Meinung

Mit Name, Adresse und rassistischen Lügen: Wie "Die Zeit" zur Jagd auf Völkermordgegner bläst

Unbelegte Gewaltvorwürfe, rassistische Verschwörungsmythen, viel Hasbara und eine Hetzjagd mit Namen und Adresse: Das liberale Kampfblatt "Die Zeit" kennt bei Propaganda gegen Palästina-Demonstranten keine presserechtlichen Standards mehr – und gefährdet Betroffene mit Absicht.
Mit Name, Adresse und rassistischen Lügen: Wie "Die Zeit" zur Jagd auf Völkermordgegner blästQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Von Susan Bonath

Die deutschen Liberalen und ihre Leitmedien geben sich gern als Frontkämpfer für "bürgerliche Moral". Ausgiebig trommelten sie für Demos "gegen rechts"; mal wettern sie gegen die AfD, mal gegen vermeintliche "Antisemiten" – ganz vorn mit dabei: Die Zeit. Weit oben auf der "Liste" ihrer politischen Feinde stehen derzeit Demonstranten gegen den israelischen Völkermord in Palästina. Wenn es zur Jagd auf diese bläst, pfeift das als "liberales Qualitätsmedium" geltende Blatt auf Presserecht und Anstand.

In einem neuen, sowohl online als auch im Print veröffentlichten Artikel (Bezahlschranke) unter dem Titel "Die hassen uns" liefert Die Zeit einen durchaus interessanten Einblick in die institutionell organisierte politische Verfolgung von Palästina-Demonstranten, verkörpert von einer Berliner Polizeigruppe. Das Blatt verbreitet auch rassistische Mythen und setzt einzelne Aktivisten durch namentliche Nennung und Hinweise auf ihren Aufenthaltsort gezielt Gefahren aus – ein journalistisches No-Go.

Entlarvte Polizei-Lüge aufgewärmt

Seine neuerliche Hetzattacke versteckt das Blatt in einer "Reportage". Der Autor Jörg Burger hat die nach dem 7. Oktober 2023 gegründete "Ermittlungsgruppe Nahost" der Berliner Polizei einige Zeit begleitet. In seinem Text suggeriert er beschreibende Objektivität. Dass die nur vorgetäuscht ist, wird schnell klar, zum Beispiel durch unkommentiert weitergereichte Polizei-Behauptungen wie: Die "Pro-Palästina-Demos" in der Hauptstadt bestünden größtenteils aus "gewaltbereiten Linken und radikalisierten Palästinensischstämmigen". Die Botschaft ist klar: Linke, Palästinenser und alle, die man dafür hält, seien gewalttätige Irre.

So versuche diese "EG Nahost" jetzt, "Gewalttäter in Schach zu halten". Um ihre angebliche "Gewalt" zu "belegen", klammert sich der Autor ausgerechnet an einen Vorfall im Mai, von welchem längst bekannt ist, dass die Polizei ihn nachweislich falsch dargestellt hatte. Es geht um eine Demonstration am sogenannten Nakba-Gedenktag, an dem sich Palästinenser an die massenhafte Vertreibung ihrer Eltern und Großeltern, verbunden mit grausamen Massakern, rund um die israelische Staatsgründung 1948 erinnern.

Angeblich hätten Demo-Teilnehmer einen Polizisten in die Menge gezogen, niedergetrampelt und schwer verletzt. Videoaufnahmen widerlegten aber die von vielen Medien unreflektiert übernommene Darstellung der Polizei. Sie zeigten vielmehr einen Exzess der Staatsgewalt, durch den sich der um sich schlagende Beamte wohl selbst verletzte. Sogar das öffentlich-rechtliche Meinungsschlachtschiff ARD-Tagesschau musste zurückrudern, doch der Zeit-Autor stellt klar, wem er trotzdem eisern glaubt: der Polizei. 

Völkermordgegner: Schlimmer als Nazis?

Der Beitrag strotzt nur so von unbelegten, diskreditierenden Behauptungen. Burger kolportiert sie teils geschickt mit einem Propaganda-Trick: Er verpackt sie in Zitate zweier Polizei-Funktionäre, ohne diese zu hinterfragen. Demnach habe es die Polizei auf den Palästina-Demos "mit Menschen zu tun, die in ihrer Welt gefangen" und schlimmer seien, als die Neonazis in den 1990er Jahren. Mit Letzteren habe man, so ein Beamter, immerhin "noch reden können" – kein Wort über Dutzende ermordete Linke, Punks und Migranten.

Für den Autor sind die Demonstranten ein "Pulk", ein Polizist schwafelt von "Serientätern" und "Clans", abwechselnd spinnen sie an der Propagandaerzählung von einer Verschwörung von "Linksextremisten und Islamisten". Burgers eigenem Weltbild zufolge ist die Parole "From the River to the Sea, Palestine will be free" (Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein) eine "klare Aufforderung, den Staat Israel auszulöschen und alle Juden zu töten" – obwohl das sogar viele deutsche Richter anders sehen.

