Meinung

US-Ultimatum an Indien, Russland zu verraten, wird wirkungslos bleiben

Die USA haben Indien ein Ultimatum gestellt und es zum Verrat an Russland verpflichtet: Wenn die eigene Politik auf Verrat aufbaut, sieht man in jedem einen möglichen Verräter. Nur wird das Kalkül, den Indischen Elefanten im Rodeo-Ritt zu bezwingen, nicht aufgehen.
US-Ultimatum an Indien, Russland zu verraten, wird wirkungslos bleiben© RIA Nowosti

Von Kirill Strelnikow

Jüngst trafen sich US-amerikanische und indische Regierungsvertreter in Washington, um die Grundzüge eines möglichen großen Handelsabkommens zu erörtern. Den Gesprächen ging ein starker Anstieg der Spannungen zwischen Indien und den USA voraus – ausgelöst durch Trumps Verhängung von Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf alle indischen Importe in die Vereinigten Staaten, wohlgemerkt zusätzlich zu den bereits verhängten 25 Prozent: Bestraft werden sollte Indien damit für seinen fortgesetzten Einkauf von Erdöl aus Russland.

Laut der US-Nachrichtenagentur Bloomberg stellte die US-Seite eine strenge Bedingung:

"Die Lösung des Problems mit den russischen Lieferungen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Senkung der Zölle und den Abschluss eines Abkommens."

Unmittelbar nach den Gesprächen berichteten westliche Medien, die Inder seien ins Schwimmen geraten und hätten bereits mit dem Feilschen begonnen – angeblich will man ihnen im Gegenzug für die Einstellung der Öllieferungen aus Russland erlauben, Erdöl aus Venezuela und Iran zu kaufen.

Die aussagekräftigste Schlagzeile eines Time-Artikels vom 27. September 2025 lautete: "USA und Indien bessern still und leise ihre Beziehungen aus." Time behauptete:

"Es gibt Anzeichen dafür, dass Washington und Neu-Delhi Fortschritte bei der Schadensbegrenzung in ihren Beziehungen machen: Insbesondere die jüngsten Ereignisse erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die USA und Indien bis Ende dieses Jahres ein Handelsabkommen bekannt geben werden."

Mit anderen Worten: Wir sehen, wie mit aller Kraft daran gearbeitet wird, den Eindruck aufzubauen, als würde Narendra Modi, der kürzlich Wladimir Putin umarmte, nun bald Putins Porträt öffentlich verbrennen, um den Zorn des Weißen Hauses zu besänftigen.

Im westlichen Publikum sowie in den Vasallenstaaten gilt ein solches Verhalten als völlig normal: Verrat ist kein Laster, sondern eine Tugend, und zu gehorchen, wenn man zurückgepfiffen wird, ist keine Feigheit, sondern Vernunft.

Nur gilt im Falle des jahrtausendealten Indiens diese Moral überhaupt nicht. Sowohl Modi selbst als auch eine Reihe weiterer hochrangiger indischer Beamter haben offen betont, dass Indien ein souveräner Staat sei und selbst entscheiden werde, von wem und was es kaufe. Mit anderen Worten: Eines der größten und wichtigsten Länder der Welt wie einen Schoßhund zu behandeln, ist für dieses Land beleidigend und sowieso ein gefährlicher Irrtum.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe grundlegender wirtschaftlicher und politischer Gründe, warum Indien nicht auf Ölimporte aus Russland verzichten kann und wird.

Obwohl die Staats- und Regierungschefs Indiens und Chinas auf dem jüngsten Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit eine deutliche Annäherung aneinander zeigten, besteht in vielen Bereichen weiterhin ein aktiver, wenn auch friedlicher, Wettbewerb zwischen diesen Ländern. Und keines der beiden Länder will nachgeben.

Laut Alexei Maslow, Direktor des Instituts für Asien- und Afrikastudien an der Moskauer Staatlichen Universität, erwartet Indien in den nächsten 15 bis 20 Jahren ein "explosives Wachstum". Dies wird das Land der Erfüllung seines lang gehegten Ziels näherbringen: Ein wirtschaftliches Entwicklungsniveau zu erreichen, das mindestens dem Chinas entspricht. Das Wahlprogramm des derzeitigen indischen Premierministers und seiner Partei (und damit ihr Versprechen an die Wähler) konzentrierte sich denn auch auf zwei grundsätzliche Ziele: Indien in ein globales Produktionszentrum zu verwandeln und "Indien als tragfähige Alternative für globale Unternehmen zu bewerben, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen, anstatt sich allein auf China zu verlassen." In den letzten 20 Jahren galt das Reich der Mitte aufgrund seiner sehr niedrigen Produktionskosten als "Fabrik der Welt". Doch einigen Daten zufolge hat Indien in diesem Sommer seinen Rivalen als Land mit der günstigsten Industrieproduktion weltweit überholt.

