Meinung

Falsche integrationsbescheinigungen sind ein echtes Dokument über das heutige Deutschland

Das wird jetzt bestimmt zwei Tage lang hochgespielt, und dann wird es gründlich vergessen. Die Fälschungen von Sprachzertifikaten und "Leben in Deutschland"-Prüfungsergebnissen passen einfach zu gut in den Geschäftsplan der heutigen Republik.
Falsche integrationsbescheinigungen sind ein echtes Dokument über das heutige Deutschland

Von Dagmar Henn

Als heute die Geschichte über die gefälschten Sprachzertifikate durch die Presse ging, haben sich sicher viele an ganz andere Fälle erinnert. An all die Leute, denen vorgeworfen worden war, Impfausweise gefälscht zu haben, und die auf den leisesten Verdacht hin mit aller Macht strafverfolgt worden waren.

Wenn man sich daran noch erinnert, dann ist der Umgang mit diesen Zertifikaten wirklich komisch. Oder auch nicht – der Umgang mit anderen Straftätern ist ja ähnlich verschoben. Als wäre das alles nicht so schlimm, wenn man aus dem richtigen Land kommt (das in diesem Fall in der Regel nicht Deutschland heißt). Kann man ja mal machen, bei der Einbürgerung bescheißen oder sich damit zumindest einen Aufenthaltstitel sichern. Denn irgendwie scheint es die Behörden nicht so recht zu interessieren, ob da wirklich alles ordnungsgemäß läuft.

Was dieses Desinteresse wirklich interessant macht, ist, dass es in anderen Zusammenhängen immer noch geht, echte Prüfungen unter öffentlicher Kontrolle zu verlangen. Ausländische Studenten, die in Deutschland studieren wollen, haben bei Weitem nicht so viele Stellen zur Auswahl, um die entsprechenden Tests abzulegen, dabei geht es in diesem Fall nicht um läppische A2, sondern um C2 oder eine vergleichbare Stufe. Ja, da geben die Universitäten vor, was sie akzeptieren, und da wird nicht rumgeschludert und die Berechtigung, die Dokumente auszustellen, an Gott und die Welt verteilt wie Bonbons im Kölner Karneval.

Als wäre in einem verborgenen Winkel das originale Deutschland noch erhalten geblieben, während es einem im ganzen Umgang mit der Migration mittlerweile so vorkommt, als sei man in einem woken Wiedergänger der k.u.k.-Monarchie aufgewacht, in der eine Schnörkel ziehende Bürokratie so tut, als verwalte sie, während die Bevölkerung so tut, als werde sie regiert.

Irgendwie ist das unfassbar. Ja, selbst die Schilderung des Polizisten, der von n-tv interviewt wird, der erzählt, wie ihm solche Papiere immer wieder durch Leute in die Hand geraten, die überhaupt kein Deutsch sprechen – aber eben auch eigenartigerweise nicht erzählt, wie dann anschließend die Ermittlungsverfahren verliefen. Da fehlt auch irgendwas, oder? Urkundenfälschung, von der reden wir hier, ist schließlich ein Offizialdelikt. Das bedeutet, wenn ein Polizist Kenntnis von einer Urkundenfälschung erlangt, muss er Ermittlungen einleiten und die Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. In dem Interview ist aber gar nicht die Rede von Ermittlungen. Da wird erzählt, dass die Besitzer der falschen Zertifikate sich keine Sorgen machen, wenn er diese beschlagnahmt, weil sie am nächsten Tag wieder neue haben; aber sie machen sich auch offenkundig keine Sorgen, weil sie bei einer Urkundenfälschung ertappt wurden.

Wenn man zurückdenkt, dann war die Sache mit den Integrationskursen ja mal eine Errungenschaft. Zuvor war die Lage über Jahrzehnte hinweg ganz anders – erst waren Deutschkurse für Ausländer außerhalb der Goethe-Institute fast nicht existent. Irgendwann in den 1980ern kam man dann auf die glorreiche Idee, wenigstens für Arbeitsmigranten aus der EU vergünstigte Kurse anzubieten, als es mehr Schulen gab, die Deutsch unterrichteten.

