Meinung

Handelsdeal mit den USA: Wie TTIP – nur schlimmer

Die EU-Kommission hat mit den USA eine Rahmenvereinbarung für die künftigen Handelsbeziehungen abgeschlossen. Die USA konnten sich in allen Punkten durchsetzen. Die Verabredung ist folgenreicher, als es das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP war. Die EU wird zur US-Kolonie.
Handelsdeal mit den USA: Wie TTIP – nur schlimmerQuelle: www.globallookpress.com © Daniel Torok

Von Gert Ewen Ungar

Wer nach dem Treffen von Ursula von der Leyen mit US-Präsident Donald Trump in Schottland angesichts der von der EU-Kommissionspräsidentin gemachten Zugeständnisse dachte, so schlimm wird es schon nicht kommen, hat seit dem vergangenen Donnerstag die Gewissheit: Es kommt noch viel schlimmer. 

Die Rahmenvereinbarung zwischen der EU und den USA lässt keine andere Deutung zu als diejenige, dass die USA all ihre Forderungen und noch ein bisschen mehr durchsetzen konnten. Die Interessen der EU finden sich in keinem einzigen der insgesamt 19 Punkte wieder. Für die EU-Bürger hat dies verheerende Konsequenzen.

Viele werden sich sicherlich noch an das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP erinnern. Hunderttausende sind damals in Deutschland auf die Straße gegangen, um es zu verhindern. Gründe dafür gab es unzählige. Verhindert hat es schließlich Donald Trump. In seiner ersten Amtszeit legte er das Abkommen auf Eis.

Nun setzt er zentrale Inhalte des Abkommens um, allerdings zu anderen Bedingungen. Was die Demonstranten damals verhindern wollten, kommt nun doch auf die Deutschen und die EU-Bürger zu. Das fängt beim Chlorhühnchen an und hört bei der Absenkung der Umweltstandards auf.

Die Hygieneregeln für den Import von Fleischprodukten sollen laut Vereinbarung abgesenkt werden. Die EU stimmte zu, dass künftig keine Gesundheitszertifikate für den Import von Fleisch aus den USA mehr erforderlich sind. Der europäische Markt gewährt den Lebensmittelproduzenten der USA zudem exklusiven Zugang. Man kann sich demnächst über einen saftigen Bison-Braten am Sonntag freuen.

Was den aktuellen Handelsdeal vom damaligen Freihandelsabkommen TTIP allerdings fundamental unterscheidet, ist, dass die EU im Gegenzug für die vollständige Öffnung ihres Marktes gegenüber den USA schlicht und ergreifend nichts bekommt. Gar nichts! Im Gegenteil verpflichtet sich die EU dazu, sich in systemrelevanten Bereichen von den USA abhängig zu machen.

Bis 2028 wird die EU in den USA Energie im Wert von 750 Milliarden Euro einkaufen. Öl, Gas, Kernbrennstoff – nahezu alles, was in der EU verfeuert wird, kommt künftig aus den USA. Ob es dort auch seinen Ursprung hat, ist hingegen fraglich. Gerade bei Kernbrennstoff sind die USA auf Importe angewiesen. Sie beziehen das zur Herstellung notwendige Uran zum großen Teil aus Russland.

Zudem verspricht die EU, dafür zu sorgen, dass europäische Unternehmen in den USA ebenfalls bis 2028 600 Milliarden Dollar investieren werden. Da sich jeder Dollar nur einmal investieren lässt, werden diese 600 Milliarden Dollar in der EU dann eben nicht investiert.

Darüber hinaus wird die EU in den USA KI-Technologie für 40 Milliarden Dollar einkaufen. Irgendeine Form von Offenheit und technologischer Unabhängigkeit der EU ist damit wohl passé. Die Digitalsteuer für US-Konzerne ist auch vom Tisch. Obendrein verspricht die EU, ihre Aufrüstungspläne durch Waffenkäufe vor allem in den USA zu verwirklichen. 

Zudem zahlt die EU für die Einfuhr ihrer Waren in die USA einen Zoll von mindestens 15 Prozent. Das gilt auch für pharmazeutische Produkte und Flugzeugteile. Die EU hatte hier vergeblich auf Ausnahmen gehofft. Der allgemeine Einfuhrzoll für Waren aus den USA liegt dagegen bei satten null Prozent. 

Das, was die EU ausgehandelt hat, ist kein Deal, sondern Zeugnis der vollständigen Selbstaufgabe. Die EU hat sich selbst zur US-Kolonie gemacht, indem sie all ihre wirtschaftlichen Interessen denen der USA unterordnet. Wie zur Verhöhnung ihrer neuen europäischen Kolonie nennen die USA ihren Zoll auch noch "Most Favored Nation tariff rate".

