Meinung

Lanz in Panik: "Russland hat sich nach Westen ausgeweitet"

Werter Leser! Schnallen Sie sich am besten an, nehmen Sie zumindest eine stabile Haltung in ihrem Stuhl oder Sessel ein, stellen Sie Heißgetränke beiseite, und lesen oder hören Sie das Folgende auf keinen Fall am Steuer eines Fahrzeugs!
Lanz in Panik: "Russland hat sich nach Westen ausgeweitet"© Erstellt mit KI

Von Alexej Danckwardt

Wussten Sie, dass nicht die NATO sich nach 1991 um Hunderte Kilometer nach Osten ausgedehnt hat, sondern dass es Russland war, das nach Westen expandierte? Sie wussten es nicht? Dann lassen Sie sich von Markus Lanz, dem Meister des ZDF-Polittalks, aufklären!

Aber der Reihe nach. 

Es muss ein masochistischer Zug sein, warum ich mir den Podcast von Markus Lanz und Richard David Precht immer wieder antue. Eine Faszination für das Morbide möglicherweise, denn kaum etwas anderes dokumentiert den Tod und die inzwischen weit vorangeschrittene Verwesung alles Intellektuellen in Deutschland besser als der nekrophile Porno, den die beiden in jeder Folge inszenieren: Precht vermag Lanz regelmäßig weniger Gegenwehr entgegenzusetzen, als es eine Leiche tun würde.

In Folge 207 ging es Ende August erneut um die Ukraine. Sie startet schon mit einer Sensation, als Precht uns auf den neuesten Stand seiner geopolitischen Forschungen bringt: Wladimir Putin hat Donald Trump in Alaska Venezuela verkauft.

Lanz: "Die Venezuela-Theorie höre ich jetzt zum ersten Mal."

Wir auch, aber das ist nicht das Abstruseste im Podcast, weswegen es diesen Artikel gibt. Hören wir bei Minute 17:20 rein. Precht hatte gerade die Auflösung der NATO und die Einbeziehung "der Russen" in eine "neue europäische Sicherheitsarchitektur" als Lösung des ukrainischen und vor allem des russisch-europäischen Konflikts dargestellt.

Lanz: "Du sagst, die Europäer stehen in Wahrheit auf der Bremse, wir sind das Problem?"

Ja, Markus, ihr seid das Problem. Erst beschließen Europäer, in Gebiete, die nie zum politischen Westen gehörten, zu expandieren, und eine EU-Außengrenze dort zu ziehen, wo bis 1992 nie eine Grenze verlief. Sie machen ein Volk, das über Jahrhunderte mit dem russischen eins war, mit nationalistischer Propaganda irre, verführen es mit nicht einhaltbaren Versprechen schnellen und leichten Wohlstands und reißen dafür Millionen von Familien und Freundschaften auseinander. Und du findest das toll, weil es dem Ego schmeichelt, dass immer mehr Flächen auf der Landkarte sich ins Blau von EU und NATO färben.

Dann feuern sie einen Bürgerkrieg im Inneren der Ukraine an, zertreten dabei die eigenen "Werte" des Minderheitenschutzes, der Sprachenvielfalt, des Föderalismus und politischer Rechte; und rüsten ein nationalistisches Regime zum Krieg gegen den großen Nachbarn auf.

Und schließlich verweigern sie im Dezember 2021 und Januar 2022 jedes Gespräch über die besagte "neue europäische Sicherheitsarchitektur", die dein Gesprächspartner jetzt als eigene Lösung des Problems zu patentieren versucht. 

"Ich versuche gerade mal, den Gedanken nachzuvollziehen, und versuche auch, mal wieder Luft zu holen, weil das natürlich irgendwie atemberaubend ist, was du da sagst, und zwar deswegen, weil es so tut, als wäre die NATO sozusagen, das ist, das ist im Grunde das, was russische Propaganda seit Jahren erzählt."

An dieser Stelle springt der submissive Leichendarsteller Precht unerwartet aus seiner Rolle:

"Ja gut, dass die NATO-Osterweiterung einer der Gründe und vielleicht sogar einer der maßgeblichen Gründe dafür war, dass Putin …"

Mitten im Satz fallen ihm Szenario und Regieanweisung wieder ein:

"… völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hat, ich glaub, daran besteht kein Zweifel. Ob es das einzige Motiv war, darüber kann man streiten, und wie viel Nationalchauvinismus auf russischer Seite da noch …"

Das unerwartete Aufbäumen bringt Lanz nun richtig auf Trab und er versucht sich als Komiker:

"Ich find die Prämisse falsch … Das tut so, als wäre die NATO der Grund für diese Aggression. Du sagst, wir haben uns darum bemüht, die in die NATO aufzunehmen. Das war die souveräne Entscheidung dieser Staaten."

