
Zustell-Chaos für Maximalprofit: Beschwerden über die Deutsche Post auf neuem Höchststand

Von Susan Bonath
Der Markt wird es richten, tönt es unentwegt aus neoliberalen Kreisen. Von wegen: Die Zustände bei der zunehmend privatisierten und profitorientierten Daseinseinfürsorge in Deutschland werden immer chaotischer, ob in Kliniken und Pflegeheimen, bei der Bahn – und auch der Deutschen Post. Laut Bundesnetzagentur erreichten die Beschwerden über verloren gegangene, beschädigte oder nicht zugestellte Sendungen ein neues Rekordniveau. Trotzdem baut die Post immer mehr Arbeitsplätze ab.
Verschollen oder kaputt
So gingen allein im ersten Halbjahr 2025 fast 23.000 Beschwerden über die Brief- und Paketzustellung bei der Bundesnetzagentur ein, wie die Tagesschau berichtete. Das waren 13 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Die übergroße Mehrheit der Fälle, 89 Prozent, betraf die Post-Tochter DHL. Damit dürfte wohl am Ende dieses Jahres das bisherige Beschwerdehoch aus 2023 mit über 44.400 Fällen überboten werden. Das klingt zunächst nicht nach sehr viel, ist aber nur die Spitze des Eisbergs, da sich die meisten frustrierten Kunden schließlich nicht an die Agentur wenden.

Demzufolge geht es dabei vor allem um verspätet gelieferte, falsch abgegebene oder beschädigte Postsendungen. Auch ein weiteres "Phänomen" scheint sich auszubreiten, wie die Autorin von einer Mitarbeiterin einer Poststelle in Sachsen-Anhalt erfuhr: Demnach klingeln überlastete DHL-Zusteller oft nicht mehr bei den Empfängern und werfen Sendungen in DHL-Packstationen, die man mit einer speziellen App bedienen muss. Dafür braucht man wiederum ein modernes Smartphone. "Wer das nicht hat oder will, kommt nicht an sein Paket", so die Angestellte. Sie könne Betroffene dann nur an die Hotline verweisen.
Digitaler Wahnsinn
Ein Probeanruf der Autorin bei besagter DHL-Hotline offenbart den Wahnsinn: Nach minutenlanger Warteschleife meldete sich ein KI-Bot. Es dauerte acht Minuten, um diesen letztendlich zu "überzeugen", an einen "echten" Mitarbeiter zu vermitteln. Die nächste Warteschleife dauerte mehr als 20 Minuten. Leider verstand die dann zugeschaltete Kundenberaterin kaum Deutsch und gar kein Englisch. Dass etwa digital ungeschulte Senioren daran scheitern müssen, ist vorprogrammiert.
Mangelnde Sprachkenntnisse in deutschen Callcentern sind nicht so selten. Das liegt zunächst mal daran, dass Unternehmen ihre Angestellten nur ungenügend schulen. Überdies gehören diese Jobs wie auch die der Zusteller zu den schlechtbezahltesten in Deutschland. Sie werden daher oft von EU-Arbeitsmigranten erledigt. Diese sind wiederum existenziell gezwungen, den erstbesten Job zu nehmen, den sie kriegen können. Denn in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland haben sie keinerlei Anspruch auf soziale Leistungen, wozu nicht nur das Arbeitslosengeld, sondern auch Deutschkurse gehören.
Stellenabbau trotz Überlastung
Die Deutsche Post schiebt die Probleme unter anderem auf Chaos durch (von ihr allerdings freudig erwartete) Änderungen beim Postgesetz. Die Novelle ist zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten. Danach müssen Briefe nicht, wie früher, spätestens nach zwei, sondern erst nach drei Werktagen angekommen. Das Gesetz soll dem privatisierten Unternehmen und seinen Mitbewerbern "den Zeitdruck nehmen".
Der zunehmende Druck ist aber hausgemacht. Denn die Post spart massiv am Personal. Auch hat sie inzwischen weite Teile des Zustellservices an Drittfirmen ausgegliedert, die ihre Zusteller noch viel schlechter entlohnen. So will sie tun, was alle Konzerne tun: Lohnkosten sparen und Gewinne maximieren.
Erst im März dieses Jahres hatte die Post verkündet, 8.000 weitere Arbeitsplätze abzubauen. Kürzlich berichtete das Onlineportal paketda.de, dass die Post-Tochter DHL Group den Stellenabbau bereits im Eiltempo abgeschlossen habe. Angeblich sei dies "sozialverträglich" geschehen, beispielsweise durch Nichtverlängerung befristeter Verträge und fehlenden Ersatz von Mitarbeitern, die in Rente gingen.
Ausgebeutet und überlastet
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte das Personalmanagement. Die Post habe Stellen auch an Standorten mit bereits vorhandenem Personalmangel abgebaut. Dies führe zu weiterer Überlastung der Zusteller. "In der Folge wird häufig gegen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen verstoßen, weil die Sendungsmengen trotz Personalengpässen bewältigt werden sollen", zitiert das Portal die Gewerkschaft. Vor allem ältere Beschäftigte seien dem nicht mehr gewachsen.
Nun ist die übermäßige Ausbeutung von Paketzustellern nichts Neues in Deutschland. Seit Jahren sollen immer weniger Fahrer immer größere Paketmengen bewältigen. So kritisierte Verdi zum Beispiel im Jahr 2011, dass viele Boten täglich zehn bis 14 Stunden unterwegs seien, um ihr Arbeitspensum abzuarbeiten. "Paketfahrer schuften 14 Stunden täglich für 1.300 Euro brutto" (im Monat), titelte 2014 die WAZ. Geändert hat sich daran offensichtlich nichts.
Maximalprofit um jeden Preis
Verbessern wird die Post das Chaos so schnell auch nicht. Im Gegenteil: Der DHL-Konzern arbeitet ganz ersichtlich weiter strikt daran, das Zustellgewerbe an Dumpinglohn-Firmen auszugliedern. Investoren sollen nach dpa-Angaben sogar gefordert haben, die gesamte Sparte der Zustellung abzuspalten.
Offiziell erteilte DHL-Finanzchefin Melanie Kreis diesen Wünschen zwar eine Absage. Der Umbau des Unternehmens zum Nachteil der Kunden schreitet trotzdem Schritt für Schritt voran. Denn bekanntlich steht das Profitinteresse des Konzerns über allem. Oder um es mit den Worten der kleinen Berliner Tageszeitung junge Welt zu sagen: "Leere Kästen, volle Kassen". Maximalprofit um jeden Preis ist angesagt – da wird die öffentliche Daseinsfürsorge zur Nebensache, nicht nur bei der Post.
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