
Könnten es mit euch genauso tun: Westliche Völkermord-Beihilfe sollte als Drohung verstanden werden

Von Susan Bonath
Zwei Jahre Massaker im Livestream: Der israelische Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser im Gazastreifen und zunehmend im Westjordanland treibt immer größere Massen in aller Welt auf die Straßen und in den Streik. Millionen trotzen Polizeigewalt und Repression – auch in Europa, wie RT DE-Autor Rainer Rupp kürzlich zusammenfasste. Dabei ist es wohl nicht nur die tägliche Flut grausamer Bilder, die die Proteste anheizt, sondern eine wachsende Ahnung: Die westliche Beihilfe zu dem offen praktizierten Völkermord zeigt das Wesen des Imperialismus – und transportiert eine Drohung der Mächtigen an ihre eigenen Bevölkerungen: Wenn wir wollen, tun wir es mit euch genauso.
Ein Genozid ist kein Krieg
Vorab: Anders als die von deutschen Medien gern ausführlich wiedergekäute israelische Propaganda behauptet, ist das Ungeheuerliche, das in Palästina seit zwei Jahren geschieht, kein normaler Krieg. Es ist auch keine "Selbstverteidigung gegen Terroristen". Es ist etwas anderes, nämlich die Vernichtung einer seit Jahrzehnten kolonisierten, vertriebenen, entrechteten, entmenschlichten, enteigneten, unterdrückten und vom Aggressor selbst eingesperrten, nahezu wehrlosen Millionenbevölkerung mit Hightech-Waffen.

Historisch ist Palästina nicht das einzige Kolonialprojekt westlicher Machteliten, das in einem Völkermord mündete. Koloniale Genozide haben eine lange Geschichte, von der britischen, spanischen und portugiesischen Eroberung Amerikas bis hin zur Kolonisierung Afrikas, an der auch das Deutsche Reich rege beteiligt war. Aber es ist das erste Siedlerkolonialprojekt, das im 21. Jahrhundert derart grausam zu enden droht – überdies begleitet von einem absoluten Novum: Zum ersten Mal in der Geschichte westlicher Völkermorde übertragen die Überlebenden die Massaker an ihrem eigenen Volk per Livestream ins Internet.
Akribisch dokumentiertes Grauen
Kein anderer Völkermord in der Geschichte der Menschheit war je so akribisch in Echtzeit dokumentiert worden wie dieser. Zu den täglichen Bildern von zerfetzten, verhungerten und verstümmelten Opfern kommen erstaunlich konkrete Aufzeichnungen. Vor knapp drei Monaten veröffentlichte die Washington Post als erstes westliches Medium eine Liste mit verifizierten Namen und Alter von über 18.500 ermordeten Kindern im Gazastreifen, darunter fast eintausend Säuglinge unter einem Jahr.
Dabei ist klar, dass auch dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn nicht erfasst sind darin die Kinder, die aufgrund der israelischen Blockade und zerbombter Infrastruktur verhungert, an heilbaren Krankheiten oder Verletzungen gestorben sind. Auch die Tausende Opfer, die bis heute unter dem Trümmerfeld liegen, fehlen darin. Wer sich damit außerhalb der israelischen Propaganda befasst, weiß das. Aber bereits die vorhandenen Beweise sind so erdrückend, dass allein menschliches Mitgefühl zu Protesten führen muss.
Westliche Komplizenschaft
Doch am schwersten wiegt wohl das Wissen von der Komplizenschaft der eigenen Regierung, des eigenen Staats. Das sollte die Erschütterung weit über das Mitgefühl mit den Opfern vor Ort hinausgehen lassen. Die Komplizenschaft in Form politischer und militärischer Unterstützung der Täter verdeutlicht, dass Israel seine Taten eben nicht als souveräner Staat begeht, sondern als Teil des westlichen Imperiums unter Vorherrschaft der USA handelt. Anders ausgedrückt: Israel begeht den Völkermord als Subunternehmer des Westens.
Es braucht keine Verschwörungstheorien, um auf diesen Gedanken zu kommen, denn klar ist, dass der Staat in Nahost, der permanent die jüdische Herkunft von Millionen Menschen weltweit für seine Verbrechen missbraucht, ohne militärische, politische und wirtschaftliche Unterstützung aus den USA und der EU weder die jahrzehntelange brutale Besatzung hätte aufrechterhalten noch jetzt den Völkermord begehen könnte. Der Westen hat ein ökonomisches Interesse an der mörderischen Expansion Israels.
Diese Erkenntnis zerstört zugleich wichtige westliche Propaganda-Narrative, die insbesondere die deutsche Arbeiterklasse über Jahrzehnte zu einer handzahmen Masse machten, weil sie den Glauben an soziale und demokratische Sicherheit fütterten. Nie lag die gegenteilige Wahrheit so offen vor aller Augen wie jetzt: Die Vertreter des westlichen Imperialismus sind nicht geläutert. Sie scheren sich weiterhin nicht um Menschenrechte, nicht irgendwo auf der Welt, nicht im eigenen Land. Ein erschreckendes Fazit nimmt Gestalt an: Sie könnten jede Bevölkerung, auch ihre eigene, jederzeit zu "ihren Palästinensern" machen.
Comeback offener Skrupellosigkeit
Ihre Skrupellosigkeit hatten die NATO-Imperialisten über Jahrzehnte gut getarnt, nicht nur hinter ihren Floskeln von "westlichen Werten" und "freiheitlich-demokratischer Grundordnung", mit denen sie ihre zahlreichen Kriege und politischen Interventionen in anderen Ländern gern labelten. Sie versteckten ihre Barbarei auch hinter ihren Sozialsystemen und Arbeitsgesetzbüchern, mit denen sie in ihren eigenen Ländern eine Art Arbeiteraristokratie im Vergleich zum Rest der Welt schufen – gern mit Bausparvertrag, Kleinhäuschen am Stadtrand, zwei Familienautos und Betriebsrente.
