Meinung

Regierungskrise in Frankreich: Die drei grundlegenden Probleme der Franzosen

Frankreichs Premier Lecornu ist nach weniger als einem Monat im Amt zurückgetreten. Überraschend ist das nicht. Frankreich versucht, ein Spardiktat zu erfüllen, das zum Niedergang führt. Wer hinschaut, erkennt, dass Frankreich konkret drei Probleme hat. Sie heißen Brüssel, Deutschland und Macron.
Regierungskrise in Frankreich: Die drei grundlegenden Probleme der FranzosenQuelle: www.globallookpress.com © Laszlo Pinter

Von Gert Ewen Ungar

"Überraschend" nennt die Tagesschau den Rücktritt von Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu. Überraschend ist dabei eigentlich nur eins: dass er so schnell kam. Dass er kommen würde, stand wohl außer Frage. Frankreich ist politisch instabil. Daran wird sich wohl erstmal nichts ändern.

Lecornu war erst am 9. September von Präsident Macron ins Amt eingesetzt worden und bereits der fünfte Regierungschef, den Macron nach seiner Wiederwahl im Mai 2022 ernannt hat. Von allen fünf Premierministern war die Amtszeit von Lecornu die kürzeste. Sein Vorgänger François Bayrou blieb neun Monate im Amt, dessen Vorgänger Michel Barnier brachte es immerhin auf 90 Tage. 

Für die Instabilität gibt es gute Gründe. Frankreich hat im Kern drei große Probleme. Eines heißt Brüssel, das zweite Deutschland und das dritte Macron.

Die Schuldenregeln, die Brüssel seinen Mitgliedstaaten aufzwingt, sind unsinnig. Sie drosseln das Wachstum, dämpfen die Inlandsnachfrage und führen so zum Niedergang der Wirtschaft der Mitgliedstaaten. Die EU hinkt der globalen Entwicklung seit Jahren hinterher, denn es wird aufgrund niedriger Nachfrage kaum investiert. Korrektur ist nicht in Sicht. 

Unsinnig ist auch das Sanktionsregime, mit dem die EU-Kommission Russland wirtschaftlich niederringen will, mit dem sie aber vor allem die Wirtschaft der EU-Länder abwürgt. Obendrein zwingt die EU-Kommission ihren Mitgliedstaaten eine völlig absurde Ukraine-Politik auf. Ein bereits verlorener Krieg soll in die Länge gezogen und von den EU-Mitgliedstaaten weiter finanziert werden. Die Mittel fehlen dann im eigenen Land. 

Problematisch ist auch Frankreichs Nachbar Deutschland. Die Wirtschaftspolitik Deutschlands klebt ganz unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der Bundesregierung an der Exportorientierung wie die Fliege am Fliegenleim. Während die USA nach Jahren des Streits dazu übergegangen sind, mit Strafzöllen gegen die Handelsbilanzüberschüsse der EU und damit gegen Deutschland vorzugehen, hat Frankreich diese Möglichkeit nicht.

Frankreich kann das als EU-Land nicht tun und ist zudem noch in einer gemeinsamen Währung mit Deutschland gefangen. Selbst die Abwertung der eigenen Währung, um damit das Ungleichgewicht zu beseitigen, ist nicht möglich. 

Nach allen seinen Vorgängern hat nun auch Friedrich Merz in aller Einfallslosigkeit deutlich gemacht, dass er Deutschland international wieder wettbewerbsfähiger machen will. Er hält trotz zunehmenden Widerstands an der Exportorientierung Deutschlands fest. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland gegenüber Frankreich einen Handelsbilanzüberschuss von rund 50 Milliarden Euro. Das heißt, Waren im Wert von rund 50 Milliarden Euro wurden in Deutschland hergestellt, aber in Frankreich konsumiert, ohne dass dem Waren aus Frankreich gegenüberstanden, die in Deutschland konsumiert wurden. Dadurch wurden in Deutschland Arbeitsplätze erhalten, in Frankreich aber vernichtet.

Dieses Ungleichgewicht besteht seit der Agenda 2010 ‒ also seit rund einer Generation. Auch wenn Merz den Deutschen etwas anderes einreden will, um erneut die Löhne zu senken, ist nur eins richtig: Deutschland lebt seit langer Zeit weit unter seinen Verhältnissen und ist damit ein Problem für seine Nachbarn und Handelspartner.

Was man in Deutschland partout nicht versteht und auch wohl nicht verstehen will, ist, dass Wettbewerbsfähigkeit ein relatives Konzept ist. Es können nicht alle gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das Ziel im internationalen Handel ist daher auch eine ausgeglichene Handelsbilanz und kein dauerhafter Überschuss. Deutschland besteht aber darauf, seine Handelspartner niederkonkurrieren zu dürfen. Frankreich ist klares Opfer dieser deutschen Politik. 

Das dritte Problem Frankreichs heißt Macron, der es nicht schafft, seiner Regierung die wirtschaftspolitischen Freiräume zu schaffen, die benötigt werden, um Frankreich aus der Krise zu führen. Dazu wäre es erforderlich, sich gegenüber Brüssel und Deutschland auf die Hinterbeine zu stellen und die französischen Interessen zu vertreten. Weil es Macron aber an Durchsetzungskraft fehlt, lässt er die Franzosen ausbluten. Macron hat den für ihn einfacheren, für die französische Nation aber destruktiven Weg gewählt. Er sucht zum vorgegebenen Spardiktat die Regierung, die es auf sich nimmt, das Diktat gegen den Widerstand der Bevölkerung und gegen jede ökonomische Vernunft durchzusetzen.

Dabei ist klar, ebenso wenig wie alle gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können, können nicht alle gleichzeitig sparen. Dann bricht die Wirtschaft zusammen. Das ist aber das, was die EU Frankreich abverlangt. Der Staat soll sparen, während die Unternehmen mangels Nachfrage nicht investieren und die Bürger aus Sorge um die Zukunft ihre Ausgaben kürzen. Das muss in den Zusammenbruch der Wirtschaft führen. Frankreich ist das Opfer von wirtschaftspolitischer Inkompetenz.

Diesen Zusammenhang versteht man nämlich weder in Brüssel noch in Berlin oder Paris. Wenn aber sowohl Unternehmen als auch die Verbraucher sparen, obliegt es dem Staat, sich zu verschulden. Es gibt keine andere Lösung. Die USA machen das unabhängig vom jeweiligen Präsidenten vor. Sie sind daher auch besser durch all die Krisen der vergangenen Dekaden gekommen. 

Dem exorbitanten Schuldenberg der USA steht das entsprechende Vermögen von Privaten und Unternehmen in gleicher Höhe gegenüber. Wird dieser Zusammenhang nicht verstanden, geht die Krise in der EU weiter. Sie ist daher auch keine genuin französische Krise. Frankreich ist nur das aktuelle Symptom, das sich allerdings weiter ausbreiten wird, bis entweder die EU deindustrialisiert ist oder Vernunft einkehrt und die von Deutschland angeheizte Schuldenphobie erfolgreich bekämpft wurde. Bis dahin allerdings gibt es in der EU keine politisch stabilen Verhältnisse, denn das Versprechen von wachsendem Wohlstand, an dem alle teilhaben, lässt sich unter diesen Voraussetzungen nicht erfüllen.

Den Franzosen ist zu wünschen, dass ihr Präsident ausnahmsweise etwas Größe zeigt, den Platz für jemanden frei macht, der diese Zusammenhänge besser versteht und den Konflikt mit den Deutschen in der EU nicht scheut. Allerdings ist Macron eben auch Macron. Viel Hoffnung gibt es nicht. 

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