Meinung

Energiewende: Die Befreiung Russlands vom unzuverlässigen Westen durch die EU

Russland hat im Energiebereich mit Westeuropa kooperiert. Die Erschließung der Gasfelder auf der Jamal-Halbinsel ist dafür ein Beispiel. Dieses Gas soll künftig nach China fließen. Die EU sagt den Bezug ab, befreit Russland so von einem unzuverlässigen Partner und besiegelt ihren Niedergang.
Energiewende: Die Befreiung Russlands vom unzuverlässigen  Westen durch die EUQuelle: Sputnik © Alexey Vitvitsky

Von Gert Ewen Ungar

Die Jamal-Halbinsel liegt in Nordwest-Sibirien. Die indigene Bevölkerung lebt nomadisch und betreibt Rentierzucht. Ein recht verlassener Flecken. Allerdings liegen dort die weltweit größten Erdgasvorkommen – ein gigantischer Schatz an Energie. Das macht die Jamal-Halbinsel daher nicht nur für Anthropologen interessant. Jamal steht symbolisch einerseits für den wirtschaftlichen Erfolg einer Kooperation zwischen Russland und der EU und zudem inzwischen andererseits für den Zerfall der Wirtschaft Westeuropas.

Die Vorkommen wurden in den 90er Jahren erschlossen, um Europa per Pipeline mit Erdgas zu versorgen. Die Infrastrukturprojekte dazu waren ebenfalls gigantisch. Die über 4000 Kilometer lange Erdgasleitung Jamal-Europa verläuft über Weißrussland und Polen bis nach Deutschland. Auch durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream floss Gas von der Halbinsel Jamal. Für die Umsetzung der Projekte haben sich westeuropäische und russische Unternehmen zu Konsortien zusammengeschlossen. Allein in den Bau von Nord Stream 2 sind fast 10 Milliarden Euro geflossen. In Betrieb ging die Pipeline aber nie, denn man hatte es sich in Westeuropa und in Deutschland plötzlich anders überlegt.

Schon vor Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine sagte man dem Bezug von russischem Pipelinegas den Kampf an. Die Vorreiterrolle im Hinblick auf energiepolitische Unvernunft übernahmen dabei die Grünen. Diese Unvernunft wurde dann zur deutschen Staatsräson und auch von den Brüsseler Technokraten übernommen. Aus überwiegend moralischen Erwägungen und in der Absicht, Russland wirtschaftlich zu schaden, will man sich in der EU und in Deutschland vom Bezug russischer Energieträger lösen. 

Russland hat vermutlich in der Erwartung, dass in Berlin und Brüssel wieder wirtschaftspolitische Vernunft einkehrt, einige Zeit verstreichen lassen. Aber ein Umdenken fand nicht statt. Nun unterzeichnete der russische Energieriese Gazprom am Rande des SOZ-Gipfels in Peking ein Abkommen mit China und der Mongolei zum Bau einer Gaspipeline von der Halbinsel Jamal nach China, wobei die Mongolei ebenfalls von russischen Gaslieferungen profitieren soll.

Konkret heißt das: Die für Europa erschlossenen Gasvorräte werden jetzt umgeleitet. Da sich jedes Kohlenwasserstoffmolekül jeweils aber nur einmal verbrennen lässt, ist das Gas für Europa dauerhaft verloren. In recht einfältigen Kreisen in Deutschland jubelt man. Den Russen hat man es jetzt aber mal gezeigt. Deutschland habe sich aus der Abhängigkeit von Russland befreit, glaubt man an den Stammtischen – vor allem des grünen urbanen Bürgertums.

Daran wird das ganze Ausmaß der mangelnden Einsicht in ökonomische Zusammenhänge deutlich. Denn mit dem Ausstieg aus dem direkten Bezug von russischen Energieträgern wurde gleichzeitig der wirtschaftliche Abstieg Westeuropas beschlossen. 

Es gibt schlicht und einfach keine anderen Bezugsquellen von Gas in einem ähnlichen Volumen, zu einem ähnlich günstigen Preis bei ebenso hoher Zuverlässigkeit und Vertragstreue, wie es der Bezug aus Russland bot. 

Das eigentlich für Europa bestimmte Gas der Jamal-Halbinsel lässt sich auch nicht durch grünen Wasserstoff ersetzen, wie das der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck seinen Wählern vorgegaukelt und gegen jede Vernunft als nationales Wirtschaftsprojekt durchgedrückt hat. Diese Technik steht noch überhaupt nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Die Konzerne steigen aus Kostengründen daher reihenweise aus den entsprechenden Wasserstoffprojekten wieder aus. 

"Es war Selbstmord" wird daher auf dem Grabstein der EU einst stehen. Der Niedergang ist selbst verschuldet. Die Frage wird dann sein, wie es dazu kommen konnte. Offenbar herrscht in der EU und in den deutschen Ministerien fundamentale Unkenntnis darüber, wie die globalen Energiemärkte funktionieren. Unkenntnis herrscht auch darüber, was es bedarf, um Produktionswachstum zu erzielen, und was man benötigt, um zukunftsfähig zu werden.