Rassistische Klischees

Schließlich äußert sich ein Polizist ganz unverhohlen rassistisch. Wenn er "das Weltbild eines Palästinensers aus der Region Nahost sehe, der den Hass auf Israel mit der Muttermilch aufgesogen hat", könne er das "zumindest noch nachvollziehen". Er fügt an:

"Aber Leute, die in Deutschland geboren sind, dass die so antiisraelisch und antisemitisch drauf sind …"

Der Autor fragt nicht nach, warum der Polizist das glaubt.

Damit verbreitet das "liberale Kampfblatt" unverhohlen ein explizit rassistisches Klischee: Alle Palästinenser würden Israel hassen, und zwar nicht, weil der Militärstaat in Nahost gerade ihre Verwandten abschlachtet, aushungert und vertreibt, sondern einfach, weil sie Palästinenser sind, denen das Böse in den Genen liege ("mit der Muttermilch aufgesogen"). Eindeutiger kann man kaum gegen das im Pressekodex verankerte Verbot von Diskriminierung verstoßen und überdies die dort geregelte Unschuldsvermutung ignorieren.

Der Beamte gibt damit unfreiwillig auch ein Lehrbeispiel für echten Antisemitismus – nicht bei den Demos, sondern bei der Polizei: die Gleichsetzung des Staates Israel (und aller seiner Verbrechen) mit "den Juden". Das ist zwar ein interessanter Einblick in staatlich-institutionelle Sümpfe, aber dass Die Zeit derartigen Rassismus wie eine Tatsache stehen lässt, zeigt eine ähnliche Verfasstheit in ihrer bürgerlich-liberalen Redaktionsblase.

Namen und Adresse für den Mob

Auf Substanz wartet der Leser indes vergeblich. Auf all die Behauptungen, wie gewalttätig und antisemitisch die Demonstranten angeblich seien, folgt kein einziger Beleg für derlei Taten. Stattdessen kann der Autor seine Freude über Polizeischikanen kaum zurückhalten. Es geht um Hausdurchsuchungen, ausgerechnet wegen der per Video widerlegten "Gewalt"-Vorwürfe, deretwegen sich sogar die Medien korrigieren mussten.

Burger begleitete die Beamten zu einer der Durchsuchungen, und versteigt sich dazu in seinem Artikel in ein absolutes, journalistisches No-Go: Er nennt vollständige Klarnamen von lediglich Verdächtigen, in einem Fall sogar zusammen mit einem direkten Verweis auf die Wohnanschrift eines Betroffenen. Wer als Journalist so etwas tut, verstößt ganz offen gegen den gesetzlich gebotenen Schutz der Persönlichkeit. Man muss ihm unterstellen, dass er einen Mob auf die Aktivisten und ihre Familien hetzen will.

Werbekolumne fürs Töten von Arabern

Ein durchgerutschter Einzelfall war dieser eklatante Presserechtsverstoß bei weitem nicht. Immer wieder schlägt das selbst ernannte liberale Blatt hier über die Stränge. Ein besonders krasses Beispiel ist eine im Juni ebenfalls im Print veröffentlichte Kolumne des Autoren Maxim Biller unter dem Titel "Morbus Israel". Abgesehen von der Aneinanderreihung von Erzählungen aus der Mottenkiste israelischer Propaganda diskreditiert Biller darin nicht nur reihenweise namentlich genannte Publizisten, Forscher und andere als "pathologisch", also irgendwie geisteskrank. Er schreibt auch wörtlich: 

"Ja, wenn es um Israel geht, um Benjamin Netanjahu und die strategisch richtige, aber unmenschliche Hungerblockade von Gaza […], kennen die meisten Deutschen keinen Spaß."

Biller hält also das Ausrotten von über zwei Millionen Menschen, die Hälfte davon Kinder, durch eine Hungerblockade für "strategisch richtig". Und am Ende gibt er obendrauf noch einen mehr als geschmacklosen "Witz" über das Abschlachten von Arabern zum Besten, den man zitieren muss: 

"Kommt ein Israeli zum Arzt und sagt: 'Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?' 'Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollen', sagt der Arzt, 'aber raten würde ich es Ihnen nicht, auch nicht nach unserer Therapie.'"

Das Problem ist nicht, dass einzelne Leute so etwas denken, sondern dass Leitmedien das abdrucken, ohne sich vor juristischer Verfolgung zu fürchten. Ginge es hier nicht um Palästinenser und Araber, sondern Deutsche, Ukrainer oder Juden, säßen die Verantwortlichen wohl längst vor Gericht, wenn nicht im Knast.

Billers Kolumne hat das Blatt nur wenig später, offensichtlich wegen eines Shistorms, online depubliziert. Es schwafelte von einem "Versehen", das "Werk" habe seinen "Standards" nicht genügt. Über den Inhalt nachgedacht hat dort wohl aber niemand. Schon wenig später durfte der Autor Harald Martenstein an gleicher Stelle einen Lobgesang (Bezahlschranke) auf die Biller-Kolumne ablassen. 

Nun, der deutsche bürgerliche Schoß ist offensichtlich fruchtbar noch, aus dem dereinst das braune Übel kroch – dies längst nicht nur am rechten Rand und in der für rassistische Dauerhetze bekannten Axel-Springer-Presse, sondern ganz oben bei den Meinungsmachern des liberalen Mainstreams.

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