
Merz-Rede: Der (Alb-)Traum von Deutschland als Militärmacht ist zurück

Von Gert Ewen Ungar
Mit einem Video, das sich ästhetisch und inhaltlich in die Tradition des Nazi-Hetzblatts Der Stürmer stellt, macht das Auswärtige Amt unter Führung von Johann Wadephul die Welt mit dem außenpolitischen Teil der Regierungserklärung von Friedrich Merz vertraut. Die Übernahme von Ton und Ästhetik der nationalsozialistischen Propaganda ist kein Zufall. Die Rede von Merz verdeutlicht, was in Deutschland wieder möglich ist, wenn durch Zensur, Repression und Gleichschaltung der Narrative in den großen Medien mit Widerspruch kaum zu rechnen ist.
„Together, we must be so strong, that no one dares to attack us.“ - @bundeskanzlerpic.twitter.com/TfvK7RcxeW
— GermanForeignOffice (@GermanyDiplo) June 24, 2025
In einem Beitrag des Magazins Stern wird zwar die Erwartung formuliert, dass die Rede von Merz Kritik auf sich ziehen wird. Der Beitrag selbst ist dagegen voller Lob. Merz habe verständlich gesprochen. Das sei nach Scholz und Merkel ein Wert an sich. Der Stern gibt sich schon mit wenig zufrieden und zeigt gleichzeitig, wie kritischer Journalismus nicht geht. Auch sonst erfüllt sich die Hoffnung des Stern nicht. Kritik an Merz gibt es in Deutschland auch am Tag nach seiner Regierungserklärung kaum.
Das ist erstaunlich, denn das, was Merz im Deutschen Bundestag von sich gab, ist mehr als ein Skandal. Es ist die öffentliche Aufkündigung des Zwei-plus-vier-Vertrags, der die Grundlage für die deutsche Einheit bildet. Merz will Deutschland zur größten Militärmacht in Europa machen und erhält dafür Applaus über die Parteigrenzen hinweg.

Dabei ist das, was Merz hier ankündigt, Deutschland durch internationale Verträge schlicht verboten. Für dieses völkerrechtlich verankerte Verbot gibt es gleich zwei gute Gründe. Sie heißen Erster und Zweiter Weltkrieg. Europa hat mit Deutschland als Militärmacht verheerende Erfahrungen gemacht. Die Bedingung für die Wiedervereinigung war daher das unbedingte Bekenntnis zum Frieden und zum Völkerrecht. Von dem neuen Lieblingswort deutscher Politiker und der deutschen Medien, von "Kriegstauglichkeit", ist nicht die Rede.
Artikel 2 des Vertrags lautet:
"Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen."
Von diesem der Welt gegebenen Versprechen ließ Merz am Dienstag nichts übrig. Allerdings bleibt es dafür, dass sich ein deutscher Kanzler nur 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und etwas mehr als 100 Jahre nach Ende des Ersten ans Rednerpult im Bundestag stellt und verkündet, wir ziehen diese Nummer jetzt ein drittes Mal durch, in Deutschland erschreckend still. Das zeigt, wie wenig Resilienz es trotz aller Demos gegen Rechts in der deutschen Gesellschaft gegen die real existierenden Rechten in Deutschland gibt. Wer die AfD für das rechte Problem in Deutschland hält, hat die Rede von Merz nicht verstanden.
Merz verbreitet Desinformation und Propaganda. Das gilt beispielsweise für seine Behauptung, Deutschland sei ein verlässlicher Partner. Dass Deutschland kein verlässlicher Partner ist, haben die vergangenen Jahre deutlich gemacht. Man kann in Deutschland Milliarden investieren und das Investment durch politische Willkür komplett verlieren.
Trotz bestehender Verträge hat Deutschland Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen. Nach dem Terroranschlag im September 2022 auf die Pipeline ist das Interesse der Bundesregierung an der Aufklärung bestenfalls gering. Die Absicht, die Ermittlungen im Sande verlaufen zu lassen, ist klar erkennbar. Milliarden sind einfach futsch, weil es sich die deutsche Politik anders überlegt hat.
Beim Ausbau des 5G-Netzes müssen die Netzbetreiber verbaute Komponenten des chinesischen Techgiganten Huawei wegen angeblicher Sicherheitsbedenken wieder ausbauen. Das geht selbstverständlich zulasten der Verbraucher. Die Kosten für mobiles Internet sind in Deutschland im internationalen Vergleich exorbitant hoch.
