Meinung

Einsam im Sessel – Wie sich im Oval Office Deutschlands Stellung in der Welt offenbarte

Der Bundeskanzler wurde im Weißen Haus empfangen. Interesse erregte sein Besuch kaum. Der Empfang dauerte vierzig Minuten, Merz sprach davon drei. Besser wäre gewesen, er hätte auch diese drei Minuten geschwiegen, denn er offenbarte in dieser Zeit seine Ahnungslosigkeit und politische Naivität.
Einsam im Sessel – Wie sich im Oval Office Deutschlands Stellung in der Welt offenbarteQuelle: www.globallookpress.com © Michael Kappeler

Von Gert Ewen Ungar

Friedrich Merz möchte Deutschland wieder zur größten Militärmacht in Europa machen. Deutschland wird Verantwortung übernehmen, sichert Merz den Deutschen und Europäern zu. Europa fordert von Deutschland Führung, glaubt man im politischen Deutschland zu hören. Auch Merz hat diesen Ruf deutlich gehört, ihn verinnerlicht und folgt ihm nun. Deutschland steht auf, Deutschland ist zurück, mit Deutschland muss man rechnen. So in etwa lautet die Botschaft der Bundesregierung, so sieht sich das politische Berlin, so vermarktet es sich gegenüber den eigenen Bürgern und den Partner-Nationen. 

Darüber, dass diese Selbstwahrnehmung bestenfalls bizarr und verschroben ist, klärten gestern die Bilder auf, die aus dem Weißen Haus über den Äther in die deutschen Wohnzimmer schwappten. Da saß der Führer der künftig größten Militärmacht Europas im Oval Office einsam in einem Sessel, während US-Präsident Trump mit Journalisten das Thema Eierpreise diskutierte. Damit wurde die Bedeutung, die Deutschland unter Führung von Friedrich Merz für die USA hat, klar illustriert. 

Ja, zugegeben, der große Skandal, mit dem viele gerechnet hatten, fiel aus. Es wurde nicht für unwahrscheinlich gehalten, dass Merz in ähnlicher Weise vorgeführt wird, wie der ukrainische Machthaber Selenskij bei seinem Besuch im Weißen Haus. Der Besuch endete mit einem Rauswurf. Diese Art der Brüskierung blieb Merz erspart. Es kam stattdessen noch schlimmer. Er wurde schlicht nicht beachtet.

Von den etwas mehr als vierzig Minuten, die das Treffen dauerte, sprach Merz gerade einmal gute drei Minuten. Weniger als ein Zehntel. In diesen rund zweihundert Sekunden schaffte es Merz zudem, dem internationalen Publikum seine Unkenntnis hinsichtlich des Ukraine-Konflikts vorzuführen.

Zum einen behauptete er, ukrainisches Militär würde nur militärische Ziele in Russland angreifen, Russland dagegen zivile. Das ist nur für die Konsumenten des deutschen Mainstreams wahr, die von ihren Medien von der Realität wieder einmal gut abgeschirmt werden. Es ist nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass so etwas passiert. Überraschend ist, dass es immer wieder funktioniert. 

In der realen Welt weiß der US-Präsident, mit welchen Zieldaten die von den USA gelieferten HIMARS programmiert wurden. Das waren eben keine militärischen Einrichtungen. Er weiß auch, dass die Opfer, die von der Ukraine beklagt werden, in der Regel auf herabfallende Raketenteile zurückzuführen sind, die von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen wurden.

Würde Russland tatsächlich zivile Ziele in Vernichtungsabsicht ins Visier nehmen, dann sähe Kiew schon längst aus wie Gaza. In Kiew würden sich dann auch nicht die politischen Vertreter Westeuropas die Klinke in die Hand geben, um von dort aus betroffen dreinblickend Text in die Kameras der westlichen Journaille zu sprechen – es wäre zu gefährlich. 

