Meinung

Skandal-Urteil gegen Bildkünstler Bauer: Wie die Justiz den Staat vor den Bürgern schützt

Der Politikwissenschaftler und Künstler Rudolph Bauer wurde jüngst vom Amtsgericht Bremen wegen der Veröffentlichung von satirischen Bildcollagen über Corona-Zwangsmaßnahmen und anti-russische Kriegstreiberei verurteilt.
Skandal-Urteil gegen Bildkünstler Bauer: Wie die Justiz den Staat vor den Bürgern schützt© Rudolph Bauer

Von Rainer Rupp

Der antifaschistische Künstler Rudolph Bauer wurde von der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Propagandamitteln bzw. Kennzeichen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen in seinen satirischen Collagen schuldig gesprochen. Die Strafe lautet auf Zahlung von 120 Tagessätzen à 100 Euro, also 12.000 Euro (plus Gerichts- und Anwaltskosten!). Laut Bericht der Neuen Rheinischen Zeitung rief der ganze Saal ein empörtes "Buuuuh!" Der betroffene Rudolph Bauer kommentierte das Urteil wie folgt:

"Demokratinnen, Demokraten, Kriegsgegnerinnen, Kriegsgegner, Freundinnen und Freunde, seit dem heutigen Tag wissen wir (einmal mehr), dass die politische Justiz auf der Ebene der Amtsgerichte – auch in der Freien Hansestadt – nicht den Bürger vor dem Staat schützt, sondern den Staat vor den Bürgern."

Auch die Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung (NRHZ), sowie der "Bundesverband Arbeiterfotografie" protestierten gegen das politisch motivierte Urteil. Die Arbeiterfotografie hat ihre Wurzeln in der Weimarer Zeit, zu der sie 1926 gegründet wurde. Sie war eng verbunden mit der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ), in der regelmäßig die tiefgründigen Fotomontagen von John Heartfield erschienen, häufig auf der Titelseite. Der hatte mit bissigem Humor den heraufziehenden Hitler-Faschismus aufs Korn genommen und in seinen Werken selbstverständlich auch Nazi-Symbole verwendet.

Wenn jetzt der verurteilte Bildkünstler Bauer dies wie Heartfield tut, um seiner Meinung nach vor der Entwicklung in Richtung Krieg und Faschismus zu warnen, dann müsste er – wenn es in Deutschland noch demokratisch zuginge – wegen seiner ehrenhaften Zielsetzung gewürdigt und nicht bestraft werden, urteilt die NRHZ und schreibt:

"Dass das Gegenteil der Fall ist, muss uns ein Alarmsignal und Ansporn sei, uns mit noch mehr Energie gegen die Entwicklung in Richtung Krieg und Demokratieabbau zur Wehr zu setzen."

Vor allen Dingen dürfe das Urteil des Bremer Amtsgerichts keinen Bestand haben. Das sehe auch Rudolph Bauer so. Er werde in Berufung gehen. Freunde und Beobachter bestärkten ihn darin mit dem Verweis:

"Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht."

Andere wünschten ihm viel Kraft und eine erfolgreiche Berufung, denn dieses Urteil könne nicht ernst genommen werden und werde keinen Bestand haben.

Nachfolgend einige Beschreibungen der erschröcklich bösen Collagen von Rudolf Bauer, die für die Herrschenden und "ihre Demokratie" anscheinend als echte Gefahr empfunden werden und daher unterdrückt werden müssen. Solange das Urteil des Bremer Amtsgerichts nicht aufgehoben ist, können die Bilder von den Collagen nicht gezeigt werden, wenn man nicht ebenfalls eine Anklage wegen Volksverhetzung riskieren will.

Militarimus-kritische Bildmontage Nr. 1: Von der Leyen, Selenskij und der Reichsadler

Bauer wird beschuldigt, eine Bildmontage veröffentlicht zu haben, "welche die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und den Präsidenten der Ukraine Volodymyr Selenskyj sowie einen schwarz-weißen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt." Der auf der Bildmontage erkennbare Adler ist die Fotografie einer Skulptur aus den Bombentrümmern des untergegangenen Dritten Reiches. Der das Hakenkreuz umgebende Eichenkranz ist ebenso wie Ersteres erkennbar beschädigt, trägt also deutliche Spuren des Niedergangs der NS-Herrschaft und der damit verbunden Befreiung vom Nationalsozialismus. Da braucht man schon viel zielgerichtete Fantasie, um in dieser Collage eine Verherrlichung des Faschismus zu erkennen.

Der in der Anklageschrift nicht zitierte Bildtitel lautet: #zubesuchbeifreunden und #gastgeschenk. Der Hashtag #zubesuchbeifreunden deutet auf das freundschaftliche Verhältnis der abgebildeten Politiker hin. #gastgeschenk persifliert auf ironisch-sarkastische Weise die Waffenlieferungen und Milliarden-Euro-Zahlungen an die Ukraine. Die Bildtitel, der in das Bild eingefügte Adler mit Hakenkreuz und der aus der Bildunterschrift ersichtliche Hinweis #politicalart zeichnen die Bildmontage aus als ein politisches Statement. Die Aussage übt Kritik: sowohl am untergegangenen Nationalsozialismus als auch an der Wiederkehr nationalistischer und faschistischer Tendenzen.

