Meinung

Elbit-Saboteure in U-Haft: War das "Terrorismus"?

Nach Sabotage beim Ulmer Ableger des israelischen Rüstungskonzerns Elbit sitzen die Täter in U-Haft, Staatsschutz und "Antiterrorzentrum" ermitteln, und die Presse bläst sie zu Terroristen auf. Statt sich mit den Medien zu empören, sollte man über etwas anderes nachdenken: die (profitablen) Kriegsverbrechen des Westens.
Elbit-Saboteure in U-Haft: War das "Terrorismus"?Quelle: Gettyimages.ru © Sean Gallup/Getty Images

Von Susan Bonath

Wenn eine Streitmacht von US-Gnaden Wohngebiete anderer Länder bombardiert, eine eigens abgeriegelte Enklave mit zwei Millionen zuvor ausgehungerten Menschen darin plättet und über 50.000 Kinder tötet oder verstümmelt, sieht der "Wertewesten" nicht einfach nur darüber hinweg. Er sorgt vielmehr für ungebremsten Waffenstrom an die Täter und schützt zuvorderst die Konzerne, die davon profitieren. Unter "Welpenschutz" steht auch die israelische Rüstungsschmiede Elbit Systems und ihr deutscher Ableger in Ulm.

In Deutschland dürfen Immobilienhaie Familien mit Wuchermieten in die Obdachlosigkeit treiben, missgünstige Jobcenterangestellte Erwerbslose ihres Existenzminimums berauben, Milliardäre zwölfstellige Steuerbeträge hinterziehen und riesige Vermögen in "Familienstiftungen" verstecken. Doch wer private Produktionsmittel sabotiert, deren Eigner sich mit Massenmordgerät die Taschen vollmachen, gilt als Staatsterrorist Nummer eins – so wie nun die "Ulmer Fünf". Für sie hat das Amtsgericht Ulm jetzt Untersuchungshaft angeordnet – und die Leitmedien überbieten sich beim verbalen Draufschlagen.

Sachbeschädigung gilt als Terror, Massenmord nicht

Als Friedensaktivist kann man darüber streiten, wie zielführend es sein kann, sich mit einer solchen Aktion selbst ins Gefängnis zu katapultieren. In der Nacht zum Montag waren drei Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 23 und 39 Jahren in den Ulmer Produktionsstandort des israelischen Rüstungskonzerns Elbit eingedrungen. Sie zerschlugen Scheiben, sprühten Parolen wie "Kindermörder" an die Wände, zerstörten einige Computer und Geräte, zündeten einen Rauchtopf und ließen sich letztendlich widerstandslos festnehmen.

Die Justiz wirft ihnen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vor. Überdies drohen ihnen zivilrechtliche Klagen des Konzerns. Anfangs berichteten Medien von einem geschätzten Sachschaden in Höhe einer niedrigen sechsstelligen Summe. Ermittler sprechen inzwischen von rund einer Million. Da ein politisches Motiv naheliegt, nämlich Widerstand gegen Bewaffnung mutmaßlicher Völkermörder, ermitteln laut SWR auch der Staatsschutz und das sogenannte "Antiterrorzentrum" Baden-Württemberg.

Die Saboteure erregten auch mit ihrem Bekenntnis zur britischen Gruppe "Palestine Action" Aufmerksamkeit. Die dortige Regierung hat diese wegen Beschädigung von Militärflugzeugen mit direktem Gaza-Bezug als "terroristische Vereinigung" eingestuft und verboten. Wer immer sich zu ihr bekennt, wird dort nun ähnlich hart bestraft wie beispielsweise Unterstützer des IS. Die UNO und Amnesty International kritisierten das. Nach internationalem Recht gehörten Verletzung, Tötung oder Geiselnahme von Zivilisten zwingend zur Einstufung als Terrororganisation dazu. Die Gruppe aber schädige ausschließlich Gegenstände im Eigentum von Großunternehmen, die von Krieg und Massenmord profitieren.

Profitabler Völkermord – von Deutschland unterstützt 

Das Völkerrecht besagt, dass Staaten alles unternehmen müssen, um das Verbrechen der Verbrechen, nämlich Völkermord, zu verhindern. Der Internationale Gerichtshof (IGH) ermittelt gegen Israel wegen solch eines ungeheuerlichen Verdachts – und gegen Deutschland wegen mutmaßlicher Beihilfe. Danach kann sich kein staatlicher Akteur darauf berufen, das Urteil sei noch nicht gefallen. Der Verdacht allein gebietet entsprechende Maßnahmen. Denn nach Vollendung gäbe es nichts mehr zu verhindern.

Das Problem liegt auf der Hand: Die führenden Westmächte USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich tun, abgesehen von Phrasen über "Besorgnis", nichts Relevantes, um die Barbarei zu stoppen – eine Barbarei an der palästinensischen Bevölkerung, die lange vor dem Überfall der Hamas am  7. Oktober 2023 begann und die vom Westen jahrzehntelang nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert wurde.

