
Diplomatie: Wie Chinas Außenminister Kaja Kallas die geopolitischen Verhältnisse erklärt

Von Gert Ewen Ungar
Im Schatten der Wetter-Berichterstattung in Deutschland fand der Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi in Brüssel und Berlin statt. Während der deutsche Mainstream seine Seiten mit Tipps für heiße Tage füllte, klärte Wang Yi Brüssel über die herrschenden geopolitischen Verhältnisse auf.
Nachdem Ursula von der Leyen bereits auf dem G7-Treffen gesagt hatte, China sei die Herausforderung, die "uns alle bedroht", legte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas gegenüber Wang Yi noch einmal nach. Sie beschuldigte China bereits im Vorfeld unter anderem, Cyberangriffe auf die EU durchzuführen. Das Land mische sich zudem in "unsere Demokratie" ein. Kallas warf China vor, einen Krieg in Europa zu ermöglichen. Gemeint war damit der Krieg in der Ukraine.
Chinas Außenminister reagierte darauf außergewöhnlich deutlich. Er sagte, China habe kein Interesse daran, dass Russland den Ukraine-Konflikt verliert. Eine Aussage, die nachhallt. Er tat damit etwas, das man in Deutschland tunlichst unterlässt. Er ordnete den Ukraine-Konflikt geopolitisch ein.

Russland und China sind die maßgeblichen Gestalter einer neuen geopolitischen Ordnung, die sich natürlich entwickelt und immer deutlicher Form annimmt. Das gegebene Versprechen ist groß: die Demokratisierung der internationalen Ordnung, in der gleichberechtigte, souveräne Staaten auf Augenhöhe ihre Angelegenheiten miteinander verhandeln.
Die multipolare Weltordnung löst die als neokolonial und imperialistisch verstandene regelbasierte Weltordnung ab, die von der Mehrheit der Länder der Welt als ungerecht empfunden wird. Für diese überkommene Weltordnung stehen neben Washington eben auch Brüssel, London, Paris und Berlin. Aus diesem Grund sammeln sich die Länder der Welt im Ukraine-Konflikt nicht hinter dem Westen. Russland kämpft in der Ukraine um seine Souveränität und gegen die Ausdehnung der NATO und damit gegen den westlichen Imperialismus. Mit dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine kämpft Russland zudem für das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und gegen Nationalismus und Faschismus.
Ich weiß, in Deutschland wird die Geschichte des Konflikts anders erzählt, aber das deutsche Narrativ hat außerhalb der deutschen Landesgrenzen keine Gültigkeit. Man wird sich auch in Deutschland an eine andere Lesart gewöhnen müssen.
Verliert Russland den Stellvertreterkrieg mit dem Westen, der in der Ukraine ausgetragen wird, dann ist die Vormachtstellung des Westens noch für lange Zeit zementiert. Daran hat außerhalb des kollektiven Westens niemand ein Interesse.
Wang-Yi hat nun das Offensichtliche ausgesprochen. In der Ukraine findet ein Kampf um die Weltordnung statt, den der Westen verlieren muss. Während der Westen dort schon mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kämpft und Waffen, Munition und finanzielle Unterstützung liefert, die Ukraine dabei langsam ausblutet, halten sich die Länder des Globalen Südens noch zurück.
Die Aussage des chinesischen Außenministers sollte nicht so verstanden werden, dass China Russland derzeit aktiv militärisch unterstützt. Aber das Signal ist klar. Für den Fall, dass der Westen wider Erwarten die Oberhand in der Ukraine gewinnen sollte, ist auf internationaler Ebene zugunsten Russlands noch ganz viel möglich. Zu Gunsten der EU dagegen nicht. Sie ist isoliert.
Durch die Äußerungen Kallas hat sich das Verhältnis zwischen der EU und China weiter abgekühlt. In einem für die EU äußerst nachteiligen Umfeld, sucht Brüssel zusätzlich noch die Konfrontation mit China. Die EU sorgt durch Überschätzung der eigenen Möglichkeiten aktiv dafür, dass sie weiter absteigt und sich ein neues geopolitisches Modell ein bisschen schneller etablieren kann. Möglicherweise wird man Kaja Kallas dafür in Zukunft sogar danken.
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