
Pressefreiheit à la Zürich: Schweiz auf dem Weg zur Autokratie

Von Hans-Ueli Läppli
Die Hausdurchsuchung bei Inside Paradeplatz in Zürich wirft grundsätzliche Fragen zur Pressefreiheit in der Schweiz auf. Die Staatsanwaltschaft ließ die Redaktionsräume eines unabhängigen Finanzblogs durchsuchen und Daten beschlagnahmen – ein Schritt, der in dieser Form selten ist und rechtlich wie politisch umstritten bleibt. Kritiker sehen darin eine unverhältnismäßige Reaktion auf die Arbeit eines missliebigen Journalisten. Der Fall zeigt, wie schmal der Grat zwischen Rechtsdurchsetzung und Eingriff in redaktionelle Arbeit geworden ist.

Am 3. Juni 2025 durchsuchten ein Zürcher Staatsanwalt und mehrere Polizisten die Redaktionsräume von Inside Paradeplatz im Zürcher Schiffbau sowie die Privatwohnung des Journalisten Lukas Hässig. Grundlage für den Einsatz war der Verdacht auf Verletzung des Bankgeheimnisses. Mobiltelefone, Laptops und Unterlagen wurden sichergestellt, wobei die Redaktion umgehend die amtliche Versiegelung der betroffenen Gegenstände beantragte.
Der Vorfall erinnert an eine Episode aus den 1990er-Jahren: Damals ließ die damalige Bundesanwältin Carla Del Ponte die Redaktionsräume der SonntagsZeitung durchsuchen – ein Eingriff, der seither als Ausnahme galt. Die jüngste Aktion markiert damit einen seltenen, aber umso gravierenderen Eingriff in die redaktionelle Arbeit eines Mediums in der Schweiz.
Die jüngste Hausdurchsuchung bei Inside Paradeplatz ist das vorläufige Ergebnis eines länger andauernden juristischen Konflikts. Ausgelöst wurde das Verfahren durch eine Beschwerde von Beat Stocker, einem früheren Geschäftspartner des ehemaligen Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz. Beide waren 2022 wegen unrechtmäßiger Geschäftsgebaren rechtskräftig verurteilt worden. Stocker hatte mehrfach rechtliche Schritte gegen den Journalisten Lukas Hässig angestrengt und auf strafprozessuale Maßnahmen gedrängt.
Das Zürcher Obergericht wies die Staatsanwaltschaft in der Folge an, den Vorwürfen nachzugehen.
Rechtliche Grundlage für das gegen Inside Paradeplatz geführte Verfahren ist eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2015. Seither können auch Drittpersonen – darunter Medienschaffende – bei mutmaßlichen Verstößen gegen das Bankgeheimnis strafrechtlich verfolgt werden. In der parlamentarischen Debatte wurde seinerzeit jedoch betont, dass journalistische Recherchen nur dann Gegenstand einer Strafverfolgung sein sollten, wenn eine sorgfältige Interessenabwägung dies im Einzelfall rechtfertigt.
Im Fall von Lukas Hässig wird nun erstmals geprüft, ob diese Ausnahmeregelung greift. Der Journalist hatte in seinen Recherchen aufgezeigt, wie Pierin Vincenz und Beat Stocker während ihrer Amtszeit bei Raiffeisen respektive Aduno in Firmen investierten, die später von diesen Instituten übernommen wurden. Die Berichterstattung warf Fragen nach möglichen Interessenkonflikten und Verstößen gegen die Corporate Governance auf und führte zu einer breiten öffentlichen Diskussion über Verantwortlichkeit in der Führung von Großbanken.
Trotz der offensichtlichen Relevanz dieser Veröffentlichungen steht Hässig nun selbst im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen. Medienrechtlich ist der Fall heikel: Er berührt die Frage, inwieweit Recherchen von öffentlichem Interesse durch den Schutz des Bankgeheimnisses begrenzt werden dürfen – und ob dies zu einer faktischen Abschreckung investigativer Berichterstattung führen könnte.
Die Durchsuchung der Redaktionsräume von Inside Paradeplatz betrifft nicht nur ein einzelnes Medium, sondern wirft grundsätzliche Fragen zur Rolle unabhängiger journalistischer Plattformen in der Schweizer Medienlandschaft auf. Während große System-Medien wie SRF, Blick oder auch die NZZ in stabilen institutionellen und wirtschaftlichen Strukturen eingebunden sind, agieren kleinere, nicht institutionell abgesicherte Medien wie Inside Paradeplatz mit größerer Distanz zu politischen und wirtschaftlichen Akteuren. Diese strukturelle Unabhängigkeit ermöglicht eine andere Form der Berichterstattung – bringt jedoch auch größere Risiken mit sich.
Inside Paradeplatz hat sich in den vergangenen Jahren als kritisches Finanzmedium positioniert, das wiederholt Recherchen zu Governance-Problemen, Interessenkonflikten und Machtstrukturen in der Schweizer Wirtschaft veröffentlicht hat. Gerade diese Unabhängigkeit macht die Plattform für bestimmte Kreise angreifbar – zugleich erfährt sie von Teilen der Leserschaft erhebliche Unterstützung. Die zahlreichen Kommentare unter den Artikeln von Lukas Hässig zeugen von diesem Rückhalt: Leser äußern nicht nur Zustimmung, sondern auch Besorgnis über den staatlichen Umgang mit unbequemer Berichterstattung.
Der Fall legt damit eine tiefere Spannung offen: zwischen rechtlich legitimierter Strafverfolgung und dem Schutz investigativer Arbeit. Die Debatte darüber wird nicht nur juristisch, sondern zunehmend auch medienpolitisch geführt.
Die Razzia gegen Inside Paradeplatz steht exemplarisch für den wachsenden Druck auf den unabhängigen Journalismus in der Schweiz. Dass ein Journalist auf Basis einer Anzeige aus dem Umfeld eines rechtskräftig verurteilten Wirtschaftsfunktionärs ins Visier der Strafverfolgung gerät, wirft Fragen auf – nicht nur zur Rolle der Justiz, sondern auch zum Zustand des medienpolitischen Klimas.
Die Justiz, die sich in diesem Fall auf einen umstrittenen Paragrafen des Bankengesetzes beruft, riskiert ihren Anspruch auf politische und institutionelle Unabhängigkeit. Der Eindruck, dass mit juristischen Mitteln gezielt gegen unbequeme Berichterstattung vorgegangen wird, lässt sich nicht ohne Weiteres ausräumen. Die Reaktionen in der Leserschaft sprechen eine deutliche Sprache. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist erschüttert.
Die Schweiz steht vor einer Zäsur. Die Frage ist nicht, ob Kritik erlaubt ist – sondern ob sie auch dann Bestand haben darf, wenn sie etablierte Machtstrukturen infrage stellt. Die Arbeit von Lukas Hässig und Inside Paradeplatz hat offengelegt, was andernorts unbeachtet blieb. Wenn solche Stimmen unterdrückt werden, verliert nicht nur ein Medium seine Freiheit – sondern die Öffentlichkeit ihr Recht auf informierte Debatten.
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