Meinung

Das Mysterium vom schottischen Golfplatz gelüftet: Hat Trump der EU russisches LNG verkauft?

Die ganze Welt rätselt, wie US-Präsident Trump der EU pro Jahr Flüssiggas im Wert von 250 Milliarden US-Dollar liefern will, dessen Abnahme EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Ende Juli zusagte. Unser Autor hat da so einen Verdacht ...
Das Mysterium vom schottischen Golfplatz gelüftet: Hat Trump der EU russisches LNG verkauft?Quelle: Gettyimages.ru © Andrew Harnik/Getty Images

Von Alexej Danckwardt

Warnung: Das alles hier ist pure Spekulation. Eine Verschwörungstheorie, wenn man so will. Es gab keinen Anruf aus dem Kreml, und auch das Weiße Haus schickte keine E-Mail.

Andererseits: Neigen in letzter Zeit nicht immer mehr "Verschwörungstheorien" dazu, sich als pure Wahrheit zu entpuppen? Und wenn man eins und eins zusammenzählt ... 

Hier kommt das erste "eins". Als Donald Trump am 27. Juli auf seinem schottischen Golfplatz den Inhalt seines "größten aller Deals" mit der EU verkündete und die dorthin (vor)geladene EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen zu jedem der Punkte verlegen nickte, rieb sich die Fachwelt vor allem bei diesem Punkt verwundert die Augen. Flüssiggas im Wert von 750 Milliarden US-Dollar werde die EU von den USA kaufen, sagte Trump, und von der Leyen nickte nicht nur, sondern stellte dies der Presse gegenüber gar als großen Erfolg dar:

"Wir haben immer noch zu viel russisches LNG, das über Hintertüren in unsere EU gelangt – das wollen wir aber nicht mehr. Wir wollen russische fossile Energieträger vollständig loswerden und begrüßen daher den Kauf des günstigeren und besseren LNG aus den Vereinigten Staaten ausdrücklich."

Die Verwunderung der Fachwelt stieg sogar weiter, als am nächsten Tag bekannt wurde, dass sich die verkündeten 750 Milliarden Handelsvolumen auf drei Jahre beziehen, die drei Jahre, die Donald Trump noch im Weißen Haus zu residieren beabsichtigt. Schnell wurde klar: So viel eigenes Flüssiggas haben die USA gar nicht frei zur Hand, um die Europäer damit zu beglücken. Zumal Trump das LNG auch noch munter an weitere "Profiteure" seiner "Jahrhundert-Handelsdeals" veräußerte. 

Werter Leser, hier ist das gar nicht geheime US-Staatsgeheimnis: Das Exportpotenzial, alle Kapazitäten aller LNG-Verladehäfen in den USA zusammengerechnet, beläuft sich bei den aktuellen Preisen auf rund 100 Milliarden US-Dollar. Bis 2026 könnte es im optimistischen Szenario auf 120 Milliarden US-Dollar steigen. Wer die Berechnung überprüfen will: 14,2 Milliarden Kubikfuß (cubic feet, cft) pro Tag sind es aktuell, 5,183 Billionen Kubikfuß (cft) oder 146,7 Milliarden Kubikmeter im Jahr. Der aktuelle Preis schwankt zwischen 650 und 680 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter oder zwischen 0,65 und 0,68 pro Kubikmeter. Multipliziert man die letztere Zahl mit 146,7 Milliarden Kubikmetern, zeigt der Taschenrechner 99,756 Milliarden US-Dollar an.

Eine Erinnerung, bevor mir jemand vorschnell Rechenfehler unterstellt: Das amerikanische "billion" ist die deutsche "Milliarde". Die deutsche "Billion" heißt in den USA "trillion". Kann gut sein, dass die EU-Kommissionschefin es bei ihren "Verhandlungen" in Schottland nicht wusste.

Selbst wenn die USA LNG nur in die EU liefern würden, wäre bei den aktuellen Preisen nicht einmal die Hälfte dessen lieferbar, was die studierte Gynäkologin Ursula auf dem schottischen Golfplatz "eingekauft" hat. 

Damit der Leser es besser einordnen kann: Im Jahr 2021, dem letzten Jahr halbwegs ungehinderten russisch-europäischen Handels, hatte Russland Erdgas im Wert von 43,3  Milliarden US-Dollar in die EU geliefert, auf dem Höhepunkt knapp 60 Milliarden. Gazprom deckte damit 45 Prozent des europäischen Bedarfs ab. Im Jahr 2021 lag der Preis für russisches Erdgas, das Deutschland bezog, bei etwa 305 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter, weit unter dem Weltmarktpreis übrigens. Heute sind es, wie gesagt, zwischen 650 und 680 US-Dollar. Klar, dass man in Europa nun tiefer in die Tasche greifen muss, um das russische Gas zu "ersetzen". Selbst unter Berücksichtigung dieser Preissteigerung kauft von der Leyen mit den ausgehandelten 250 Milliarden US-Dollar jährlich mehr Gas ein, als Russland lieferte.  

