Meinung

Fürchte die Russen, wenn sie Geschenke bringen

Wehe, da schickt einer ein Päckchen aus Russland. Das hätte selbst im Kalten Krieg weniger Aufregung verursacht als heute. Ein Bauer aus Mecklenburg-Vorpommern machte da unangenehme Erfahrungen, unter Beteiligung von Zoll und Staatsanwaltschaft.
Fürchte die Russen, wenn sie Geschenke bringenQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Christoph Hardt

Von Dagmar Henn

Das erste Mal tauchte das im Dezember 2023 auf, als die Post plötzlich Weihnachtspakete, die aus Russland geschickt worden waren, nicht mehr weitertransportierte. Der Zoll grätschte in die zwischenmenschlichen, selbst die familiären Beziehungen und durchstöberte alles auf Sanktionsware, deretwegen dann nicht ausgeliefert werden konnte.

Und die EU war natürlich ausgesprochen großzügig darin, was alles sanktioniert wurde. Damals hieß es in einer Presseerklärung des Zolls:

"Darunter fallen auch Waren, die typischerweise Inhalt von Geschenksendungen sein können, wie beispielsweise Zellstoff und Papier, Holz und Holzwaren, Steine und Edelmetalle (Gold), Zigaretten, Kunststoffe und chemische Erzeugnisse einschließlich chemischer Fertigerzeugnisse wie Kosmetika."

Was natürlich gerade bei Weihnachtsgeschenken ein Volltreffer war, die immerhin üblicherweise in Geschenkpapier verpackt, also ohne sanktionierte "Waren" gar nicht angeliefert werden. Damals reagierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa gewohnt scharfzüngig und verglich die deutschen Behörden mit der Filmfigur des Grinchs: "Ich habe den Eindruck, dass die deutsche Führung in einer Art Fortsetzung dieses Films mitspielt."

Immerhin, danach wurden die Vorschriften zumindest insoweit wieder etwas gelockert, dass EU-Bürger, die aus Russland in die EU einreisen, zumindest Hygieneartikel und Kleidung mitbringen durften.

Aber wehe, die Seife kommt im Päckchen. Ein Bauer aus Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt Ärger mit der Staatsanwaltschaft Schwerin, bei dem unter anderem ein Stück Seife eine Rolle spielt. Und eine Matrjoschka. Das Vergehen des Mannes? Er hat einen Brieffreund in Russland, der ihm ein Päckchen mit Geschenken schickte, im Wert von nicht ganz 27 Euro. Gegen den Bauern wird jetzt wegen Sanktionsverstoßes ermittelt.

Was man noch halb verstehen könnte, hätte er eine Matrjoschka bei einem russischen Versandhändler bestellt, also tatsächlich als Ware bezogen. Doch irgendwie ist im Eifer des Gefechts der Unterschied zwischen Ware (einem Gegenstand, der zum Verkauf steht) und Geschenk (einem Gegenstand, der ohne materielle Absichten den Besitzer wechselt) völlig verloren gegangen. Und natürlich gehen die Staatsanwaltschaften davon aus, dass jeder Bürger die völlig ungenießbaren Sanktionslisten gleich bei Erscheinen auswendig gelernt hat, um anschließend alle möglichen Freunde auf der anderen Seite des – woraus ist er eigentlich derzeit? Der eiserne ist ja passé. Aus Aluminium? – Vorhangs davon in Kenntnis zu setzen, dass sie ja nicht nie unter keinen Umständen je irgendetwas schicken dürfen.

Hätte er sich einen Beutel Hasch aus den Niederlanden schicken lassen, er hätte weniger Ärger bekommen. Oder gar keinen. Und irgendwann, eigenartigerweise in den Zeiten, in denen sonst die Regeln wirklich noch funktionierten, hätte irgendein Zollbeschäftigter so ein Paket begutachtet und gedacht: "Lass mal, das wäre nur Schikane." Aber die Zeiten sind vorbei; das Totalversagen in den eigentlich bedeutenden Bereichen wie Wohnungspolitik oder Diplomatie wird durch besonders eifriges Korinthenkacken kompensiert.

Oder schlimmer noch, der Zollbedienstete, der sich plötzlich im Angesicht einer Matrjoschka fand, erschrak sofort bis ins Mark und fürchtete, im Inneren der Holzpuppe fände sich irgendeine bösartige russische Hightech-Waffe, als handle es sich um eine niedliche, bunte, russische Ausgabe des trojanischen Pferdes, und wenn er nicht sofort eingreife, erginge es Deutschland so wie Troja, als die Trojaner das Holzpferd in die Stadt brachten, in dem sich die griechischen Krieger verbargen: Fürchte die Danaer, wenn sie Geschenke bringen!

Nein, doch eher nicht, das setzte ein gewisses Niveau klassischer Bildung voraus. Und wir sind hier in Mecklenburg-Vorpommern, und der Zoll von Mecklenburg-Vorpommern war es doch in Gestalt seiner Niederlassung in Stralsund, der Anfang 2024 ein aus Russland kommendes Schiff festsetzte, das wegen einer Havarie nach Rostock geschleppt worden war, die Atlantic Navigator II, mit der Begründung, mit den Waren an Bord werde gegen die EU-Sanktionsbestimmungen verstoßen. Das war Birkenholz, und es war russisches Uran, beides für die Vereinigten Staaten bestimmt, und selbst im Hafen von Rostock noch nicht auf dem Boden der EU, aber was soll's, wenn man schon mal dabei ist ... Und dann wurde ein Jahr später eine ähnliche Nummer mit dem Tanker Eventin abgezogen, der am Ende sogar komplett beschlagnahmt wurde, Tanker und Ladung (die Schiffstracker zeigen ihn jetzt als deutsches Schiff). Der Zoll in Meck-Pomm ist also so eine Sache, da muss einer an der Spitze sitzen, der sich für Höheres profilieren will.

Darum wird auch erbarmungslos durchgegriffen bei der Matrjoschka. Kann doch nicht sein, dass solche Russenpuppen einfach über die Grenze kommen. Wenn man das einreißen lässt, dann tanzen morgen alle Kasatschok und trinken Kosaken-Kaffee – ach nein, das ist schon ein halbes Jahrhundert her, dass so was im Westen der Republik Mode war. Nein, heute würden sich dann alle in finstere Putintrolle verwandeln, die sich hinter den Bäumen treffen, um für den FSB Geheimnisse auszutauschen und ihre neuesten Instruktionen abzuholen, wie man die Bundesregierung delegitimieren kann. Man kann schließlich nie wissen bei einer Matrjoschka. Und spätestens seit vergangenem Jahr sind Bauern ohnehin suspekt. Vielleicht isst der auch noch Fleisch.

Immerhin, die Staatsanwaltschaft Schwerin hat zu tun und mal ein wenig Abwechslung, mal was Handfestes und nicht immer nur Geschwätz in den sozialen Medien oder ähnliche Zensurfälle. Eine Matrjoschka, die könnte sich der Staatsanwalt dann nach ordnungsgemäßem Ende des Prozesses als Andenken auf den Schreibtisch stellen, als immerwährende Erinnerung daran, wie er ungeheure Gefahren vom deutschen Staatswesen abgewandt hat. In früheren Jahrzehnten hätte er sich dann Pomade in den Schnurbart gestrichen und ganz kurz die Hacken zusammengeschlagen.

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