Um die Produktion zu steigern, braucht es Energie. Das heißt konkret: Um wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen, muss in diesem Jahr mehr Energie eingesetzt werden als im vergangenen. Ein bisschen was lässt sich über Effizienzsteigerung erreichen, aber im Grundsatz ändert das an dem Zusammenhang nichts: Die Verfügbarkeit von Energie ist die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum.

Gerade Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel, denn der Rückgang des Energieverbrauchs in Deutschland geht einher mit sinkender Produktion und schrumpfender Wirtschaftsleistung. Der Höhepunkt des Energieverbrauchs lag im Jahr 2007, dann kam die Finanzkrise, die in die Griechenlandkrise überging. Die Wirtschaftsleistung brach ein, es wurde weniger Energie verbraucht.

Kaum war Deutschland halbwegs aus dem Tal, kamen die repressiven Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von Corona. Die Wirtschaftsleistung brach erneut ein, der Energieverbrauch ging zurück. Unmittelbar daran schlossen sich die Russlandsanktionen an. Seitdem ist Deutschland dauerhaft in der Rezession. Mit sinkendem Energieverbrauch sind Wohlstandsverluste verbunden. Dieser Zusammenhang ist ganz einfach zu verstehen und gesetzmäßig. 

Nun glaubt die EU über den Verzicht auf russische Energie der russischen Wirtschaft Schaden zufügen zu können. Man ist empört über Russlands Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 und möchte das Land bestrafen. Ein Energieboykott ist dazu aber das falsche Mittel, denn in einer Welt mit wachsendem Energiebedarf lässt sich ein Boykott eines wichtigen Energielieferanten nicht durchsetzen, weil man in allen Volkswirtschaften außerhalb der EU versteht, dass wirtschaftliches Wachstum den Einsatz von Energie fordert.

Will die EU andere Länder zu einem Boykott zwingen, führt das zur Isolation der EU und nicht zur Isolation Russlands. Die Bilder vom Gipfel in Peking haben dies aller Welt deutlich gezeigt. Wer über die Energie verfügt, hat die Solidarität auf seiner Seite. Das ist ebenfalls ganz einfach zu verstehen. 

Wirtschaftliches Wachstum zu generieren ist essenziell, denn es sichert den sozialen Frieden. Auch das versteht man überall, außer in der EU und den westeuropäischen Hauptstädten. Dass man diesen Zusammenhang aber ignoriert, lässt für die Zukunft der westeuropäischen Gesellschaften keine positiven Prognosen zu. Die EU wird zerfallen, ihre Gesellschaften werden instabil.

Keine Volkswirtschaft, die noch über einen Hauch Restverstand verfügt, wird daher Energielieferungen aus Russland eine Absage erteilen – und aus moralischen Gründen schon gleich zweimal nicht. Die EU opfert dagegen ihre eigene Zukunft auf dem Altar des Russenhasses und der moralischen Hybris.

Die Energie der Jamal-Halbinsel fließt künftig nach China. Entwicklung und Fortschritt finden aufgrund der Verfügbarkeit von Energie künftig verstärkt in Asien und nicht mehr in Westeuropa statt. Die Länder der EU werden dagegen den technologischen Anschluss verlieren. Auch dieser Zusammenhang ist zwingend.

Allein durch den zunehmenden Einsatz von KI steigt der Stromverbrauch der Rechenzentren exponentiell an. Schon jetzt ist klar, dass die Ausweitung des Einsatzes von KI die Stromnetze und Erzeuger vor erhebliche Herausforderungen stellen wird. In Brüssel, Berlin und Paris wird es absehbar aufgrund der hohen Energiepreis nicht nur an natürlicher, sondern auch noch an künstlicher Intelligenz mangeln. 

Der Schwenk geht nach Asien. Bereits heute kommen aus China die Innovationen, zu denen die Länder der EU längst nicht mehr fähig sind. Indien schließt auf. Russland liefert die für die Entwicklung notwendige Energie und befreit sich gleichzeitig von gänzlich unzuverlässigen Handelspartnern, die meinen, gemeinsam entwickelte Projekte als politisches Druckmittel benutzen zu können.

Allein 17 Milliarden Euro hat die Umsetzung von Nord Stream 1 und 2 gekostet. Das Geld kann Russland ebenso abschreiben wie die Energierechnung der EU in Höhe von rund 300 Milliarden Euro. Das Geld aus dem Energiegeschäft hat die EU eingefroren. Zugespitzt formuliert: Die EU hat schlicht ihre Stromrechnung nicht bezahlt. Brüssel ist ein betrügerischer Haufen. Eine Rückzahlung des eingefrorenen russischen Vermögens ist unwahrscheinlich.

Mit solchen Gaunern macht man keine Geschäfte. Die EU und Deutschland haben ihren Abtritt von der geopolitischen Bühne daher ganz allein verschuldet. Als kleiner Trost: Eventuell wird dadurch die Region Westeuropa für Anthropologen nach und nach wieder interessanter – so völlig ohne positiven Ausblick wollte ich die Leser nicht entlassen.

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