Die Motivation hinter solchen Aktionen dürfte vor allem sein, das an Kriegsverbrechen profitierende Kapital zu schädigen und dessen Standorte zu verunsichern. Elbit Systems profitiert gewaltig vom mutmaßlichen Völkermord im Gazastreifen, vom Besatzungsterror im Westjordanland und den zunehmenden Angriffen der israelischen Armee auf Drittstaaten wie den Libanon, Syrien, Iran und nun Katar. Bereits vergangenes Jahr steigerte der israelische Konzern offiziellen Daten zufolge seinen Umsatz um gut 14 Prozent auf knapp sieben Milliarden US-Dollar.

Und der Höhenflug bei den Profiten der Waffenschmiede mit Ablegern in den USA, Großbritannien, Deutschland, Schweden, Brasilien und der Schweiz geht ungebremst weiter. Elbit Systems produziert nicht nur Funkgeräte, wie vielfach berichtet wird. Laut einem Haaretz-Bericht vom Juli hat die Bundeswehr zum Beispiel dort DIRCM-Raketenabwehrsysteme für 260 Millionen US-Dollar bestellt. Klar ist überdies: Kriegsgerät dieses Konzerns kommt massenhaft im Gazastreifen und Westjordanland zum Einsatz.

"Werte"-westliche Propaganda

Maximalprofit für die Konzerngiganten, egal ob durch Massenmord, Aufrüstung oder Sozialkahlschlag (oder alles zusammen): Das ist, verkürzt gesagt, das wesentliche Ziel der "wertewestlich"-imperialistischen Politik. Wer davon profitiert, wird gut gepampert. Der Ruf nach mehr schallt schon durch den medialen Blätterwald.

So titelte das Handelsblatt vor Kurzem in einem Bericht über eine eigens initiierte Tagung unter dem Motto "Wirtschaftsfaktor Rüstung": "Warum die deutsche Rüstungsindustrie mehr als Geld braucht". Gemeint ist damit wohl vor allem Propaganda, um die Arbeiter ideologisch in die Spur zu bringen. Aufrüstung sei, behauptete das Blatt in diesem Sinne gar, "ein Gemeinschaftsprojekt".

Anders als manch Kriegsverbrecher, wie etwa ein beim Mord an Kindern aus dem Gazastreifen ertappter IDF-Soldat aus München, über den unter anderem das ZDF berichtete, wird so zum Staatsfeind, wer dagegen protestiert, und zum Oberterroristen, wer derlei Verbrechen gar durch Sachbeschädigung zu vereiteln versucht. So bläst das deutsche Volksverhetzungsorgan Nummer eins, die Bild, wie stets am lautesten in dieses Horn: "Israel-Hasser greifen Rüstungsfirma an", titelte es.

Westliche Völkermordversteher führen dort, beim Axel-Springer-Verlag, bekanntlich noch schärfer das Wort als anderswo. Das Blatt zitierte beispielsweise Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel, der befürchtet, dass "sich Teile der 'Free-Palestine-Bewegung' zunehmend radikalisieren". Und weiter wetterte der CDU-Politiker, dessen Partei massakrierte Palästinenser genauso egal sind wie verarmte Rentner oder im Winter erfrierende Obdachlose in Deutschland, wörtlich:

"Wer Hass predigt oder zu Gewalt greift, will keine Debatte, sondern gehört vor den Haftrichter."

Nachdenken über hemmungslosen Imperialismus

Diesen Tenor bedienen, etwas seichter zwar, die anderen deutschen Leitmedien fast durchweg ebenso. Das ist schließlich die staatskonforme Sicht. Man will damit vermeiden, über Verbrechen der eigenen Obrigkeit zu reden, gegen die die Tat sich richtete. Dabei wäre gerade diese Diskussion in der Normalbevölkerung vonnöten, statt auf Aktivisten zusammen mit Politik und Medien verbal einzuprügeln.

Man kann sich einmal diese Frage stellen: Warum wird die Beschädigung von Eigentum milliardenschwerer Kriegsverbrechensprofiteure eigentlich als Terror gewichtet, die Belieferung von Verbrechern mit Waffen aber nicht? Antwort: Weil Menschenrechte und Menschenwürde kein Bestandteil imperialistischer Ziele sind. All das Gerede darüber ist Fassade fürs Volk, und selbst dabei wird schon deutlich, dass bestimmte Menschen, darunter Palästinenser, den westlichen Politikern rein gar nichts wert sind. Dass viele deutsche Krankenhäuser ohne die vielen palästinensischen (und überhaupt arabischen) Ärzte schließen könnten: geschenkt.

Man könnte, bei aller medial vermarkteter Empörung über die Sabotageaktion, einmal über etwas Grundlegendes nachdenken: Sollten die seit fast zwei Jahren live gestreamten Massaker an der Bevölkerung des Gazastreifens – laut Washington Post sind 18.500 getötete Kinder bis Mitte Juli namentlich bekannt – nicht eher eine Warnung an die westliche Normalbevölkerung sein, dass die Herrschenden es mit ihnen genauso praktizieren könnten, wenn es ihnen eines Tages lukrativ erscheinen sollte? Die Mittel dazu hätten sie auf jeden Fall. Und ihre Hemmungen sind, wie man sieht, gering – wahrscheinlich viel geringer, als sie für Friedensaktivisten sind, Kriegsprofiteure zu sabotieren.

Mehr zum ThemaIllegale Hausdurchsuchung bei Juso-Mitglied: Gerichtsdirektorin ist Kanzler-Ehefrau

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.