Hintergrund ist die Tatsache, dass aufseiten der von der EU finanziell und mit Waffen unterstützten Ukraine auch faschistische Bandera-Truppen kämpfen. Zu Bandera siehe . Zur aktuellen Bedeutung des ukrainischen Bandera-Kults siehe hier und hier. Die Kombination Adler + beschädigtes Hakenkreuz + Bildtitel lassen Zusammenhänge erkennen, die dem herrschenden Narrativ zur Ukraine widersprechen. Adler und Hakenkreuz werden in der Bildmontage aber nicht zu Propagandazwecken ("Volksverhetzung") verwendet, sondern ganz im Gegenteil als Warnung und Kritik sowohl an der Rolle faschistischer Kräfte in der Ukraine als auch an der politisch zweideutigen Haltung der Europäischen Kommission und ihrer Präsidentin.

Militarimus-kritische Bildmontage Nr. 2: Olaf Scholz und Hitler

Wegen einer weiteren Bildmontage wird der Künstler wie folgt angeklagt:

"Der Angeschuldigte veröffentlichte eine Bildmontage, die Adolf Hitler und den Bundeskanzler Olaf Scholz mit ähnlichen Handbewegungen zeigt und versah diese mit den Hashtags #seitenwende, #bildmontage und #politicalart."

Die Bild-Bild-Doppelung ist der pazifistischen Sichtweise des Wissenschaftlers und der Überzeugung des Künstlers geschuldet, dass die deutsche Regierung (verkörpert durch den Bundeskanzler) eine Politik verfolgt, welche dahin tendiert, den Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion unter neuen Vorzeichen fortzusetzen.

Die Bildmontage stellt eine Kriegswarnung dar. Sie signalisiert eine "rote Linie" und nimmt das Verfassungsgebot des Artikels 26 GG ernst, der besagt:

"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Und im 'Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland', dem sogenannten '2+4-Vertrag' vom 12. September 1990 hatte die deutsche Politik sich feierlich verpflichtet, "dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen" und "Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen."

Scholz hat mit der Ausrufung einer "Zeitenwende" – im Titel der Bildmontage als #seitenwende ironisiert – und mit der "Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, um die Bundeswehr besser auszurüsten", ein Kriegsprogramm verkündet. In der Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift Foreign Affairs vom 5. Dezember 2022 veröffentlichte der Bundeskanzler einen Beitrag, der den Politikwissenschaftler Bauer veranlasste, einen Kommentar über "Die schreckliche Kontinuität deutscher Außenpolitik" von 1914 über 1936/37 ff. bis in die Gegenwart zu verfassen.

Der in der Montage ins Auge fallende Bild-Bild-Bezug bedeutet keine Gleichsetzung von Scholz mit Hitler oder umgekehrt. Vielmehr sollte die außen- und militärpolitische Kontinuität deutscher Politik gegenüber Russland sichtbar werden. Im Zweiten Weltkrieg wurden russische Menschen auf brutalste Weise durch Zwangsarbeit erniedrigt, ausgebeutet sowie durch Hunger und die Kriegsmaschinerie vernichtet. Hitler und die NS-Ideologie rechtfertigten die Tötung von 27 Millionen Menschen. Wer angesichts dessen (und angesichts des unblutigen Rückzugs russischer Truppen aus der DDR) nichts aus der Geschichte gelernt hat, der stellt sich selbst auf eine Stufe mit Hitler.

Militarimus-kritische Bildmontage Nr. 3: Hofreiter, Strack-Zimmermann und Hakenkreuz

Die Argumentation, dass die "Tradition" rassistischer Unmenschlichkeit deutsche (!) Politiker veranlassen müsste, sich bedingungslos für diplomatische Verhandlungen und den Frieden einzusetzen, statt mit ihrer Hetze und mit unablässigen Forderungen für Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine weiter anzufeuern – dieselbe Argumentation ist auch gegen die Anklage ins Feld zu führen, welche besagt, der Beschuldigte habe eine Bildmontage veröffentlicht, "die die Bundestagsabgeordneten Anton Hofreiter und Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann und einen Reichsadler mit Hakenkreuz zeigt."

Die auf der Bildmontage erkennbaren Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind hinlänglich für ihre Forderungen bekannt, die Ukraine im US/NATO-Stellvertreterkrieg gegen die Russische Föderation mit Waffen und Kriegsgerät auszurüsten. Das Zeigen des in der Bildmontage erkennbaren Reichsadlers mit Hakenkreuz dient der Warnung. Diese ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden deutschen Abgeordneten durch ihre militaristische Einstellung in einer Tradition stehen, in welcher der Zweite Weltkrieg mit der Notwendigkeit des Sieges über die Sowjetunion propagandistisch begründet wurde.

Es gibt – in der Bildmontage nicht explizit visualisierbar – genügend kriegsaffine Aussagen der abgebildeten Politiker, die sich gegen Russland, die russische Regierung und das russische Volk richten. Die Kriegshetze dieser Politiker ist unverkennbar von der Rassenideologie des Nationalsozialismus geprägt, auch wenn dies den Akteuren nicht bewusst sein muss. Ihr militaristisches Palavern bezieht sich in erster Linie zwar "nur" auf Putin, erinnert in seiner Diktion aber an die NS-Propaganda gegen die "russischen Untermenschen".

Die Bildbeschreibungen von Rudolf Bauers satirischen Collagen zu den Corona-Maßnahmen, die ebenfalls Gegenstand der Anklage waren, würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Aber sie können auf der Webseite der NRHZ über diesen Link aufgerufen werden.

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