Meinung

Statistik versus Realität: Mehrheit der Ukrainer will angeblich Fortsetzung des Kriegs

Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage des Kiewer internationalen Soziologie-Instituts, wonach rund drei Viertel der Ukrainer eine Fortsetzung des Krieges "bis zum Sieg" wollen, könnten von der Realität kaum weiter entfernt sein. Doch wessen Interessen bedient die Studie?
Statistik versus Realität: Mehrheit der Ukrainer will angeblich Fortsetzung des KriegsQuelle: Gettyimages.ru © Anadolu

Von Tatjana Pop

Das Kiewer internationale Soziologie-Institut, dessen Internationalität und Unparteilichkeit, offen gesagt, schon vor dem Maidan-Putsch in der Ukraine fraglich waren, hat heute dem bekannten Sprichwort über das Verhältnis zwischen Lügen und Statistik einen ganz neuen Sinn gegeben. Laut seiner jüngsten Umfrage seien 62 Prozent der ukrainischen Bürger bereit, den Krieg so lange, wie nötig zu dulden. Über die Hälfte der noch nicht "bussifizierten" Männer und nicht wehrpflichtigen Frauen sei bereit, an die Front zu gehen. Und etwa 75 Prozent der Befragten glauben gleichzeitig an einen Sieg der Ukraine – selbst bei einer Einstellung der westlichen Hilfe. Sie lehnen kategorisch die russischen Friedensvorschläge ab, stehen einer Einfrierung des Konflikts entlang der Frontlinie skeptisch gegenüber und meinen, dass der Krieg mithilfe der EU weiterzuführen sei, selbst wenn die USA ihre Hilfe beenden.

Kurz gesagt: Nimmt man diese Angaben für bare Münze, erscheint die Einhelligkeit der ukrainischen Gesellschaft über Selenskijs Politik genauso hoch wie vor sechs Jahren, als er gerade erst gewählt wurde. Damals erhielt er gerade dafür so viele Stimmen, dass er den Konflikt beendet, anstatt ihn anzuführen. Doch das sind Kleinigkeiten, denn solche Umfrageergebnisse sind schwer zu glauben. Das gilt sowohl für die Ukrainer selbst, die in den Kommentaren unter der Nachricht des Instituts ein wahres Trolling-Fest veranstaltet haben, als auch für jene, die die gesellschaftliche Stimmung in der Ukraine aus beruflichen Gründen beobachten.

So kam das US-amerikanische Gallup-Institut vor einem Monat zu genau entgegengesetzten Zahlen: 69 Prozent der Befragten wollen eine schnellstmögliche Beendigung des Kriegs durch Verhandlungen, 24 Prozent sind zu einem "Krieg bis zum Sieg" bereit. Die Angaben der Gruppe "Rating" im August waren ebenfalls von einer "allgemeinen Mobilmachung" weit entfernt: 82 Prozent der Ukrainer befürworten Verhandlungen und nur elf Prozent eine Fortsetzung des Kriegs. Auch die bloße Beobachtung der täglichen gewaltsamen Entführungen von Männern von der Straße an die Front, die zaghaften Aktionen der Angehörigen der vermissten ukrainischen Soldaten und die rapide Flucht der ukrainischen Jugend ins Ausland nach der teilweisen Grenzöffnung zeigen: Wenn sich drei Viertel der ukrainischen Bürger über irgendetwas einig sind, dann ganz sicher nicht über die Unterstützung des selbstmörderischen Regierungskurses.

Daher stellt sich eine essenzielle Frage: Wer hat überhaupt das Geld für diesen soziologischen Sieg über den gesunden Menschenverstand ausgegeben? Ich vermute, dass es zwei Interessierte gibt, oder aber zwei in einem. Der Erstere ist der für seine krankhafte Eitelkeit bekannte Hetman Selenskij. Ich würde mich nicht wundern, wenn einer seiner Untergebenen ihm ein solches "Geschenk" gemacht hätte, um seine Stimmung zu heben – zumal das "warme Informationsbad", in dem Selenskij gehalten wird, nicht einmal für die westlichen Medien ein Geheimnis ist. Der Zweite ist die sogenannte "Koalition der Willigen", deren Anführer übrigens ebenfalls Probleme mit dem Weißen Haus haben. Nach Trumps Manövern um den Ukraine-Konflikt wurden gerade sie sowohl zu den Hauptanstiftern des Konflikts als auch zu Kiews Hauptgeldgebern. Bei ihrer nächsten Zusammenkunft könnte das aufgeheiterte Oberhaupt der Ukraine mit abgelaufener Amtszeit durchaus zur "Stimme des Volkes" werden. Danach wäre der ukrainische Machthaber beinahe legitim im Amt, und die Bürger würden den Kurs der Globalisten in Richtung eines Kriegs bis zum letzten Ukrainer völlig unterstützen. Immerhin wurde die Demokratie in Form von halbwegs transparenten Wahlen in der Ukraine längst abgeschafft. Wer wird da schon solch bequeme Angaben überprüfen?

Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 16. September.

Tatjana Pop, geboren 1983 im westukrainischen Gebiet Transkarpatien, ist eine ukrainische Journalistin und gesellschaftliche Aktivistin. Sie leitet die internationale öffentliche Bewegung "Wnuki" (Die Enkelkinder). Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen.

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