Das Problem dabei war nur, dass die meisten Migranten, die kein Deutsch konnten, eben nicht aus der EU waren, wie die Türken, also gar nichts davon hatten. Irgendwann, weitere dreißig Jahre später, merkte man dann, dass andere Länder von ihren Einwanderern Sprachkenntnisse verlangen, ihnen aber auch die Möglichkeit geben, sie zu erwerben. Immerhin, es gab in Deutschland früher einmal auch Einrichtungen wie die Volkshochschulen, die für einen günstigen Preis Bildung boten, aber als öffentliche Institutionen dem Gemeinwohl verpflichtet waren.

Als dann Angela Merkel die Türen öffnete, war das Land schon so fest im Griff der neoliberalen Ideologie, dass sich eine Art Goldrausch ereignete, bei dem viele versuchten, ein paar Nuggets zu erhaschen von den plötzlich fließenden Steuergeldern – bei der Unterbringung, beim Catering, beim Wachdienst und eben beim Integrationskurs, auf den die Neuankömmlinge einen Anspruch hatten. Für deren Abhaltung dann die Sprachschulen aus dem Boden sprießten wie Pilze, denn da gab es ja zumindest eine Zeit lang keinerlei Risiko.

Worauf dann die Behörden, selbst in diesem neoliberalen Muster gefangen, so reagierten, dass sie die Qualität der Schulen an der Zahl der Schüler maßen, die die Kurse bestanden haben. Weshalb die Inhaber solcher Schulen ihre Mitarbeiter (die nicht so wirklich zu den Profiteuren dieses Goldrausches gehörten) anwiesen, nur ja keinen scheitern zu lassen. Oder womöglich wegen unmöglichen Verhaltens zu rügen, sodass er die Schule wechselt. Oder so. Das Endergebnis sind dann Hunderte kleiner Firmen, die alle ihr Geld vom Steuerzahler kassieren, aber gerade nicht das liefern, wofür sie eigentlich bezahlt werden.

Dass dann solche Abschlüsse auch noch gefälscht werden, ist im Grunde nur noch die logische Weiterentwicklung. Einige Fälle von Sozialbetrug in NRW haben jüngst zu erkennen gegeben, dass sich das System noch vervollkommnen ließe. Da wurden nämlich EU-Bürger, die normalerweise keinen Anspruch auf Bürgergeld hätten, von Scheinfirmen beschäftigt, die ihnen ein Scheingehalt zahlten und einen Scheinwohnsitz verschafften, dessen Miete an die Inhaber der Scheinfirmen ging, und wurden dann losgeschickt, um aufzahlendes Bürgergeld zu beantragen. Die Leute, die dabei herumgeschoben wurden, hatten in den der Regel wenig davon, aber die Inhaber der Scheinfirmen verdienten sich damit eine goldene Nase.

Nun, einer der wichtigsten Zwecke gefälschter Sprachzertifikate ist der Einbürgerungsantrag. Neben dem Sprachzertifikat gibt es allerdings noch eine weitere Voraussetzung: Der, der eingebürgert werden will, muss seinen Lebensunterhalt selbst sichern können. Das schafft die Option auf eine Art Rundumpaket – ein gefälschtes Zertifikat, eine gefälschte Arbeit, und schon klappt das mit der Einbürgerung ... Nein, das dauert bestimmt nicht mehr lange, dann haben die vermutlich syrischen Gangs, die daran verdienen, den Haken auch noch raus. Oder sie vereinbaren gleich eine Art Vollkaskopaket, von der libyschen Küste unter Einsatz von NGOs und deren Rechtsanwälten bis zur Einbürgerung ... gegen ein Jahrzehnt Sklavenarbeit, beispielsweise, im Drogenhandel.

Wenn man die Möglichkeit hat, ein paar Jahrzehnte zurückzudenken, kommt einem das vor, als liefe da gerade ein Programm zur maximalen Korrumpierung. Und es ist nicht klar, ob die Merkelmigration solch einen Sumpf erzeugt hat, weil sie anders nicht zu bewältigen war, oder ob der Sumpf nicht das Ziel der Merkelmigration war.

