Meinung

Kommentar zu Sanktionen gegen Lipp und Röper: Darum hassen sie uns

Mit dem 17. Sanktionspaket riss die EU die Fundamente des Rechtsstaates noch ein großes Stück weiter ein. Es ist eine Gefahr für alle und jeden: Denn wo es kein Recht mehr gibt, wird niemand ruhig schlafen können. Paradoxerweise auch die Willkürtäter von heute nicht.
Kommentar zu Sanktionen gegen Lipp und Röper: Darum hassen sie unsQuelle: Gettyimages.ru © Designprojects

Von Alexej Danckwardt

Die EU hat also ein neues Sanktionspaket beschlossen ‒ neue individuelle Sanktionen erstmals auch gegen Deutsche ‒ und damit weitere rechtliche Tabus gebrochen und rechtliche Hürden eingerissen. Dagmar Henn hat dazu bereits einen lesenswerten bissigen Kommentar geschrieben und dabei mit Humor skurrile Widersprüche aufgedeckt. Manches wäre tatsächlich zum Lachen, mir aber ist das Lachen längst vergangen. Nicht nur, weil die Sanktionen für die Betroffenen, wie man es dreht und wendet, eine bittere Einschränkung ihrer Freiheiten und ihrer Lebensgestaltung darstellen. Nicht nur, weil wir die Nächsten sein werden. 

Ich betrachte das Geschehen in erster Linie durch die Brille eines Juristen, und die Entwicklung lässt mich erschaudern. Es sind nicht nur individuelle Rechte Betroffener, die da in der Luft zerrissen und mit Füßen getreten werden. Eingerissen wird in Brüssel ‒ Sanktionspaket für Sanktionspaket ‒ das Recht als solches.

Eine völlig entgrenzte, durchgeknallte Exekutive verhängt ohne Gerichtsverhandlung und ohne rechtliches Gehör Strafen gegen Menschen für Handlungen, die kein Gesetz verboten hat. Die daran beteiligten Beamten und Politiker wähnen sich als absolutistische Monarchen, die über dem Recht stehen. Sie praktizieren Willkür, Machtmissbrauch und drehen mit einem Fingerschnippen Jahrhunderte der Rechtsentwicklung zurück: Grundsätze wie Gewaltenteilung (Strafen dürfen eigentlich nur Gerichte verhängen), Verhältnismäßigkeit und "keine Strafe ohne Gesetz" gelten nicht mehr.

Das betrifft nicht nur die bislang Sanktionierten, denen elementare individuelle Rechte wie Meinungs- und Redefreiheit, Pressefreiheit, Informationsfreiheit, Reisefreiheit und Schutz des Eigentums entzogen werden. Das betrifft jeden von uns: Denn künftig können jedem Freiheit und Lebensgrundlagen entzogen werden, wenn den selbstgekrönten Monarchen irgendetwas an unseren Ansichten oder unserer Lebensgestaltung nicht passt. Es gibt kein Recht mehr, das uns vor Willkür und Übermaß schützt.

In gewisser Weise erinnert es an das mittelalterliche Instrument der Ächtung, auch als "Vogelfreiheit" bekannt. Durch einen Willkürakt der Obrigkeit wurden einer der Obrigkeit nicht genehmen Person alle Rechte entzogen: Jeder konnte nun mit ihr machen, was ihm beliebt. Der geächteten Person durfte keine Behausung gewährt werden, ihre Leiche durfte nicht bestattet werden.

Es hat Jahrhunderte des Kampfes und der Rechtsentwicklung gebraucht, bis ein Angeklagter nicht mehr von der Willkür des Herrschers abhing, bis die Rechtsprechung Gerichten übertragen war, die Richter unabhängig wurden, der Prozess mehr oder weniger fair und dem Angeklagten Verteidigungsmöglichkeiten und das letzte Wort gewährt wurden. Nun sind wir wieder im Zeitalter der Ächtung durch die Exekutive angekommen: Der "Angeklagte" wird nicht einmal angehört, Beweise werden nicht erhoben, es genügt eine kurze Beschreibung seiner "Untat", die oftmals an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist, wie Dagmar Henn zu Recht feststellt. 

Die EU behauptet zwar von sich, dass ihre Sanktionen (für die es auch keine wirkliche Rechtsgrundlage, nur eine an den Haaren herbeigezogene Kompetenzzuschreibung gibt) keinen strafenden Charakter haben, aber das ist blanker Hohn. Wenn jemandem für seine Handlungen sein Vermögen, seine Freiheitsrechte und seine Existenzgrundlage genommen werden, was ist das sonst, wenn keine Bestrafung?! Letzteres kommt übrigens potenziell der eigentlich abgeschafften Todesstrafe gleich, und das Vermögen ist auch nicht nur "eingefroren", denn eine Aufhebung der Sanktionen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner von uns zu seinen Lebzeiten sehen. Den Versuch des Nachweises einer immanenten künftigen Gefahr unternehmen die Sanktionslisten in den meisten Fällen nicht einmal. Welche Gefahr soll auch ein Museum in Sewastopol für die EU darstellen?

Wir, Journalisten, sind in der Tat eine Gefahr. Aber nicht für die europäischen Völker oder Länder, wie man es darstellt. Die Wahrheit fürchtet die Lüge nicht, denn sie hat stets die besseren Argumente und setzt sich über kurz oder lang durch. Man sagt gar, dass die Wahrheit im kontroversen und offenen Meinungsstreit erst geboren wird.

Entsprechend braucht die Wahrheit auch keine Verbote. Wer sich mit Verboten anderer Meinungen und ihr nicht passender Tatsachenberichte über Wasser halten muss, ist die Lüge. Denn auch wenn sie, wie heute der deutsche und europäische Mainstream, über hunderte Zeitungen und Sender herrscht und ein Millionenpublikum gehirngewaschen hat, reicht all diese mediale Macht nicht aus, um gegen eine gesperrte und bekämpfte Internetseite mit einigen Zehntausend Lesern zu bestehen, die die Wahrheit spricht. Auch nicht gegen den Telegram-Kanal einer jungen Frau namens Alina oder den Blog eines Thomas: Der stete Tropfen Wahrheit braucht seine Zeit, aber er wird unvermeidlich jede noch so mächtige Festung der Lüge zum Einsturz bringen. Darum hassen sie uns, darum fürchten sie uns, darum verbieten und verfolgen sie uns.

Und noch etwas Hoffnungsvolles hat die von der EU auf Anraten der deutschen Bundesregierung betriebene Zerstörung der Fundamente des Rechtsstaats: Die Rechtlosigkeit wird unabwendbar früher oder später auch die treffen, die das Recht heute einreißen. Wer heute denkt, elementare Rechtsgrundsätze wie Gewaltenteilung, Anspruch auf den gesetzlichen Richter, Übermaßverbot und Menschenrechte binden ihn nicht, der wird irgendwann feststellen, dass es keinen Rechtsgrundsatz mehr gibt, der ihn schützt: kein Rückwirkungsverbot, keine Verjährung, keine Ächtung der Todesstrafe ...    

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