Meinung

Pistorius: Deutsche Soldaten wieder zum Töten von Russen bereit

Aufrüsten und Abschrecken statt Dialog und Kooperation. Mit dieser Rezeptur will Verteidigungsminister Boris Pistorius den Frieden mit Russland sichern. Denn das sei nur durch eigene Stärke zu erreichen. Bei näherer Betrachtung ist der Ansatz von Pistorius nicht nur verrückt, durch ihn wächst auch die Kriegsgefahr.
Pistorius: Deutsche Soldaten wieder zum Töten von Russen bereitQuelle: Gettyimages.ru © Michael Kappeler/picture alliance via Getty Images

Von Achim Detjen

Vor seiner Abreise in die USA hat Verteidigungsminister Boris Pistorius der Financial Times ein Interview gegeben, in dem er in der Frage der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew eine klare Absage erteilte. Zudem ging der laut Umfragen beliebteste deutsche Politiker mit der heimischen Rüstungsindustrie ins Gericht – und offenbarte dabei, dass er von seinem eigenen Handwerk kaum etwas versteht.

Wie die Financial Times anmerkt, gehört Pistorius innerhalb der SPD zu den Hardlinern, wenn es um die vermeintliche Bedrohung aus dem Osten geht. In der Gegenwart zeigt sich das etwa an seinem Eintreten für die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die er für unabdingbar hält, um Deutschland gegenüber Russland "kriegstüchtig" zu machen. In der Vergangenheit zeigte sich das beispielsweise an seiner Befürwortung der Stationierung der US-Pershing-II-Raketen in den 1980er Jahren auf deutschem Boden im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses, womit er damals in der SPD eine Minderheiten-Position einnahm. 

Der Verteidigungsminister gehört zu jenen, die Frieden nicht durch Dialog und Kooperation sichern wollen, sondern durch Aufrüstung und Abschreckung – also indem sie für andere eine Bedrohung darstellen.

Dass dies kein nachhaltiges Konzept für eine Friedenssicherung ist, kann jeder nachvollziehen, der sich im Leben schon einmal von anderen bedroht gefühlt hat. So wie die Russen von der NATO mit ihrer Osterweiterung, ihrer Stationierung von US-Raketen in Polen und Rumänien und ihrer Aufrüstung der Ukraine, nachdem man in Kiew ein nationalistisch-russophobes Regime nach einem erfolgreichen Staatsstreich installiert hatte.

Aufgrund dieser Bedrohungslage hat Russland im Februar 2022 seine "Spezialoperation" gegen Kiew begonnen. Jeder, der über Empathie verfügt, kann die russische Position und Handlungsweise verstehen (muss sie aber deswegen nicht zwangsläufig gutheißen). Aber wem Empathie nicht zu eigen ist, dem bleibt nichts anderes übrig, als von sich selbst auf andere zu schließen – und deshalb unterstellen Transatlantiker wie Pistorius den Russen imperiale Gelüste. 

Pistorius beruft sich mit seinem "Friedens"-Ansatz auf das von Donald Trump popularisierte Motto "Frieden durch Stärke", was er natürlich nicht als aggressives Vorgehen verstanden wissen will. 

"Ich war immer der Überzeugung, dass man nur aus einer Position der Stärke, nur auf Augenhöhe, über Frieden und Entspannung sprechen kann. Nicht um jemanden einzuschüchtern, sondern um klarzustellen, dass wir wissen, was wir können – wir wollen mit euch in Frieden leben, aber denkt nicht, dass wir schwach sind oder uns nicht verteidigen würden. Das ist auch heute noch so", sagte Pistorius gegenüber der Financial Times

Auf den ersten Blick mag das wie ein rationaler Ansatz erscheinen. Vergegenwärtigt man sich allerdings, wer hier mit wem unter welchen Umständen auf Augenhöhe reden will, so zeigt sich, wie verrückt dieser Ansatz ist. Selbst wenn Deutschland nach dem Willen von Kanzler Friedrich Merz bald über die größte konventionelle Armee Europas verfügt, kann es in Sachen Abschreckung mit einer Atommacht wie Russland niemals auf Augenhöhe reden. 

