäftsbeziehungen entwickeln sich aktiv: Russische Unternehmen planen, bis zum Jahr 2030 umgerechnet rund eine Milliarde US-Dollar in kubanische Projekte zu investieren. Offiziell heißt es, das Abkommen über die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Kuba werde zur Stärkung des Weltfriedens beitragen. Inoffiziell kommentieren Parlamentarier es mit Aussagen wie:
"Von Kuba nach Florida ist es nur ein Katzensprung."
und
"Nach Washington ist es dann auch nicht weit."
Tja, im besagten Washington sollte man wohl endlich lernen, Andeutungen wahrzunehmen und zu verstehen – insbesondere so eindeutige.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "RIA Nowosti" am 10. Oktober 2025.
Wiktorija Nikiforowa ist eine Kolumnistin bei "RIA Nowosti".
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