Meinung

Ein neuer "General Armageddon" – Russland hat den Westen wieder verängstigt

Alexander Dugin analysiert den bisherigen Gang der russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul und hebt die Rolle von Wladimir Medinski hervor. Im Hintergrund reift die Erkenntnis: Der Krieg wird noch lange dauern.
Ein neuer "General Armageddon" – Russland hat den Westen wieder verängstigtQuelle: Sputnik © Kirill Kallinikow

Von Alexander Dugin

Es ist bemerkenswert, wie über die dritte Verhandlungsrunde in Istanbul berichtet wurde. Ganz anders als bei der ersten und zweiten Runde.

Diesmal waren die Informationen spärlich und kühl, als handele es sich um eine Routineangelegenheit, die bekanntermaßen zu nichts führen kann. Inhaltlich waren die beiden ersten Runden genau gleich, lösten aber in der russischen Gesellschaft nervöse Unruhe aus: Patrioten befürchteten Verrat, während versteckte Liberale und Westler unter der (russischen) Elite diesen Verrat genüsslich herbeisehnten. Und diese Unruhe ließ sich nicht verbergen. Jetzt haben alle verstanden, dass es keinen Verrat geben wird, und der Rest interessiert niemanden mehr.

In den ersten Runden waren alle direkt oder indirekt auf Trumps Reaktion fixiert. Er werde selbst einfliegen, sich über Selenskij ärgern, über Putins Entschlossenheit in Rage geraten und so weiter. Er flog nirgendwohin, ärgerte sich über alle, schrie alle an, beleidigte alle und kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten – die Verschleierung der Epstein-Liste und den Versuch, Obama zu verhaften.

Das Verhalten der USA war bei aller Verrücktheit Trumps seltsamerweise ziemlich vorhersehbar und unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Bidens und der Neocons. Damit haben wir gelernt, umzugehen und zu leben. Nicht dass Trump sich selbst aus dem Geschäft gezogen hätte, aber er ist derzeit kaum bereit, etwas außergewöhnlich Schlechtes zu tun (ganz zu schweigen von etwas Gutem). Das bedeutet, dass es noch lange dauern wird, und die 50 Tage, auf die Trump bereits verzichtet hat, sind einfach bedeutungslos. Daher auch die Einstellung zur dritten Runde: Der Trump-Faktor hat an Bedeutung verloren, was bedeutet, dass die Verhandlungen keine Rolle mehr spielen. Es wird kein Wunder geschehen. Die ukrainischen Nazis sind noch nicht bereit aufzugeben, also gibt es nichts zu besprechen.

Besonders hervorzuheben ist der Faktor Wladimir Medinski. Viele glaubten fälschlicherweise und ohne Kenntnis der Details, dass er für das Scheitern der ersten Istanbuler Verhandlungen im Frühjahr 2022 verantwortlich sei, auf die für Russland Probleme an der Front folgten. Ihn trifft keine Schuld und er vertrat damals wie auch später eine streng patriotische Linie. Er ist ein intelligenter Mensch, für den das Vaterland nicht verhandelbar ist. Die erste Runde der neuen Verhandlungen hat dies deutlich gezeigt, weshalb er nun in den Augen seiner Freunde und Feinde als eine Art neuer "General Armageddon" wahrgenommen wird. Da er Historiker ist, wird alles nur noch härter: Wir schreiben gerade die Geschichte Russlands, und man muss sie kennen und verstehen, um etwas zu erreichen, um zu siegen. Medinski ist ein guter Historiker.

Dabei sollte man die Proteste in Kiew nicht überbewerten, um nicht wieder in Panik zu verfallen. Erstens sind es doch nicht so viele Menschen, und es handelt sich nicht um einen allgemeinen Trend. Viele sind dem Regime nach wie vor treu. Das ist schlecht, aber es ist so. Zweitens sind NABU und SAP reine Soros-Strukturen. Sie werden niemals etwas tun, was für uns nützlich und vorteilhaft ist. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Daher ist es verfrüht, die Lage von Selenskij als katastrophal oder sogar instabil zu bezeichnen. Das bedeutet, dass Kiew noch lange nicht bereit ist, mit uns über das Wesentliche zu sprechen.

Unterdessen bereitet sich Europa darauf vor, direkt und härter gegen uns zu kämpfen. Auch das sollte man nicht außer Acht lassen.

Kurz gesagt, wir müssen endlich begreifen, dass ein großer Krieg eine ernste, langwierige und totale Angelegenheit ist. Es ist an der Zeit, Russland in einen Kriegsstaat umzuwandeln. Wie lange kann man noch verzweifelt verkünden: "Wir sind für den Frieden"?

Selbst wenn wir für den Frieden sind (aber doch nicht unter allen Umständen!), sind unsere Gegner eindeutig für den Krieg und machen auch keinen Hehl daraus. Der Westen ist fest entschlossen: Wenn die Ukraine Russland nicht besiegen kann, wird es die Europäische Union versuchen – und dann wird man weitersehen. Auch eine nukleare Apokalypse ist möglich. Der Zustand der westlichen Gesellschaften ist so weit degeneriert, dass ein atomarer Selbstmord für ihre perversen Hirne gar keine so schlechte Lösung zu sein scheint. Wir laden unser Bewusstsein auf Cloud-Server und löschen uns selbst aus. Das klingt wild, ist aber längst nicht mehr so unwahrscheinlich wie noch vor ein paar Jahrzehnten.

In einer solchen Situation sind Verhandlungen mit Kiew einfach sinnlos. Vorerst sinnlos. Deshalb ist es egal, ob man sie fortsetzt oder aussetzt. Zur nächsten Runde kann man Medinskis Assistenten oder irgendwelche rein technischen Mitarbeiter schicken. Die neue Version von "General Armageddon" hat ihre Mission erfüllt. Glänzend. Der nächste Schritt ist die Annahme der bedingungslosen Kapitulation. Aber das kann auch der Präsident selbst im Rahmen seines Treffens mit Selenskij tun, der bereits beginnt, darauf hinzuarbeiten.

Damit all dies jedoch Realität werden kann, müssen wir das Land noch intensiver auf die Fortführung des Krieges einstellen. Früher hieß es: Niemand ist auf einen Krieg vorbereitet, bevor er nicht begonnen hat. Er dauert nun schon vier Jahre – und wird noch lange andauern, hart und schrecklich. Es ist an der Zeit, ihn in unsere Herzen und Seelen zu lassen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 24. Juli 2025 auf ria.ru erschienen.

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