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Weiterhin Waffenexporte nach Israel: Deutsche Völkermord-Beihilfe für westliche Interessen in Nahost

Dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord verübt, ist kaum mehr bestreitbar. Doch trotz aller Mahnungen sicherte Deutschlands Außenminister Israel nun weitere Rüstungsexporte zu. Das wird so bleiben, denn der expandierende Militärstaat dient den imperialistischen Interessen des Westens.
Weiterhin Waffenexporte nach Israel: Deutsche Völkermord-Beihilfe für westliche Interessen in NahostQuelle: Gettyimages.ru © Mahmoud Isleem/Anadolu via Getty Images

Von Susan Bonath

Deutschland unterstützt ungeheuerliche Verbrechen. Nicht nur ideell, nicht nur durch Schweigen, nein, man kann die Unterstützung materiell beziffern: Rüstungsexporte für eine halbe Milliarde Euro in knapp 20 Monaten genehmigte die Bundesregierung an den Staat Israel, wie die Linke im Bundestag erfragt hat. Sie wird damit fortfahren. Entsprechend beteuerte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) am Mittwoch im Bundestag:

"Deutschland wird weiterhin den Staat Israel unterstützen, auch mit Waffenlieferungen."

Auf Unwissenheit kann sich die Regierung nicht berufen. Jeder kann die Verbrechen der israelischen Armee fast per Livestream auf palästinensischen und arabischen Kanälen verfolgen: tägliche Bilder von Massakern, von verstümmelten und sterbenden Menschen, von zerfetzten Kinderleichen, verhungernden Säuglingen, massakrierten Sanitätern – inmitten einer Trümmerwüste, auf die Israels Armee immer noch Bomben abwirft.

Weil Israel keine Journalisten in den Gazastreifen lässt, dokumentieren die Opfer ihre eigene Vernichtung. Aber auch israelische Soldaten selbst protzen damit so offen und ungeniert auf sozialen Plattformen, dass man aktiv wegschauen müsste, um dort nicht auf solche Videos, Fotos und verhöhnende Kommentare zu stoßen. Kein Politiker, kein Journalist kann mehr behaupten, von dem Ausmaß nichts geahnt zu haben.

"Musterbeispiel für einen Völkermord"

Die israelische Regierung kündigte ihre Vernichtungsabsichten seit Beginn ganz offen an. Bereits am 13. Oktober 2023, sechs Tage nach dem Hamas-Angriff aus dem abgeriegelten Gazastreifen auf den Besatzerstaat Israel mit rund 400 militärischen und 800 zivilen Opfern, veröffentlichte der israelische Holocaust- und Genozidforscher Raz Segal in der linken US-amerikanischen Zeitung Jewish Currents einen denkwürdigen Artikel. Was Israel im Gazastreifen nun begonnen habe, sei "ein Musterbeispiel für einen Völkermord", titelte er. 

Segal dokumentierte ausführlich die zahlreichen genozidale Ankündigungen von ganz oben. Die israelische Armee hatte schon damals viele Fakten geschaffen: mit 2.000-Pfund-Bomben, die sie ohne jede Rücksicht auf Zivilisten und ihre Häuser niederregnen ließ. Diese Aussagen flossen in die Völkermord-Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) ein, der diesen Verdacht für plausibel hält und seit Januar 2024 ermittelt. An die Auflagen des Weltgerichts hat sich Israel bis heute nicht gehalten.

Semantische Verrenkungen

Doch wer die Gräueltaten in Deutschland als Völkermord bezeichnet, läuft Gefahr, ein juristisches Verfahren an den Hals zu bekommen, mindestens als "Antisemit" in der Statistik zu landen, zum Beispiel über die Meldeportale des amtlich geförderten Vereins RIAS. Dieser überwacht auch Hochschulen und suggeriert, sie wären antisemitische Brutstätten, auch wenn eine Studie der Universität Konstanz das widerlegt hat. Eine weitere Studie warf RIAS kürzlich fehlende Transparenz und Einseitigkeit vor.

Akribisch nimmt die Polizei Woche für Woche Demonstranten ins Visier und zeichnet ihre Parolen auf. Wer die massenhaft dokumentierte Tötung von Kindern als Kindermord bezeichnet, ein freies Palästina "From the River to the Sea" fordert oder auch nur Raz Segals Worte, dass es sich um ein "Musterbeispiel für Völkermord" handele, zitiert, muss mit Strafanzeigen rechnen. Der IGH hat schließlich noch kein endgültiges Urteil gefällt. Angesichts der täglich dokumentierten Fakten verkriecht sich der deutsche Staat in semantischen Verrenkungen, während er das Ungeheuerliche unterstützt.

Die Realität zeigt zwei Millionen eingesperrte Menschen, von Israel auf immer weniger Quadratkilometern zerbombter Trümmerwüste zusammengetrieben, aller Lebensgrundlagen beraubt: ihrer Unterkünfte, der Versorgung mit medizinischer Hilfe, Strom, Nahrung, Wasser – und ihrer Menschenwürde. Hunger und Krankheiten töten genauso wie Bomben. Dieses Gefängnis existierte schon vor dem 7. Oktober 2023.