Nachdem wir nun wissen, dass die USA bei der größten Anstrengung technisch nicht in der Lage sind, eigenes LNG in der bestellten Menge zu liefern, kommen wir zu dem zweiten "eins", das wir zum ersten addieren wollen.

Seit seinem Amtsantritt Anfang des Jahres schwärmt Trump regelmäßig und öffentlich von "guten Geschäften", die Russland und die USA zusammen machen könnten. Am Mittwoch kommt die Nachricht, dass Moskau und Washington einem Deal nähergekommen seien. In der Zwischenzeit wurde in Russland offen davon gesprochen, dass US-Amerikaner Nord Stream und Nord Stream 2 übernehmen und die EU darüber beliefern würden. Am Donnerstag bestätigt der Kreml, dass für nächste Woche ein Gipfeltreffen von Putin und Trump angedacht ist, und ein Berater des russischen Präsidenten sagt, "die Amerikaner" hätten ein Angebot unterbreitet, das man in Moskau als "durchaus annehmbar" werte. Eine polnische Zeitung will Details des Angebots kennen. Teil des Deals sei demnach die "Rückkehr von russischem Gas und Öl in die EU". 

Wie? Sollen Brüssel und die europäischen Hauptstädte ihre Politik um 180 Grad (eine ehemalige deutsche Außenministerin würde "360 Grad" sagen) wenden, alle antirussischen Sanktionen aufheben? Das ist schwer vorstellbar. Vor allem aber: Wie verträgt sich das mit Ursulas in Schottland ausgehandelten Großeinkauf? 

Nun, sehr gut sogar, wenn man jetzt eins und eins zusammengezählt hat und es zwei ergab. Es geht alles auf, wenn man annimmt, dass die USA russisches LNG kaufen, sagen wir zu dem Preis, zu dem Deutschland vor Kurzem noch bei Gazprom einkaufte, vielleicht sogar zu einem höheren, und es den Europäern als amerikanisches zum aktuellen Weltmarktpreis verkaufen.

Für Moskau und Washington wäre es in der Tat ein gutes Geschäft, eine Win-win-Situation. Moskau bekommt die Einnahmen, mit denen es seinerzeit langfristig kalkuliert hatte, vielleicht sogar höhere bei gleichen Liefermengen, kann Liefermenge und Umsatz vielleicht sogar steigern. Die USA bekommen die Differenz zwischen dem von Moskau kalkulierten und dem Weltmarktpreis – Trump macht damit sprichwörtlich Geld aus der Luft für seine Sponsoren (eine New Yorker Bank hält übrigens Anteile am russischen Gasriesen Gazprom) und für sein Land. Zwischen einem Drittel und der Hälfte der mit der EU ausgehandelten 750 Milliarden US-Dollar reinen Profits ohne jede Kraftanstrengung!

Und was will die sprichwörtliche (und die buchstäbliche) europäische Ursula nun machen? Geschäft ist Geschäft, Vertrag ist Vertrag. Pacta sunt servanda. Was geschieht, wenn die Europäer die Vereinbarungen vom schottischen Golfplatz nicht erfüllen, hat Trump auch schon angekündigt: Dann steigen die Zölle auf EU-Exporte in die USA auf 35 Prozent. Will sie dann den "großen Bruder" in Übersee mit 18 Sanktionspaketen bewerfen? Viel Erfolg dabei! Die neu gebauten europäischen LNG-Terminals sanktionieren, wie sie soeben die Nord-Stream-Pipelines sanktioniert hat?

Es bleibt ihr eigentlich nur, sich an das Mantra zu hängen, dass es ja amerikanisches LNG werde, sobald es russische Häfen auf Schiffen unter US-Flagge verlässt. Die Moleküle der Diktatur verwandeln sich just in dem Augenblick magisch in Moleküle der Freiheit. Nicht wahr?

Ich unterstreiche nochmals: Ich weiß nicht, ob es so kommt, schon gar nicht kenne ich die Details. Nur auf diese Weise geht das alles jedoch auf, eine andere Erklärung sehe ich nicht. Es wäre, wenn es so käme, der größte Coup aller Zeiten. Die Zeche müssten die Europäer zahlen. Ich habe mich heute bei dem Gedanken erwischt, dass es mir um sie gar nicht leidtun würde. Überheblichkeit hat eben ihren Preis, und der Luxus, sich solche Eliten zu halten, wie es Europäer heute tun, kommt auch nicht zum Nulltarif. 

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