Meinung

Wie Selenskij die Schweiz zum Narren hielt

Ein Lehrstück in Naivität, Manipulation und symbolträchtiger Pyrotechnik: Altbewährte Methoden aus dem Repertoire der Geheimdienste wirken nach wie vor – besonders bei leicht zu beeindruckenden, unerfahrenen Akteuren. Wie einst Nuland mit ihren Keksen auf dem Maidan, so nahm Selenskij die unerfahrene Amherd mühelos in den Griff – mit schwerwiegenden Folgen für die Schweizer Diplomatie.
Wie Selenskij die Schweiz zum Narren hieltQuelle: Gettyimages.ru © Sedat Suna

Von Hans-Ueli Läppli

Es war eine dieser Inszenierungen, bei denen man schon beim Betreten des Saals das Gefühl hatte, am falschen Filmset gelandet zu sein. Der sogenannte "Friedensgipfel" auf dem Bürgenstock – ein hochkarätig beworbenes Happening, das sich bei näherem Hinsehen als Mischung aus Waffenschau, PR-Stunt und psychologischer Kriegsführung entpuppte. Hauptdarsteller: Wladimir Selenskij, Ex-Komiker, nun Kriegsführer – und wie sich zeigte, ein begnadeter Souvenirhändler mit Hang zur postapokalyptischen Ästhetik.

Denn was da an "Geschenken" verteilt wurde, spottet jeder diplomatischen Konvention. Zerborstene Fenster, verkohlte Bücher, Brandspuren als Design – kurz: eine mit Pathos aufgeladene Wanderausstellung des Grauens. Und wie bei Victoria Nulands berüchtigten "Cookies" auf dem Maidan – Symbolpolitik mit Zuckerguss – wurde auch diesmal kräftig verteilt. Nur dass es keine Kekse waren, sondern Trümmerteile. Willkommen im musealisierten Schrecken.

Ein alter CIA-Trick, neu verpackt

Die Methode ist nicht neu. Die USA perfektionierten sie jahrzehntelang: emotionale Bilder, moralische Schwarz-Weiß-Zeichnung, Symbolik, die die Ratio ausknockt. Wer braucht schon Kontext, wenn ein verkohltes Buch den ganzen Krieg erklärt?

Selenskij spielte diese Klaviatur virtuos. Und die Schweiz – pardon, die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd – fiel darauf herein wie ein Neuling in der Geopolitik. Die "Geschenke", so das Wording aus Bern, sollten "aufrütteln". Tatsächlich rüttelten sie nur an einem: dem Urvertrauen, dass die Schweiz noch einen Rest an diplomatischer Distanz wahren könne.

Amherd bekam zwei zersplitterte Fenster aus Borodjanka, angeblich Überreste eines russischen Luftangriffs. Die Herkunft? Nicht verifiziert. Künstlerisch bearbeitet wurden sie von einem gewissen Juri Wakuljenko – offenbar Teil der neuen Kriegsästhetikindustrie. Der Mann verdient sein Geld mit Brandspuren, Selenskij verteilt sie wie Autogrammkarten. Nur dass es keine Teenager sind, die sich beeindrucken lassen, sondern Politikerinnen mit diplomatischer Immunität gegen gesunden Menschenverstand.

Währenddessen wurde die Schweiz auf dem Bürgenstock zur Kulisse einer PR-Operette. Im Halbschatten der Alpen wurde der Frieden verhandelt – aber bitte ohne Russland, ohne Plan, ohne Substanz, dafür mit Emotion, Tränen und Kunstinstallationen mit dramatischer Beleuchtung. Dass der tschechische Präsident ein verbranntes Buch erhielt – Titel: "Die Bücher, die nie gelesen werden" – könnte man als bitteren Kommentar auf die politische Analysefähigkeit der Anwesenden deuten.

Und so schmolzen sie dahin, die älteren Damen und Herren der Weltpolitik. Die Bilder stimmten, der Geruch verbrannten Papiers tat sein Übriges. Wer braucht Fakten, wenn der Bühnennebel dichter ist als jede UN-Resolution?

Apropos Verblendung: Nur Wochen später stellte sich heraus, dass die USA der Schweiz veraltete F-16-Jets zum Mondpreis angedreht hatten – ein armseliges Nachspiel in diesem geopolitischen Theater. Dieselbe Amherd, die zuvor die zerschlagenen Fenster entgegengenommen hatte wie eine heilige Reliquie, saß nun auch beim Jet-Deal am Tisch – und verlor erneut.

Immerhin: Amherd ist weg. Doch der Schaden bleibt – materiell, symbolisch und institutionell. Die Schweiz, traditionell neutral und auf Ausgleich bedacht, ließ sich von einem Mann in Tarnjacke zum Schauplatz einer moralischen Hochglanzshow machen. Und bezahlte – mit Milliarden und mit Glaubwürdigkeit.

Was bleibt? Ein Souvenirset des Schreckens, vermarktet von einem Kriegsführer, der einst die Satire beherrschte und heute die Moralin. Es ist eine bittere Ironie, dass gerade ein Schauspieler es schafft, die Diplomatie in ein Theaterstück zu verwandeln – und das Schweizer Publikum klatschte, als wären sie Statisten in einer Netflix-Serie.

Der Vorhang ist gefallen. Die Requisiten sind verteilt. Und die Schweiz steht da wie ein ahnungsloser Tourist, dem man auf dem Bürgenstock ein paar Kriegssplitter als Andenken verkauft hat – zum Preis der außenpolitischen Selbstachtung.

Applaus, Applaus.

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