Das Grauen des Ukraine-Krieges ereignet sich nicht in den Städten und es findet auch nicht unter der Zivilbevölkerung statt. Der tatsächliche Schrecken wird in den deutschen Medien nicht abgebildet. An der Front sterben nach russischen Angaben derzeit täglich weit über 1000 ukrainische Soldaten. Man kann diese Zahl in Zweifel ziehen und abtun, sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass sie über den Verlauf des Konflikts ständig zugenommen hat. Diese Soldaten erfüllen ihre Aufgabe an der Front gern, versichert man den deutschen Zuschauern, zu denen auch Merz zählt. Man lobt ihren Mut und ihren Einsatz für die westlichen Werte.

Als Trump über das Blutvergießen in der Ukraine spricht, blitzt für einen Moment auf, dass Trump und Merz dabei unterschiedliche Bilder vor Augen haben. Merz sieht drei tote Zivilisten in Kiew; Trump ein Schlachtfeld übersät mit Leichen. Trump ist näher an der Wahrheit. Merz hat dagegen erschreckend wenig Ahnung, wovon er spricht. 

Dann führt Merz auch noch die angeblich von Russland entführten Kinder an und macht sich damit völlig zum deutschen Clown. Die Geschichte von den zigtausend entführten Kindern ist am Montag in Istanbul in sich zusammengebrochen, als die Ukraine dem russischen Verhandlungsführer eine Liste mit 339 Namen von Familien übergab, die ihre Kinder vermissen. Ob diese Kinder in Russland sind, ist zudem fraglich. Im vergangenen Jahr machte das BKA 161 ukrainische Kinder in Deutschland ausfindig, von denen man dachte, sie seien nach Russland gebracht worden.

Am Montag fliegt der Fake auf, am Donnerstag wiederholt der Kanzler im Weißen Haus die Geschichte von den durch Russland entführten Kindern und zeigt damit, dass er schlecht informiert ist. Der Moment war zum Fremdschämen peinlich.

Man sollte es auch als Kanzler unterlassen, Propaganda-Narrative, die gerade in sich zusammengebrochen sind, vor der Weltöffentlichkeit zu wiederholen. Ja, Russland hat Kinder aus dem Kriegsgebiet evakuiert, aber nicht zu Zehntausenden und auch nicht in böser Absicht, sondern zu ihrem Schutz. 

Dann kam Merz schließlich noch auf die deutschen Aufrüstungspläne zu sprechen. Deutschland werde mehr für die eigene Sicherheit tun und daher umfassend in Waffen und Militär investieren. Merz sieht Deutschland als künftige Militärmacht. Das Grundgesetz wurde geändert, damit die Militarisierung Deutschlands durch Schulden finanziert werden kann.

Trump als Geschäftsmann findet es gut, dass Deutschland Waffen kaufen möchte und bietet sich als Lieferant an. Er wittert satte Einnahmen für amerikanische Rüstungsunternehmen auf Kosten des deutschen Staatshaushalts. Er macht allerdings auch klar, dass dem Grenzen gesetzt sind. Eine Militärmacht Deutschland will er nicht.

Trump ist damit nicht allein. Nach den Ereignissen des 20. Jahrhunderts kann an den Merzschen Ideen von einer Militärmacht Deutschland im Zentrum Europas niemand auch nur den Hauch eines Interesses haben, selbst die Deutschen nicht. Merz ist ein Fantast, machte die Szene deutlich.

Fazit des Besuchs im Weißen Haus ist: Merz hat in den drei Minuten Redezeit gezeigt, dass er besser hätte schweigen sollen. Ihn zu übergehen, ist eine gute Strategie, denn jede Sekunde internationaler Aufmerksamkeit wird in Deutschland gerade als Beweis dafür ausgelegt, dass Deutschland wieder von großer Bedeutung ist. Zum Glück für Europa und die Welt ist das nicht der Fall, was hoffentlich auch so bleiben wird. 

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