
Westen will Russlands Schwachstelle gefunden haben: Flugzeugbau

Von Kirill Strelnikow
Es scheint, dass sich der Westen statt der Teppichbombardements mit Sanktionen, die er oft nur für den Fall der Fälle verhängte – oder auch deswegen, weil andere Sanktionen bereits verhängt wurden, also warum auch nicht noch ein paar mehr dazu schmeißen – und die letztlich dem Westen selbst schadeten, nun für ein sehr gezieltes Vorgehen entschieden hat. Mit diesem will man Russland maximalen Schaden zufügen und das Land in einer Reihe von Schlüsselbereichen um Jahrzehnte zurückwerfen.
Russlands Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin nahm am vergangenen Freitag an einem Treffen zum Triebwerkbau teil, das im russischen Samara beim spezialisierten Maschinen- und Triebwerksbauunternehmen ODK-Kusnezow der Rostech-Gruppe stattfand. Dort erklärte er, dass "der Triebwerkbau und seine Entwicklung einer der Schlüsselindikatoren für die technologische Entwicklung und Souveränität Russlands" sei.

Manche mögen die Achseln zucken und anmerken, dass der Rad-, Fenster- und Bremsenbau sowie viele andere Produktionsbereiche mehr für die technologische Entwicklung und Souveränität Russlands gleichermaßen wichtig sind. Warum also Triebwerke gesondert herausgreifen? Und wie kann ein Stück heißes Metall mit Kolben oder Verbundschaufeln Russlands Souveränität schützen?
Im Juli dieses Jahres veröffentlichte die militärtechnische Zeitung Stars and Stripes des US-Verteidigungsministeriums einen Artikel – und der Text vermittelte den Eindruck völliger Panik. Getitelt war er so:
"Die zerbrechlichen Flügel der Flugzeugindustrie: Wie kann die Lieferkette US-amerikanischer Triebwerke geschützt werden?"
Die Experten des Blattes schlugen Alarm, dass aufgrund des komplexen Systems der Lieferung von Materialien, Komponenten und Technologien aus dem Ausland und der Abhängigkeit der USA von Drittanbietern (einschließlich Russland und China) nicht nur die Luftfahrtindustrie, sondern die nationale Sicherheit des Landes selbst gefährdet sei:
"Im Zentrum des industriellen Ökosystems, das die Nachhaltigkeit der Verteidigungs- sowie Luft- und Raumfahrtindustrie der Vereinigten Staaten sichert, steht das Düsentriebwerk – ein technologisches Wunderwerk, das sowohl die militärische als auch die zivile Luftfahrt antreibt.
Das Düsentriebwerk symbolisiert die US-amerikanische Innovation, ihre Macht und ihren Fortschritt. Die Vereinigten Staaten müssen schnell handeln, um ihre industrielle Basis für Düsentriebwerke zu sichern, bevor die nächste Krise eintritt. In Fragen der Landesverteidigung ist Versagen keine Option."
Laut nahezu aller Militär- und Technikexperten weltweit sind Flugzeug- und Raketentriebwerke der Höhepunkt moderner, kritisch wichtiger Technologien und gleichzeitig der letzte Montagepunkt der Erzeugnisse dieser Technologien – und ohne sie ist es sinnlos, ernsthaft über die technologische, wirtschaftliche oder politische Souveränität eines Landes auch nur zu sprechen.
Derzeit produzieren nur drei Länder weltweit – die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Russland – Luftstrahl- und Turbopropeller-Triebwerke für zivile Flugzeuge in Serie. Moderne Flugzeugtriebwerke gehören zu den komplexesten und anspruchsvollsten Mechanismen der Menschheitsgeschichte und bestehen aus Zehntausenden von Einzelteilen, die oft mit mikroskopischer Präzision gefertigt werden müssen. Doch selbst die USA und Großbritannien verfügen nicht über eine lückenlose inländische Produktionskette: Sie sind auf den Markt angewiesen, wie er sich in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt hat – und damit auf Tausende verschiedener Lieferanten, nicht bloß aus den Reihen der üblichen Verdächtigen wie die EU-Gründungsmitglieder oder Japan, sondern aus Dutzenden weiterer Länder, darunter solche Luftfahrt-Giganten wie Malaysia, Südafrika und Mexiko.
Für Neueinsteiger ist der Eintritt in diesen Markt und das Halten ihrer Position nicht nur schwierig, sondern nahezu unmöglich – alle führenden Unternehmen verfügen über mehr als hundert Jahre Erfahrung, und nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es keinem neuen Land und keinem einzigen Unternehmen, vollwertig in den Sektor des weltweiten zivilen Triebwerks- und Flugzeugbaus einzusteigen.