Schon diese ganz kleine Auswahl an Beispielen zeigt, die Sicherheit von Investitionen in Deutschland hängt von der politischen Konjunktur ab. Damit ist Deutschland alles andere als ein verlässlicher Partner. Ausländischen Investoren ist zu größter Vorsicht bei Investitionen in Deutschland geraten. Dreht sich der politische Wind, sind die eingesetzten Mittel unter Umständen komplett abzuschreiben.
Russland sei nicht zu einem Waffenstillstand bereit, belügt der Kanzler das Parlament. Dass sich auch hier kein Widerspruch regt, beweist erneut die Gleichschaltung der deutschen Medien. Im Bundestag glaubt man die eigene Propaganda inzwischen. Russland hat seine Position immer deutlich gemacht. Ein Waffenstillstand, der vom Westen nur zur Aufrüstung der Ukraine genutzt wird und damit keinen dauerhaften Frieden, sondern die Verlängerung des Kriegs zum Ziel hat, wird Russland nicht zustimmen. Das ist aber genau der deutsche Plan. Deutschland will einen langen Krieg zulasten der Ukraine.
An Verhandlungen mit dem Ziel einer dauerhaften Lösung des Ukraine-Konflikts ist Russland sehr wohl interessiert und hat seine Forderungen transparent gemacht: Die Ukraine verzichtet auf eine NATO-Mitgliedschaft und erkennt die Situation auf dem Schlachtfeld an. Im Gegenzug erhält die Ukraine Sicherheitsgarantien von einer breiten Staatenallianz. Es ist der Westen, allen voran Deutschland, der sich nicht auf Verhandlungen einlässt.
Nachdem die deutsche Politik noch bis vor Kurzem immer wieder deutlich gemacht hat, dass für sie nur ein Sieg der Ukraine über Russland akzeptabel sei, will Merz nun, nachdem sich die prekäre Lage der Ukraine nicht mehr schönreden lässt, Russland die Bedingungen für einen Waffenstillstand diktieren. Das sind Vermessenheit und Zynismus in Reinform.
Mit seiner Unterstützung des Angriffs Israels und der USA auf Iran heißt der Kanzler am Pult im Plenarsaal des Deutschen Bundestages einen Angriffskrieg gut. Das Land, das zugesagt hatte, dass von ihm nur noch Frieden ausgeht, erlaubt dem eigenen Staatschef vor den Augen der Weltöffentlichkeit, gegen dieses Versprechen zu verstoßen. Aber in Deutschland ist man von seiner neuen deutschen Herrenmenschlichkeit so sehr überzeugt, dass die der Welt gegebenen Versprechen in Politik und Medien niemanden mehr interessieren. Deutschland ist auch hinsichtlich der Achtung des Völkerrechts und völkerrechtlich bindender Verträge eben kein verlässlicher Partner. Berlin legt internationales Recht nach Belieben aus.
Das gilt beispielsweise auch für die deutsche Militärbasis in Litauen sowie die dauerhafte Präsenz von NATO-Truppen in Rostock. Beides zu tun, ist Deutschland verboten. Eine Diskussion darüber findet aber gar nicht erst statt.
Deutschland hat sich wieder hermetisch abgeriegelt. Der Informationsraum ist geschlossen. Informationen und Meinungen, die mit dem offiziellen Narrativ nicht übereinstimmen, finden keine Verbreitung, sind nicht Teil des veröffentlichten Diskurses. Man muss in Deutschland inzwischen wieder vorsichtig sein, eine abweichende Meinung öffentlich zu äußern, denn das kann strafrechtliche Folgen nach sich ziehen und zur öffentlichen Ächtung führen.
Zunehmende Repressionen und die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit schaffen die Bedingungen, die eine Rede wie die von Merz wieder möglich gemacht haben. Eine Rede voller Lüge und Selbstbetrug, voller Großmachtphantasien und Wille zum Krieg.
Merz hat vor dem Deutschen Bundestag eine Rede gehalten, in der er deutlich gemacht hat, dass er die Gelegenheit gekommen sieht, dass Deutschland da weitermachen kann, wo es 1945 zum Aufhören gezwungen wurde. Es war eine in ihrem klar erkennbaren Größenwahn erschreckende Rede – es soll nachher keiner sagen, man habe es nicht gewusst.
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