Abschreckung auf Augenhöhe kann Deutschland gegenüber Russland nur erreichen, wenn es einer anderen Atommacht Folge leistet – so wie es die Bundesrepublik seit ihrem Bestehen gegenüber den Amerikanern tut. Mit Stärke hat diese selbst erzwungene Unterwerfung allerdings nichts zu tun. 

Und wer da glaubt, man könne den Frieden mit Russland nicht durch Dialog und Kooperation sichern, der sei daran erinnert, dass es die Russen (bzw. Sowjets) waren, die den von ihnen besetzten Teil Deutschlands friedlich verlassen haben. Die amerikanischen "Partner" haben das nicht getan. Und sie haben es auch nicht vor.

Darüber können auch nicht die Nebelgranaten über eine Reduzierung der US-Truppen in Europa hinwegtäuschen, mit denen die Trump-Regierung um sich schmeißt, um die Europäer zu höheren Rüstungsausgaben zu bewegen, von denen ein Großteil auf den Konten der US-Rüstungsindustrie landen wird. 

Dem von Washington ausgegebenen Ziel, Russland einzudämmen, leistet der deutsche Verteidigungsminister artig Gefolgschaft. Eines seiner Vorzeigeprojekte ist daher die Einweihung einer ständigen Brigade der Bundeswehr in Litauen, unweit der Grenze zu Russland. Das sei ein starkes Symbol für das Engagement Deutschlands in der NATO fast vier Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, so Pistorius gegenüber der Financial Times

"Die Briten, die Amerikaner und die Franzosen waren in Deutschland, um unsere Ostflanke zu schützen. Und heute sind Litauen, die baltischen Staaten und Polen die östliche Flanke, und wir müssen dort einen Beitrag leisten", so der deutsche Minister.

Alleine mit dieser Aussage stellt sich Pistorius ein intellektuelles Armutszeugnis aus. Wenn nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland die Ostflanke der NATO bildete und nach dem Kalten Krieg es die baltischen Staaten und Polen sind, die diese Ostflanke bilden, dann bedeutet das ja, dass es nicht das "imperiale" Russland war, das seine Armee näher an die Grenzen des einstigen Gegners gerückt hat. 

Und es bedeutet eben, dass das Konzept "Frieden duch Stärke", so wie es von Pistorius oder auch Trump verstanden wird, nichts anderes als ein Euphemismus für das eigene Bestreben ist, für andere eine Gefahr darzustellen. 

Gegenüber der Financial Times betonte Pistorius, dass deutsche Soldaten, die jahrelang eine Kultur der militärischen Zurückhaltung als Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs gepflegt hätten, bereit wären, im Falle eines Angriffs Moskaus auf einen NATO-Mitgliedstaat russische Soldaten zu töten. "Wenn die Abschreckung nicht funktioniert und Russland angreift, wird es dann passieren? Ja", sagte er.

Dass Pistorius die von ihm begrüßte Bereitschaft deutscher Soldaten von fremden Boden aus Russen zu töten mit der Bedingung "im Falle eines Angriffs Moskaus" verknüpft, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland in der Rolle eines Aggressors agiert, wenn es seine Soldaten in anderen Ländern an der russischen Grenze in Stellung bringt. 

Wer mit Nazi-Vokabular wie "Kriegstüchtigkeit" die Köpfe der Deutschen in dem Bestreben vergiften will, Russland eine strategische Niederlage beizubringen, der dürfte auch kaum Skrupel haben, der Öffentlichkeit die eigene Aggression als "zurückschießen" zu verkaufen, wenn der Krieg beginnt. Irgendein Sender Gleiwitz wird sich dafür schon auftreiben lassen. Doch ein neuer Ostfeldzug dürfte wohl nur ein feuchter Traum ewiggestriger Kriegstreiber bleiben, da das Kräftemessen nicht auf Augenhöhe stattfände. Denn zum Glück ist Russland inzwischen eine Atommacht.  

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