Westlicher "Werte"-Imperialismus

Die semantische Debatte in Deutschland ist der Überbau für jahrzehntelang praktizierte Verleugnung der Realität, Tatsachenverdrehung und Desinformation. Man muss nicht internationales Recht, sondern nur einen minimalen moralischen Kompass bemühen, um zu erkennen, dass es falsch ist, andere Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als minderwertig zu klassifizieren, zu vertreiben, zu enteignen, einzusperren, nach Belieben zu foltern und zu töten.

Dass der israelische Staat all das seit Jahrzehnten praktiziert, kann man sogar bei Wikipedia nachlesen. Man muss kein Experte sein, um zu schlussfolgern, dass dies zu Widerstand führen muss. Aber Palästinenser haben nach deutscher Staatsräson kein Widerstandsrecht.

Der ideologische Grundpfeiler der deutschen Pro-Israel-Propaganda ist ein historisch gefestigter westlicher Exzeptionalismus: das Gefühl eigener genuiner Überlegenheit, nicht nur gegenüber Palästinensern, Arabern und Muslimen allgemein, sondern auch gegenüber Afrikanern, Russen, Südamerikanern und so weiter. Schon die europäischen Kolonialisten versuchten, damit ihre imperialistischen Gräueltaten gegen kolonisierte indigene Völker zu legitimieren – von Vertreibung und Landraub über Versklavung bis hin zur Ausrottung.

Die damaligen Kolonialherren präsentierten sich als "Zivilisierte", die das Recht hätten, vermeintlich "Unzivilisierte", oft als "Wilde" gebrandmarkt, wie Tiere zu unterjochen. Heute schwadronieren ihre Nachfolger von "westlichen Werten", die sie angeblich "demokratiefeindlichen Diktaturen" oder "rückständigen Kulturen" aufzwingen müssten. Sie meinen aber das Gleiche wie ihre Vorfahren.

Blut- und Boden-Rhetorik

Hört man israelischen Politikern zu, stößt man unvermeidlich auf diese eliminatorische, kolonialistisch-rassistische Ideologie, gepaart mit einer Blut- und Boden-Rhetorik, die an das finsterste Kapital der deutschen Geschichte erinnert. Jahrtausende alte Schriften mit fragwürdigem Wahrheitsgehalt und der nicht etwa von den unterdrückten Palästinensern, sondern von den deutschen Nazis begangene Holocaust dienen als Rechtfertigung für den brutalen Siedlerkolonialismus Israels, der von Anfang an das genozidale Element der Vertreibung und Entrechtung, mithin der ethnischen Säuberung und Apartheid, beinhaltete.

Es ist auch offensichtlich, dass es dem deutschen Staat nicht um jüdisches Leben, sondern um eine Projektion der eigenen Schuld auf die Palästinenser geht. Das zeigt sich schon daran, dass linke jüdische Aktivisten in Deutschland genauso politisch verfolgt werden wie alle anderen, die für die Freiheit Palästinas demonstrieren. Das wird deutlich, wenn deutsche Medien Palästinensern die Glaubwürdigkeit und jegliches Widerstandsrecht absprechen: Unterdrückung als "demokratisches Vorrecht", Widerstand als "Terror".

Propaganda-Geschichten

Pflückt man die proisraelische Propaganda der Leitmedien auseinander, stößt man auf Verdrehungen und Projektionen, die mit Journalismus wenig zu tun haben und offensichtlich vor allem einem Zweck dienen: der Rechtfertigung der live gestreamten Verbrechen. Um nur zwei Beispiele dafür zu nennen:

Erstens: Die Darstellung der Besatzung als "Konflikt", des Völkermordes als "Krieg", Getöteter pauschal als "Terroristen" und Israels als "Selbstverteidiger" suggeriert, hier stünden sich gleichwertige Gegner gegenüber und die Palästinenser müssten nur auf "Terrorismus" verzichten, schon zöge der Frieden ein.

Wahr ist hingegen: Die Palästinenser haben es sich nicht ausgesucht, von einem weit überlegenen, westlich ausgerichteten Militärstaat von ihren Wohnorten vertrieben, enteignet und seit 77 Jahren entrechtet zu werden. All ihre Zugeständnisse, die sie im Laufe der Jahre versuchten, führten nicht zum Ende der Apartheid, sondern bewirkten stets eher das Gegenteil. Das beweist die Realität im Westjordanland.

In diesem Kontext ist Israel kein Selbstverteidiger, sondern völkerrechtswidriger Unterdrücker von Menschen, denen der Westen selbst kein Recht auf Selbstverteidigung dagegen zugesteht. Israel führt auch keinen Krieg, sondern bombt und hungert eine eigens eingesperrte Bevölkerung aus – ja, vernichtet sie.

Zweitens: Stets heißt es, die Hamas benutze palästinensische Zivilisten als "menschliche Schutzschilde", was leider zu vielen "Kollateralschäden" führen müsse. Das ist blanker Hohn angesichts dessen, dass der Widerstand zusammen mit der Bevölkerung im Gazastreifen, einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde, eingesperrt ist. Die Hamas hat weder Mittel noch Platz, sich dem offenen Kampf zu stellen.

