
Grüner "Freiheitsdienst" oder: wie man Reichsarbeitsdienst und Volkssturm kreuzt

Von Dagmar Henn
Vielleicht ist der Antrieb ja unschuldiger, als ich mir das vorstelle, und es sind gar keine alten braunen Sumpfblasen, die da durch die grüne Algenblüte brechen, sondern sie haben nur an die kommende Entwicklung der Arbeitslosigkeit gedacht, zu der sie gerade mit ihrem "klimaneutral bis 2045" gehörig beigetragen haben. Aber irgendwie ist der Plan so destruktiv, dass ich das kaum glauben mag.
Das ganze Konzept stammt von den bayerischen Grünen. Sie wollen eine Dienstpflicht von sechs Monaten, für alle, von 18 bis 67. Männlein wie Weiblein. "Wehrdienst, Dienst im Bevölkerungsschutz, bei Feuerwehr oder Hilfsorganisationen oder sechs Monate Gesellschaftsdienst", fasst das der Spiegel zusammen, und "schon abgeleistete Dienste oder bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten sollen angerechnet werden".

Da liegt der erste Hund begraben. 16,4 Millionen Deutsche waren, sagt eine Studie von Allensbach, 2024 ehrenamtlich tätig. Die Spanne ist dabei breit, von Sportvereinen über Kommunalpolitik bis zu Kirchengemeinden oder Kultur. Das Bundesinnenministerium behauptet unter Berufung auf den Freiwilligensurvey 2019 sogar, 39,7 Prozent der Bevölkerung hätten sich sich ehrenamtlich engagiert. Warum also sollte man Menschen zu etwas zwingen, das sie schon freiwillig tun? Und wie kommt man nur auf den Gedanken, wenn man etwas Freiwilliges zur Pflicht macht, würde das die Beteiligung erhöhen? Es wird genau das Gegenteil der Fall sein. Denn für viele ist das Ehrenamt der Bereich, in dem sie – oft im Gegensatz zur täglichen Arbeit – etwas tun, das ihnen am Herzen liegt, etwas, das sie selbst gewählt haben.
Aber es heißt ja, nur "bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten" sollen angerechnet werden. Also die Freiwillige Feuerwehr, aber nicht der Vorlesedienst im Kindergarten? Technisches Hilfswerk, aber nicht die Mitarbeit in einem Verein für Alleinerziehende? Es ist schon zu ahnen, dass da ein Teil der ehrenamtlichen Tätigkeiten als "minder wichtig" abqualifiziert werden würde. Wenn aber die Menschen gezwungen werden, einen solchen Dienst zu leisten, und bestimmte Tätigkeiten dafür nicht gelten, hat das zwangsläufig die Folge, dass alles, das dann als "minder wichtig" gilt, tatsächlich weniger getan wird. Das ist keine Bereicherung der Ehrenamtslandschaft, sondern eine Verarmung. Und man kann seinen Hut darauf verwetten, dass alles, was den Grünen politisch nicht in den Kram passt, nicht mitzählt.
Überhaupt, die Altersgrenze schlägt wirklich alles Dagewesene. Von 18 bis 67? Man erkennt schon, die Grünen kennen niemanden, der noch körperlich arbeitet oder gearbeitet hat. Aber Zwangsdienst bis 67, das ist schon extrem dreist. Selbst für den Volkssturm der Nazis war mit 60 Schluss; eine Altersspanne, die sich inzwischen auch die Bundeswehr für Einberufungen im Kriegsfall gönnt. Abgesehen davon galt das bisher nur für Männer. Die Grünen wollen ihre in bester orwellscher Sprachregelung "Freiheitsdienst" genannte Zwangsarbeit für beide Geschlechter.
Wobei sie da Glück haben, dass das mit dem Plan mangels Regierungsbeteiligung nichts wird und ich nicht in Deutschland lebe. Ich bin nämlich der Ansicht, allein drei Kinder aufzuziehen ist durchaus genug Leistung fürs Ganze; auch das ist eine unbezahlte Tätigkeit, die weitaus mehr Anerkennung verdient hat, als sie in der derzeitigen deutschen Gesellschaft erhält. Ich würde mich entschieden weigern, mir von irgendwelchen kleinbürgerlichen Rotzgören erzählen zu lassen, das sei alles wertlos.
Aber man kennt sie ja, die Grünen. In den Worten "angerechnet werden" verbirgt sich nämlich noch etwas, das an ihnen klebt wie Hundekot an der Schuhsohle: Was immer sie schaffen, gebiert monströse Bürokratie. Mit Sachbearbeiterstellen und Antragsformularen und Bescheiden und Gerichtsverfahren und, damit es auch modern aussieht, vermutlich auch noch einer App oder einer Karte mit ganz vielen persönlichen Daten, die dann immer versehentlich an Orten landen, an die sie nicht sollen. Und, ich hätte es fast vergessen, mit einer hübschen, teuren Website, die von einer Edel-Werbeagentur gestaltet wird.