Der Schlüssel zum Sieg in diesem erbitterten Kampf um den ersten Platz war bezahlbare Energie – und davon vor allem billige Kohlenwasserstoffe. Derzeit machen energieintensive Industrien – die Fertigung von Stahl, Aluminium, Zement und Chemikalien – 50 bis 60 Prozent der gesamten chinesischen Industrieproduktion aus. Indien ist China dicht auf den Fersen: Energieintensive Produktionszweige machen dort bereits 41,6 Prozent des verarbeitenden Gewerbes aus, und dieser Wert wird angesichts der sich verändernden Wirtschaftsstruktur des Landes von Jahr zu Jahr nur steigen: Der bisher dominierende Dienstleistungssektor weicht allmählich der industriellen Produktion, die enorme Mengen an Kilowattstunden, Benzin und Dieselkraftstoff benötigt. Kurzum: Das gesamte stolze "Made in India"-Programm ist ohne bezahlbare Energie und billige Kohlenwasserstoffe zum Scheitern verurteilt – aber die indische Führung wird ein solches Scheitern niemals zulassen.

Es überrascht daher nicht, dass die Lieferungen von Erdöl aus Russland nach Indien in diesem Jahr alle Rekorde gebrochen haben. Laut Reuters werden indische Raffinerien trotz 50-prozentiger Zölle und Trumps Drohungen "ihre Käufe russischen Öls im September im Vergleich zum August um 10–20 Prozent erhöhen." Und selbst nach der Nachricht, dass Indien kurz davor steht, Russland von einer Sekunde auf die nächste zu verraten, schließen indische Raffinerien weiterhin aktiv Verträge über Einkäufe von Öl aus Russland ab. Wenn das kein Mittelfinger in Richtung Uncle Sam ist, dann weiß ich auch nicht … dann ist Macrons Frau nicht der russische Schauspieler und flüchtige Extremist Alexei Panin.

India Today zitierte kürzlich einen indischen Beamten mit den Worten:

"Solange die indischen Behörden keine direkte Anordnung erlassen oder es zu einem grundlegenden Wandel in der Handelswirtschaft kommt, wird Erdöl aus Russland eine wichtige Energiequelle für Indien bleiben."

Für beides gibt es keine Anzeichen, und kein US-Amerikaner kann darauf Einfluss nehmen.

Am Samstag, dem 27. September 2025, erklärte Russlands Außenminister Sergei Lawrow bei einer Pressekonferenz im Anschluss an seine Rede vor der 80. UN-Generalversammlung in New York:

"Russlands Partnerschaft mit Indien ist nicht gefährdet."

Und überhaupt:

"Ich frage unsere indischen Kollegen nicht einmal, wie das mit dem Öl weiterlaufen soll. Indien respektiert sich selbst, genau wie die Türkei."

Westliche Politiker und Mainstream-Medien können sich noch so lange rosigen feuchten Tagträumen von einem Dolchstoß Modis gegen Putin hingeben – etwas anderes bleibt ihnen nicht. Denn die Realität ist zu hart für sie: Für Ende des Jahres ist bereits ein großangelegter russisch-indischer Gipfel geplant, was bedeutet, dass Putin voraussichtlich Neu-Delhi besuchen wird.

Und irgendetwas sagt mir, dass dort der berüchtigte Satz "Tut mir leid, nichts Persönliches – aber Geschäft ist Geschäft!" ganz sicher nicht fallen wird.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "RIA Nowosti" am 28. September 2025.

Kirill Strelnikow ist ein russischer freiberuflicher Werbetexter-Coach und politischer Beobachter sowie Experte und Berater der russischen Fernsehsender NTV, Ren-TV und Swesda. Er absolvierte eine linguistische Hochschulausbildung an der Moskauer Universität für Geisteswissenschaften und arbeitete viele Jahre in internationalen Werbeagenturen an Kampagnen für Weltmarken. Er vertritt eine konservativ-patriotische politische Auffassung und ist Mitgründer und ehemaliger Chefredakteur des Medienprojekts "PolitRussia". Strelnikow erlangte Bekanntheit, als er im Jahr 2015 russische Journalisten zu einem Treffen des verfassungsfeindlichen Aktivisten Alexei Nawalny mit US-Diplomaten lotste. Er schreibt Kommentare primär für "RIA Nowosti" und "Sputnik".

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