Jahrzehntelang florierte die US-geförderte (und besetzte) BRD im Aufschwung des Wiederaufbaus der Nachkriegszeit. Die Gewerkschaften, umfunktioniert zu Subunternehmern der Großkonzerne, fantasierten von einer (nie existenten) "Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit". Konzerne wie Volkswagen produzierten zwei BRD-Generationen privilegierter Fließbandarbeiter mit Jobgarantie, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dass die Privilegien mit brutaler Ausbeutung anderswo einhergingen, bekam kaum jemand mit. Nicht wenige VW-Veteranen dürften aus allen Wolken gefallen sein, als ihr Konzern kürzlich zu einer (lächerlichen) Millionenstrafe wegen Sklaverei in Brasilien in den 1970er und 1980er Jahren (!) verurteilt wurde.
Wer im Strom schwamm, bekam nicht viel mit vom Elend der unteren fünf Prozent, den Repressionen gegen Dissidenten und der Polizeigewalt gegen unliebsame Protestler. Auch jetzt, wo die Prozentzahlen der davon Betroffenen seit mindestens drei Jahrzehnten wachsen, glauben viele noch immer, ein paar Migranten weniger und Hungersanktionen gegen Arbeitslose brächten die Erlösung. Doch andererseits ist die vielfach wohl noch als bloßes mulmiges Gefühl einsickernde Ahnung nicht mehr aufzuhalten: Das "wertewestliche" kapitalistische System mit imperialistischem Weltmachtanspruch ist die Ursache der Verwerfungen.
Falsche Terroristen und echte Verbrecher
Gegen die Erkenntnis kämpfen die Staatslenker und ihre Medienabteilungen mit viel Propaganda an. Man findet kaum einen Artikel über die aktuellen Kriege, in dem das westlich-koloniale Denken von Herren- und Untermenschen nicht präsent ist. Der gesamte "Krieg gegen den Terror" seit 2001 war von dieser Art Propaganda begleitet, so wie früher schon die kolonialen Befreiungskriege im "Globalen Süden". "Terrorist" und "Terrororganisation" waren und sind Kampfbegriffe des Westens gegen jeden Widerstand der Opfer seiner Unterdrückung und Kolonialherrschaft, ob in Afrika, Südamerika oder Palästina.
So produzieren deutsche Leitmedien stoisch weiter in Dauerschleife empörte Artikel über Proteste gegen Krieg, Ausbeutung und Vernichtung. Wer rote Farbe an die Fassade des Außenministeriums sprüht, um an die Opfer der israelischen Massaker zu erinnern, wird zum Terrorunterstützer erklärt, während das täglich live gefilmte echte Blut palästinensischer Kinder in den grauen, staubigen Ruinen von Gaza, fabriziert auch mit deutschen Waffen, als "Kollateralschaden israelischer Selbstverteidigung" durchgeht.
Mit peinlicher Genauigkeit verfolgen die deutsche Polizei und Justiz noch immer Menschen, die sich im Internet oder auf der Straße mit den Opfern des Völkermordes solidarisieren, während der am Völkermord beteiligte deutschsprachige IDF-Sprecher, Arye Sharuz Shalicar, die genozidalen Taten seiner Armee vor BRD-Publikum bejubeln darf. So trat er beispielsweise an diesem Montag in Dresden auf, um sein "Kriegstagebuch aus Nahost" vorzustellen – mit höchsten politischen Sondergästen aus dem sächsischen Landtag.
Systemkonforme Barbarei
Das alles ist nicht einfach nur Ausdruck verrutschter Moral. Vielmehr zeigt es den wahren Kern "westlicher Werte": das barbarische, ausbeuterische Machtstreben des Imperialismus, der in der Realität weder Menschenrechte noch Moral gegenüber fremder wie eigener Bevölkerung kennt. Die einzige Kategorie, nach der das System Menschen bewertet, ist ihre Verwertbarkeit für seine Profitmaschine.
Das zeigt sich längst überdeutlich auch in Deutschland, wenn Staat und Politik skrupellos zusehen, wenn Menschen überteuerte Miet- und Heizkosten nicht mehr bezahlen können und auf der Straße landen, wenn Rentner verarmen, Obdachlose im Winter erfrieren, gesetzlich Versicherte bei Krankheit nicht mehr adäquat behandelt werden und so weiter. Die kurze Phase deutscher Sozialstaatlichkeit neigt sich mit der großen Wirtschaftskrise ihrem Ende zu, und BlackRock-Kanzler Friedrich Merz hat im schwarz-roten Verbund nun den letzten Turbo hin zum alten, neuen Raubtierkapitalismus angeworfen.
Es ist vorbei mit der vorgegaukelten sozialen Sicherheit im "demokratischen" Westen. Der Imperialismus frisst nun nach und nach seine eigenen Steigbügelhalter im Inneren, die nicht über große Vermögen verfügen. Und einer wachsenden Zahl von Italienern, Spaniern, Tschechen, Franzosen, Briten, auch Deutschen und anderen Westlern schwant wohl das, was manch ein "globaler Südländer" schon wusste: Nichts tun, rettet nicht davor, eines Tages womöglich wie die Palästinenser zu enden, wenn die Eliten es für nötig halten. Denn Imperialismus basiert auf solchen Verbrechen. Barbarei war immer systemkonform.
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