Dazu gesellt sich eine klassische Projektion. Erwiesen ist nämlich einzig der umgekehrte Fall: dass israelische Soldaten Palästinenser immer wieder als menschliche Schutzschilde einsetzten, im Westjordanland etwa, um nicht beschossen zu werden, in Gaza, um etwaige Sprengfallen in Häusern oder Ruinen auszulösen, bevor die Armee dort hineingeht. Sogar deutsche Medien berichteten darüber.

Aus "nie wieder" wurde "schon wieder"

Es ist kein Krieg wie jeder andere, wenn eine haushoch überlegene Besatzungsmacht eine Bevölkerung einsperrt, in diesem Freiluftgefängnis hin- und hertreibt, sie in Grund und Boden bombardiert, gleichzeitig von jeder Hilfe abschneidet, aushungert und massakriert. Man kann auch nicht von Vertreibung reden, ein Wording, auf das viele Medien nach solchen Ankündigungen der israelischen Regierung nun umgestiegen sind. Denn Israel lässt ja, von Einzelfällen abgesehen, niemanden aus der abgeriegelten Enklave heraus.

Wenn man aussprechen würde, was man sieht, kann man das Ungeheuerliche nur Vernichtung nennen, eine gezielte systematische Vernichtung von zwei Millionen gefangen gehaltenen Menschen, die Hälfte davon minderjährig. Eine Vernichtung mit allen Mitteln: durch Bomben, Panzergeschosse und Gewehrkugeln, durch Hunger, schmutziges Wasser und Krankheiten, durch Zerstörung der gesamten zivilen Infrastruktur einschließlich aller Krankenhäuser, Schulen und medizinischer Einrichtungen. Aus der am Mittwoch einmal mehr von Außenminister Wadephul symbolhaft vorgetragenen Floskel "nie wieder" ist ein "schon wieder" geworden – und wieder mit deutschen Waffen.

Verbrechen sind doof, aber die Hamas...

Die Bundesregierung weiß, was im Gazastreifen geschieht. Dass sie es weiß, belegte kürzlich selbst Bundeskanzler Friedrich Merz, als er anmahnte, die Zivilbevölkerung in Gaza werde zu sehr "in Mitleidenschaft gezogen." Nach 20 Monaten Gräueltaten bleibt das eine Verharmlosung von der Art, wie die inzwischen zahlreicher auftauchenden mahnenden Kommentare in einigen Leitmedien. Es wirkt wie eine verhaltene Flucht nach vorne: Man finde diese Grausamkeiten ja wirklich doof – aber die Hamas!

Doch die Verbrechen gehen weiter: Bombenhagel auf Zivilisten, Hungerblockade, Ausschaltung von Hilfsorganisationen, Massaker an unterernährten Zivilisten, die versuchen, an Nahrung über eine von Israel und den USA selbst installierte, dubiose Stiftung zu gelangen, deren ehemaliger Chef bereits zugegeben hat, dass es nicht um humanitäre Hilfe, sondern "Konzentration" der Bevölkerung geht – und zurücktrat.

Imperialistische Interessen des Westens in Nahost

Die Propaganda läuft weiter, und sei es nur in Form immer gleicher Phrasen etwa von einem Gaza-Ministerium, das dieser "radikalislamistischen Terrororganisation Hamas" unterstehe. In dieser Konsequenz müsste man auch in Berichten über das deutsche Gesundheitssystem in Dauerschleife anfügen, dass dieses beispielsweise der "radikalkonservativen CDU" unterstehe. Das zeigt, wie hohl diese Phrasen sind. Aber sie dienen dazu, die Glaubwürdigkeit der Unterdrückten zu untergraben.

Dennoch schwindet die Deutungshoheit der westlichen Propagandisten. In einer repräsentativen Umfrage sprachen sich 75 Prozent gegen Rüstungsexporte nach Israel aus, nur 14 Prozent stimmten dafür.

Zu eindrücklich sind wohl die Bilder, die Israels bestialische Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Dauerschleife belegen, und zu unkontrollierbar sind die sozialen Medien.

Ernsthaft zurückrudern werden aber weder die Leitmedien noch die Bundesregierung. Der Grund dafür ist nicht etwa ein ernsthafter Kampf gegen tatsächlich antisemitischen Judenhass, sondern vielmehr der strategische Zweck, den der Militärstaat Israel für westliche imperialistische Interessen erfüllt: Kontrolle über Ressourcen, Märkte und politische Entwicklungen in Nahost. Das wird die deutsche Politik nicht aufgeben.

Im Imperialismus geht es nicht um Menschenrechte, nicht um Rassismus und Antisemitismus, nicht um soziale Ausgrenzung und "Brandmauern gegen rechts" oder was auch immer die politisch Verantwortlichen gerade vorgeben. Es geht nur um eins: Profite und ökonomische Vorherrschaft – immer.

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