
Der digitale "Eiserne Vorhang" fällt

Von Alexander Jakowenko
Der Ausdruck "Eiserner Vorhang" stammt von Wassili Rosanow, der ihn in seinem letzten Werk "Apokalypse unserer Zeit" (1918) verwendete. Später griff Winston Churchill diesen Ausdruck in seiner auf Initiative der amerikanischen Seite gehaltenen Fulton-Rede (1946) auf, mit der die politische und psychologische Atmosphäre für den Übergang von den Alliiertenbeziehungen mit der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs zum Kalten Krieg vorbereitet werden sollte. Heutzutage scheinen die Imperative der westlichen Geopolitik eine Spaltung der Welt einzuleiten, deren Gefahr nicht weniger gravierend ist, die sich jedoch auf der Ebene moderner Spitzentechnologien abzeichnet: Man könnte sie als einen digitalen "Eisernen Vorhang" bezeichnen.

Im Wesentlichen geht es bei dieser Herausforderung darum, dass der Westen im Laufe von 40 Jahren Globalisierung seine Monopolstellung im Bereich der Spitzentechnologien verlor. Die Befürworter der Globalisierung gingen einfach davon aus, dass die Ausdehnung der westlichen Dominanz über den Rest der Welt nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der UdSSR aufgrund der fehlenden Konkurrenz – auch auf der Ebene der Ideen, Werte und Entwicklungsmodelle – automatisch erfolgen würde. Nicht berücksichtigt wurde dabei der zivilisatorische Faktor, der weitaus umfassender und tiefgreifender war als die vereinfachte Herausbildung der Dichotomie – "Kapitalismus gegen Kommunismus" des europäischen politischen Denkens.
Dies wurde vor etwa zehn Jahren während der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump deutlich, als die Globalisierung als Fehlstrategie erkannt wurde und man versuchte, sie unter dem primitiven Vorwand der Covid-Pandemie durch eine Isolierung Chinas rückgängig zu machen. Als Warnsignal für die globale Hegemonie des Westens galt Chinas Aufstieg an die Spitze der weltweit größten Volkswirtschaften in Bezug auf das BIP (in Kaufkraftparität (KKP)), ohne dass die Kommunistische Partei Chinas dabei ihre Führungsrolle in der Gesellschaft aufzugeben schien. Außerdem begann Peking, eine (nach westlicher Einschätzung) aggressivere Außenpolitik zu betreiben.
Und so begann der Sanktionsdruck Washingtons auf China. Als Erstes wurde das erfolgreiche globale Unternehmen Huawei ins Visier genommen, das westlichen Ländern die neue Mobilfunktechnologie 5G angeboten hatte. Die Finanzchefin des Unternehmens wurde in Kanada unter Hausarrest gestellt – mit der Gefahr, an die USA ausgeliefert zu werden. Die Verbündeten Amerikas, beispielsweise Großbritannien, fühlten sich angesichts dieser Entwicklung äußerst unwohl. Der damalige britische Premierminister David Cameron hatte kurz zuvor eine "goldene Ära" in den Beziehungen zu China proklamiert und setzte bei der wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes auf chinesische Investitionen und Technologien.
Die US-Demokratische Partei räumte ein, dass eine derart abrupte Kehrtwende in den Beziehungen des Westens zu China mit Schwierigkeiten verbunden sei (ein Beweis dafür sind die jüngsten Zollinitiativen von Trump selbst): Immerhin macht der Export 13 Prozent der chinesischen Wirtschaft aus, und Chinas Handel mit allen westlichen Ländern beläuft sich derzeit auf rund zwei Billionen US-Dollar. Deshalb wurde beschlossen, mit ideologischen Maßnahmen zu beginnen und eine neue Dichotomie zu erfinden – "liberale Demokratien gegen Autokratien". Offensichtlich waren damit alle Autokratien gemeint, außer den befreundeten, was sich auch in den einberufenen "Demokratiegipfeln" manifestierte – dem Vorläufer einer Art Demokratischer Internationale (Demintern), vermutlich in Anlehnung an die untergegangene Kommunistische Internationale (Komintern).
Offensichtlich steht in der westlichen Politik keineswegs die Entwicklung des Humankapitals im Vordergrund (dessen Zustand offenbar alles andere als gut ist), sondern die reine Wiederherstellung der technologischen Vorrangstellung, primär der Vorrangstellung Amerikas, was auch immer es kosten mag. Und dahinter verbirgt sich alles – künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und das gesamte "Digitale" (Big Data, Cloud-Technologien usw.).
Die Ereignisentwicklung der letzten Jahre lässt erkennen, dass die Welt auf die Schaffung separater und möglicherweise voneinander isolierter Technologiezonen, Konturen und Plattformen mit einer geringeren Anzahl führender Akteure abzielt – im Vergleich zu früheren industriellen/technologischen Revolutionen. Technologische Souveränität wird nicht nur zu einem Instrument der Macht und des Einflusses, sondern auch zu einem Mittel zur Verwirklichung kultureller und zivilisatorischer Identität.
Es ist klar, dass die neue ideologische Aufteilung der Welt, die der Westen betreibt, per definitionem alles, was geschieht, in die Kategorie des Existenziellen erhebt – sowohl für die westlichen Eliten als auch für diejenigen, die von den neuen westlichen Strategien "profitieren", darunter China und Russland, die man zu "begraben" versuchen wird.
Die Schaffung neuer militärisch-politischer Allianzen (AUKUS – Australien, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten) und Dialogplattformen zu Sicherheitsfragen wie die indopazifische "Viererbande" (USA, Indien, Japan, Australien) und das ostasiatische "Dreieck" zielen darauf ab. All dies unterstreicht nur, dass das Vertrauen nach wie vor die Währung der Geopolitik ist und man in den westlichen Hauptstädten nichts dem Zufall überlassen will, sondern die Kontrolle über die Partner mithilfe traditioneller Mechanismen zu festigen sucht, was seltsamerweise an die Anfangsphase des Kalten Krieges erinnert.
Natürlich würde eine Fragmentierung nach Technologieprinzipien zu einer Verdopplung der entsprechenden Infrastrukturen, zu höheren Kosten und zu einer Verlangsamung der Innovationen führen. Sie wird durch die aktuellen Konflikte und Vorurteile der westlichen Eliten angeheizt, die seit Jahrhunderten daran gewöhnt sind, ihre Hegemonie zu genießen, und nicht bereit sind, von der Illusion der "Unipolarität" abzurücken. Es bleibt zu hoffen, dass die inneren Probleme der westlichen Länder und der globale Charakter der neuen Herausforderungen und Bedrohungen eine objektive Motivation für eine Milderung der technologischen Spaltung/Neuaufteilung der Welt schaffen werden. Vorerst muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Konkurrenz hart sein wird: Wer verliert, riskiert, von der "Weltbühne" verdrängt zu werden und damit keine Stimme mehr im globalen Informationsraum zu haben.
Wir konnten dies bereits am Beispiel der Google-Suchmaschine sowie der Plattformen Twitter, Facebook, den Aktivitäten von Meta – in den Sozialnetzwerken Facebook und Instagram – (die in Russland als extremistisch verboten sind) und anderen beobachten. Jetzt beginnt eine neue Phase der intellektuellen und informativen Monopolisierung – ChatGPT, DeepSeek, Perplexity. In unserem Land geht es um GigaChat und YandexGPT. Der Kampf um die Nutzer wird anhand der Qualität der Schulung dieser Systeme und ihrer Inhalte ausgetragen werden. Für die unterlegenen Länder werden sich die Türen zum neuen Informationsraum wieder schließen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 9. Juni 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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