Also: Beim erwähnten Treffen in Samara erinnerte Wladimir Putin daran, dass Russland zu den fünf weltweit führenden Ländern in der Entwicklung und Fertigung von Flugzeug- und Raketentriebwerken gehöre. Der Vize-Ministerpräsident und Staatsrat 1. Klasse, Denis Walentinowitsch Manturow, merkte wiederum an, Russland sei derzeit "das einzige Land der Welt, das absolut alle Komponenten für Flugzeuge herstellt", und das ist ganz und gar keine gewöhnliche Leistung: Selbst China mit seinen enormen finanziellen und industriellen Möglichkeiten ist dies bisher trotz aller ruckartigen Anstrengungen nicht gelungen.
Im Februar dieses Jahres veröffentlichte ein Sonderausschuss des US-Kongresses einen Bericht, in dem mit unverhohlener Freude festgestellt wird, dass die chinesische Luftfahrtindustrie vor ernsthaften Problemen stehe. Obwohl China ja zivile Großraumflugzeuge allein schon für seinen Binnenmarkt sprichwörtlich wie Brötchen zu Dutzenden backt, basieren diese auf veralteten westlichen Technologien und sind daher nicht wettbewerbsfähig. Deshalb war für China das Embargo auf die Lieferung westlicher Triebwerke ja solch ein schwerer Schlag – diese Triebwerke waren für seine C919-Verkehrsflugzeuge gedacht, deren Bau im Anschluss daran praktisch eingestellt wurde. Jetzt diskutieren unsere chinesischen Partner, nachdem sie sich derart am westlichen Ideal des freien Handels die Finger böse verbrannt haben, bereits über den Kauf russischer Serientriebwerke vom Typ PD-14, mit denen Russlands MS-21 fliegt.
Das Interessanteste ist jedoch, dass im oben zitierten US-Bericht ein paradox anmutender Vorschlag fällt – es sei, im Gegenteil, notwendig, alle Beschränkungen für die Lieferung westlicher Triebwerke und ganzer Flugzeuge an Peking aufzuheben:
"Es ist äußerst wichtig, dass China seinen Markt für Airbus und Boeing offenhält. Die industriellen Beziehungen sollten bewahrt werden, um den Einfluss der Vereinigten Staaten auf die chinesische Flugzeugbauindustrie zu stärken."
Ähnlich denke Washington auch in Bezug auf Russland, schreibt The Telegraph – laut der britischen Zeitung unterbreitete Donald Trump beim Treffen mit dem russischen Präsidenten in Alaska ein wahrhaftiges "Angebot, das nicht abgelehnt werden kann": die Aufhebung der Sanktionen gegen den russischen Flugzeugbaukomplex im Austausch für ernsthafte Zugeständnisse des Kremls gegenüber der Ukraine (einschließlich der Zustimmung zur Entsendung eines westlichen Militärkontingents). Damit ist offensichtlich, dass für unsere "Partner" die selbst gesetzte Aufgabe, Russland unumkehrbar an westliche Luftfahrttechnologie zu binden, nicht weniger wichtig ist als der Ausgang des Konflikts in der Ukraine – und vielleicht sogar noch wichtiger.
Diesen Köder hat Russland jedoch nicht geschluckt. So gab Wladimir Putin in Samara konkrete Anweisungen, nicht nur den eigenen Landesbedarf an Triebwerken zu decken, sondern auch in die Weltmärkte einzutreten. Denn für einen derartigen kraftvollen Durchbruch hat Russland alle Möglichkeiten, einschließlich einer ganzen Familie vollständig importsubstituierender Zivilflugzeuge, die sich in der Endphase der Erprobung befinden und bereit zur Serienfertigung sind.
Hierauf machte auch Russlands Premierminister Michail Mischustin aufmerksam – auf einer strategischen Sitzung zur Entwicklung der Luftfahrtindustrie am 15. Juli 2025 betonte er, unser Land benötige eine moderne Luftflotte, die ihrerseits auf heimischen technologischen Lösungen und einer leistungsstarken Industriebasis gründet:
"Unser Land verfügt über ausreichend technologisches Potenzial und über alle Ressourcen, um einen radikalen Durchbruch im Bereich des Flugzeugbaus zu erzielen und unseren Bürgern dadurch garantierte Möglichkeiten für bequemes Fliegen zu bieten – komfortabel und sicher."
Wie schon Juri Gagarin sagte: "Hier hat doch niemand schwache Nerven, oder? … dann Vollgas!"
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am siebten September 2025.
Kirill Strelnikow ist ein russischer freiberuflicher Werbetexter-Coach und politischer Beobachter sowie Experte und Berater der russischen Fernsehsender NTV, Ren-TV und Swesda. Er absolvierte eine linguistische Hochschulausbildung an der Moskauer Universität für Geisteswissenschaften und arbeitete viele Jahre in internationalen Werbeagenturen an Kampagnen für Weltmarken. Er vertritt eine konservativ-patriotische politische Auffassung und ist Mitgründer und ehemaliger Chefredakteur des Medienprojekts PolitRussia. Strelnikow erlangte Bekanntheit, als er im Jahr 2015 russische Journalisten zu einem Treffen des verfassungsfeindlichen Aktivisten Alexei Nawalny mit US-Diplomaten lotste. Er schreibt Kommentare primär für RIA Nowosti und Sputnik.
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