Um eine Pflicht zu verhängen, muss man nämlich erfassen und Buch führen. Das lohnt sich besonders, wenn, wie in diesem tollen grünen Konzept vorgesehen, auch alle in Deutschland lebenden Migranten diesen Dienst ableisten sollen. Das heißt nämlich dann auch, man braucht die Formulare in mehreren Sprachen. Und muss sich dann noch überlegen, wie man denn kontrollieren will, ob die Angaben auch stimmen, was vermutlich die Opfer dieses Dienstes ebenso betrifft wie diejenigen, die diese Dienste ermöglichen sollen.
Das ist noch einmal etwas ganz anderes als eine Wiedereinführung des Zivildienstes. Der ist im Verlauf von Jahrzehnten gewachsen, und er konkurrierte eben nicht mit dem gewöhnlichen Ehrenamt. Klar wären die großen Wohlfahrtsverbände imstande, mit einer solchen neuen Bürokratie umzugehen; es wären die kleinen Vereine, die vermutlich eher auf dieses offizielle Dienst-"Ehrenamt" verzichten, als sich der ganzen Bürokratie auszusetzen, weil sie eben keine Hauptamtlichen haben, die dafür bezahlt werden, solchen Kram zu erledigen. Also auch da: nicht nur die selektive Liste, was "wertvoll" ist und was nicht, wirkt sich auf die Globalverteilung der ehrenamtlich aufgewandten Zeit aus, sondern auch die strukturellen Voraussetzungen.
Das ist wie im Handwerk – je ausgeprägter die bürokratischen Vorschriften, desto stärker sind Großorganisationen und -unternehmen im Vorteil. Und man kann sich schon lebhaft vorstellen, dass sie dann Antragsformulare für Lagerfeuer in Jugendcamps einführen, 30 Seiten lang (schon allein wegen der Klimaneutralität), weil erstens alles, was irgendwie noch Ehrenamt abbekommen will, sich den Regeln unterwerfen muss, und zweitens da, wo Verbote nicht durchsetzbar wären, gern mit bürokratischer Quälerei gearbeitet wird. Das ist nämlich die ideale Technik, wenn man behaupten will, Menschen hätten bestimmte Rechte, und gleichzeitig dafür sorgen, dass sie diese nicht in Anspruch nehmen. Ja, sie würden es mühelos schaffen, jedes Ehrenamt in eine Qual zu verwandeln. Schon wenn man sich eine "anrechenbare" ehrenamtliche Tätigkeit vorher genehmigen lassen muss.
Katharina Schulze, Fraktionschefin der bayerischen Grünen, die zuletzt auffiel, als sie erklärte, dass "die Erde brennt", erklärte: "Es ist an der Zeit, die Frage zu stellen: Was kannst du für dein Land tun?" Definitiv die passende Frage zu den derzeitigen deutschen Zuständen, aber wenn man sich diese Frage ernsthaft stellen würde, würde das Ergebnis den Grünen sicher nicht gefallen. Es gibt nun einmal grundsätzliche Unterschiede zwischen Zeiten des Aufbruchs und Zeiten des Zerfalls, und dieser Spruch von John F. Kennedy gehört nicht in eine Zeit des Zerfalls. Aber als Grüne lernt man, da in die andere Richtung zu schauen.
Es geht nur noch schlimmer. Denn bei dem, was sie außerdem noch sagt, klingen sie mit, der Reichsarbeitsdienst und der Volkssturm, denn es ist eines unübersehbar: Schulze leitet nicht das Militärische von der Gesellschaft ab, sondern die Gesellschaft vom Militärischen.
"Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen. Der Reichsarbeitsdienst ist zur Durchführung gemeinnütziger Arbeiten bestimmt."
Nein, halt, falsches Zitat. Das ist nicht Schulze, das ist das Original. Heute klingt das so:
"Damit wir als Gesellschaft robuster werden, unsere Freiheit verteidigen und das Miteinander stärken, braucht es uns alle. Der Freiheitsdienst ist ein Gemeinschaftsprojekt für Deutschland von allen für alle. Durch den Freiheitsdienst verbinden wir Generationen und Milieus, stärken unsere Gesellschaft und verteidigen, was uns wichtig ist."
Es tut mir leid, das ist eine Variante derselben Melodie, sogar in derselben Tonart. Das Ziel ist der Krieg, und der Weg dahin ist eine völlige Militarisierung der Gesellschaft. Das ist keine Stärkung ehrenamtlicher Tätigkeiten, das ist eine Unterordnung des Ehrenamts unter die mentale Aufrüstung. Und das ab der Volljährigkeit durch alle Altersgruppen, die noch laufen können. Die neue Losung der Grünen lautet: Pflugscharen zu Schwertern. Daran sollen die Deutschen jetzt mit allen Mitteln gewöhnt werden. Und der Hauptunterschied zwischen dem Originalkonzept und seiner grünen Version ist die bessere PR-Abteilung.
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