Warum? Da lieferte Hartz IV eine vorzügliche Erfahrung. Als dieses Gesetz eingeführt worden war, das damals vor allem die um ihre Arbeit Gebrachten im Osten hatte treffen sollen, hatten sich anfänglich, während der Debatte, die Wohlfahrtsverbände, die immer auch die Rolle hatten, das Soziale zu hüten, dagegen ausgesprochen. Als sie aber dann die Möglichkeit hatten, mit den Ein-Euro-Jobs Geld zu verdienen, wurde die Kritik schon deutlich leiser. Am Ende löste sich das Interesse an einer Bekämpfung der Armut in Luft auf – an der Betreuung der Armen lässt sich eben mehr verdienen als am Ende der Armut. Eine Sozialwohnung mit bezahlbarer Miete bringt keinen Gewinn. Eine Notunterkunft für Obdachlose hingegen schon.

Das war sozusagen das Anfixen, weshalb es nicht überraschen muss, dass die Merkelgäste geradezu einen Jieper hervorriefen: so viel frischer Stoff! Und von der feinsten Kategorie, wie unbegleitete Minderjährige, die die ganz fetten Tagessätze bringen.

Ich erinnere mich noch daran, wie in München die Wohlfahrtsverbände zusammen mit der Landtags-SPD die Begrenzungen für Ein-Euro-Jobs aufheben wollten. Man könne doch so viel tun. Beiden war egal, dass dieser Schritt, mit einer gewissen Verzögerung, versteht sich, den Ein-Euro-Job zum Normalarbeitsverhältnis gemacht hätte. Zum Glück fand das dann der DGB in München nicht ganz so lustig.

Das ist die Dynamik, die sich auch rund um die ganze Migration der letzten Jahre entfaltet hat. Es gibt einen Anreiz, damit einfach viel Geld zu verdienen, der auf Privatpersonen ebenso wirkt wie auf die schon erwähnten Wohlfahrtsverbände, ganz zu schweigen von der inzwischen völlig parasitären NGO-Szenerie, die auch davon lebt. Das führt dann dazu, dass ein größerer Teil der Gesellschaft gar nicht mehr wissen will, wie die Folgen tatsächlich aussehen, weil eben das Geschäft so gut ist. Und dieser Teil verwandelt sich dann in eine Lobby, die dafür sorgt, dass das Spiel immer weitergeht.

Diese Lobby hat kein Interesse daran, dass kriminelle Machenschaften wie jene um die gefälschten Zertifikate beendet werden. Das wäre geschäftsschädlich. Dafür müssen sie selbst noch nicht einmal unmittelbar etwas mit diesen Fälschungen zu tun haben. Die sind im Kern nur eine Art natürliche Weiterentwicklung einer parasitären Struktur, der das Gemeinwohl völlig fern liegt. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Die Restgesellschaft, die kein Teil dieses ökonomischen Gewebes ist, sondern ihren Lebensunterhalt mit gewöhnlichen produktiven Tätigkeiten verdienen muss, darf sich jedenfalls an den Folgen erfreuen. Und an eingebürgerten Mitbürgern, die als erste Lektion über die deutsche Gesellschaft gelernt haben, dass man sich an Gesetzen immer irgendwie vorbeischummeln kann.

Die verbliebenen Eingeborenen dürfen dafür ihre k.u.k.-Wiederholung von der kafkaesken Seite genießen, als Angeklagte in einem Prozess, in dem sie weder die Anklage noch die Richter kennen, und hoffen, es eines Tages selbst zur Gelassenheit des braven Soldaten Schwejk zu bringen, der über dem Abgrund aus bürokratischer Penetranz und chaotischer Brutalität mit List balanciert. Und auf dem Weg zu irgendeinem Abendbier darüber sinniert, dass ein gefälschtes Zertifikat über Grundkenntnisse über die deutsche Gesellschaft auf eine unangenehm tiefe Weise derzeit das echte ist.

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