Selbst wenn es so wäre, ergibt sich daraus keine Verpflichtung des transatlantischen Bündnisses, alle "Willigen" aufzunehmen. Bei Russland hatte Brüssel bekanntlich den Mut zu einem Nein, warum dann nicht bei Polen, dem Baltikum, Rumänien und Bulgarien? Vielleicht, weil EU und NATO doch kein Wohltätigkeitsverband sind, kein Weihnachtsmann, der jedem seine Wünsche erfüllt? Weil bestimmte Kräfte mit der Osterweiterung durchaus eigene, weitergehende Ziele verfolgt haben?

Und: Wo gab es eigentlich eine Volksabstimmung über den NATO-Beitritt?

"Fahr nach Osteuropa, fahr nach Moldau beispielsweise … Jeder dort wäre heilfroh, wenn sie in der NATO wären."

Jeder? Hier ein Screenshot der amtlichen deutschen Statistik-Homepage statista.de mit einer Zusammenfassung von Meinungsumfragen in Moldau (Moldawien) zur Frage eines NATO-Beitritts von September 2014 bis Juni 2024. Bei der letzten Umfrage sagten nur 31 Prozent der Befragten, dass sie in einem Referendum über einen NATO-Beitritt ihres Landes für einen Beitritt stimmen würden. Und das ist auch schon der höchste Zustimmungswert zur NATO in allen Umfragen, die Statista erfasst hat.

51 Prozent – der Allzeit-Höchststand – gaben an, dass sie gegen den NATO-Beitritt ihres Landes stimmen würden.

Und jetzt kommt sie, die Erkenntnis, die Ihr Weltbild umstoßen wird: 

"Die Bewegung war nicht etwa West nach Ost, Richard, die Bewegung war Ost nach West. Das ist etwas fundamental anderes, und das ist etwas, was Putin die ganze Zeit auf den Kopf stellt."

Lanz stellt es wieder auf die Füße.

Das ist noch nicht der Höhepunkt. Nach dem Vorstehenden war das kaum zu glauben, doch in der Kunst propagandistischen Spießumdrehens ist tatsächlich noch eine Steigerung möglich. Werter Leser, bereiten Sie sich auf das Fantastischste vor, das Sie jemals gelesen, gehört oder gesehen haben. Ein echtes Meisterstück, eine Kunstfigur, die es nicht jeden Abend im Zirkus gibt!

Schnallen Sie sich am besten an, nehmen Sie zumindest eine stabile Haltung in ihrem Stuhl oder Sessel ein, stellen Sie Heißgetränke beiseite, und lesen oder hören Sie das Folgende auf keinen Fall am Steuer eines Fahrzeugs!

Bereit? Motor aus? Na dann:

"Wenn man sich das anschaut: Welches Militärbündnis hat sich denn seit dem Ende des Kalten Krieges wirklich ausgeweitet?"

Trommelwirbel … Das Publikum hält den Atem an. Maestro!

"Es ist das Bündnis, das Russland mit einigen seiner besten Buddies geschlossen hat: Der Vertrag über Kollektive Sicherheit zum Beispiel mit Belarus. Ich glaub, das war Anfang der 90er irgendwann. Und überhaupt hat sich Russland von Ost nach West ausgedehnt!"

Und, werter Leser, habe ich zu viel versprochen? Ist das etwa nicht der Goebbels Oscar des Jahres in Propaganda?

Faktencheck: Am 15. Mai 1992 unterschrieben sechs ehemalige Sowjetrepubliken – Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan – den Vertrag über die Kollektive Sicherheit (OVKS), dem sich ein Jahr später, 1993, Aserbaidschan, Georgien und Weißrussland anschlossen. Aserbaidschan, Georgien und Usbekistan sind inzwischen wieder ausgetreten. Erweitert wurde das "Bündnis" seitdem nie.

Mit anderen Worten: 1993 hat sich das "russische Militärbündnis" ausgeweitet … an die Westgrenze der Sowjetunion, in ein Gebiet, das spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts russisch und von wo die Sowjetarmee gar nicht weg war. So sind sie, "die Russen": ziehen sich aus Berlin und Prag zurück, nur um sich sofort aggressiv nach Brest-Litowsk auszudehnen, wo sie bereits sind! Was für ein perfides Täuschungsmanöver, sich so gemein an die friedliebende NATO heranzupirschen!

Und Precht? Etwa fünf Minuten später:

"Das habe ich alles verstanden."

Brav. Aufatmen in der Regie.

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