Die Kolonialisierung der EU durch die USA ist für die EU-Bürger eine schlechte Nachricht, denn er bedeutet ein Absenken der Standards und einen weiteren Wohlstandsverlust. Für die Entscheidung der EU-Kommission, sich vollständig den USA unterzuordnen und in systemrelevanten Bereichen vollständig abhängig zu machen, gibt es eine ganze Reihe schlechte Gründe. Für all diese Gründe trägt die EU-Kommission die alleinige Verantwortung.

Bis zum Jahr 2022 war die EU in ihrem Bezug von Energie diversifiziert. Ein relevanter Teil, aber eben bei weitem nicht alles kam aus Russland. Dieser Anteil fällt weg und muss ersetzt werden. Das heißt, indem man die Abhängigkeit von Russland senkt, erhöht sich automatisch die Abhängigkeit von anderen Lieferanten. Die USA springen ein. 

Mit der Absicht, jährlich für 250 Milliarden Euro Energie in den USA kaufen zu wollen, begibt sich die EU in eine Abhängigkeit in einem Ausmaß, wie es gegenüber Russland nie bestand. Was Russland zudem von den USA unterscheidet, ist, dass die USA diese Abhängigkeit zweifellos politisch instrumentalisieren werden. Russland hat dies entgegen den Behauptungen von Politik und Medien nachweislich nie getan.  

Obwohl China mit Aufflammen des Zollstreits der EU Signale zur Kooperation gesendet hat, behielt die EU-Kommission gegenüber den Konfrontationskurs gegenüber China bei. Man fühlte sich in der Position, China Vorgaben machen zu können. Der EU-China-Gipfel im Juli wurde von der EU dazu genutzt, China zu maßregeln und Vorhaltungen zu machen.

Selbst mit Indien hat es sich die EU inzwischen verscherzt. Mit dem 18. Sanktionspaket hat die EU auch Sanktionen gegen den indischen Energiesektor verhängt. Indien bezieht weiterhin Öl aus Russland und kooperiert mit russischen Energie-Unternehmen. Dagegen geht die EU vor. Indien hat scharf protestiert. Die Beziehungen haben sich deutlich abgekühlt. 

Die Chance, sich handelspolitisch etwas breiter aufzustellen, wurde durch moralische Hybris und grandiose Selbstüberschätzung der EU-Kommission vertan. Die Brüsseler Kommissare machten auf dem Gipfel im Juli gegenüber China erneut keinen Hehl daraus, dass sie sich als die besseren Menschen verstehen. In China hält man die Westeuropäer nicht ohne Grund für Rassisten. Man macht auf höchster politischer Ebene entsprechende Erfahrungen.  

Generell ist durch den Aufstieg Chinas und der BRICS die EU aus genau diesem Grund ihres Moralisierens und ihrer neokolonialen Arroganz ins Hintertreffen geraten. Die EU bindet Handelspartnerschaften an die Möglichkeit, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen zu dürfen – im Namen der Menschenrechte, der Diversität und für die Umwelt, versteht sich. Sie nutzt es aber, um die Innenpolitik bei den Partnerländern zu steuern und im Zweifelsfall auch Regierungen zu stürzen. Das ist wenig attraktiv, zumal es eben inzwischen auch Alternativen zur EU und zum kollektiven Westen gibt. 

Mit dem Investitionsversprechen schadet die EU-Kommission dem eigenen Standort. Sie verspricht, dass europäische Unternehmen in den kommenden drei Jahren mindestens 600 Milliarden Dollar nicht in der EU, sondern in den USA investieren werden. Diese werden dort zum Aufbau von Produktionskapazitäten, zu Forschung und Entwicklung, zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen und in der EU eben nicht. Die EU beschleunigt damit ihren eigenen Niedergang.

Die Verabredung hat den Geschmack von Hochverrat. Die EU-Kommission führt ihren Wirtschaftsraum in die totale Abhängigkeit von den USA, weil sie sich aus moralischen – nicht aus wirtschaftlichen – Gründen weigert, mit Russland Geschäfte zu machen und Handelsbeziehungen mit China und anderen Ländern aufzubauen, die auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit der Partner basieren.

Weil man sich selbst aber weiterhin für Kolonialherren hält, wird man nun selbst zur Kolonie. Um die EU ist es nicht schade. Für die Bürger der EU tut es mir endlos leid.

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