
Preisaufschlag für Gesichtswahrung: CDU will russisches Gas über USA beziehen

Von Gert Ewen Ungar
Mehrere prominente Mitglieder der CDU haben eine Wiederaufnahme des Bezugs von Gas über den noch intakten Strang von Nord Stream 2 ins Spiel gebracht. Hintergrund sind Gerüchte über Absprachen zwischen den USA und Russland. Demnach sollen in der Schweiz Gespräche darüber stattfinden, wie die Pipeline wieder in Betrieb genommen werden kann.
Anscheinend wird dabei auch überlegt, die Pipeline an einen US-Investor zu übertragen, der russisches Gas über Nord Stream nach Deutschland weiterverkauft. Eine für Deutschland gesichtswahrende Lösung, denn die Politik könnte weiter behaupten, man hätte sich vom Bezug russischen Gases losgesagt und beziehe jetzt US-Gas. Hierbei würde es sich um ein plumpes Täuschungsmanöver handeln, aber das spielt in der deutschen Politik längst keine Rolle mehr.
Die ganze Diskussion über russisches Gas und die angeblich erfolgreiche Abkehr davon ist reine Augenwischerei ‒ nichts daran ist wahr oder faktenbasiert. Die von Habeck erzählte Geschichte, wie sich Deutschland innerhalb kürzester Zeit aus der russischen Abhängigkeit befreit hat, ist vor allem eins: frei erfunden, über weite Strecken sogar gelogen.

Dennoch kommt natürlich aus der Ecke der Grünen sofort der empörte Aufschrei angesichts des dort als ketzerisch empfundenen Gedankens, man könnte wieder zum Bezug von russischem Gas zurückkehren. Die Grünen warfen der CDU eine "Moskau-Connection" vor.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, meldete sich auf X zu Wort. Sein Vorwurf an die CDU: Vaterlandsverrat. Eine Nummer kleiner hatte es Müller-Kraenner gerade nicht auf Lager. Er behauptet, Putin würde mit den Einnahmen aus dem Energiegeschäft den nächsten Krieg finanzieren. Der richte sich dann gegen Europa, glaubt er und verlinkt einen Tagesschau-Beitrag, der auf der Grundlage von Geheimdienstinformationen vor einem kommenden Krieg mit Russland warnt.
Die Vaterlandsverräter, die Nord Stream 2 in Betrieb nehmen möchten, nehmen billigend in Kauf, dass Putin mit unserem Geld seinen nächsten Krieg gegen Europa finanziert. Und dann trifft es vielleicht auch uns. Wie korrupt kann man eigentlich sein? https://t.co/w3q8Ma4mSe
— S Mueller-Kraenner (@sascha_m_k) March 27, 2025
Neben seiner Bereitschaft, sich an der in Deutschland herrschenden Kriegshysterie zu beteiligen, macht Müller-Kraenner noch auf zwei Tatsachen aufmerksam, über die inzwischen nicht mehr hinweggetäuscht werden kann. In Deutschland versteht man nicht, auf welcher Grundlage Russland die militärische Spezialoperation in der Ukraine finanziert. Obendrein versteht man die Funktionsweise internationaler Energiemärkte nicht. Müller-Kraenner versteht es nicht, Habeck versteht es nicht und der künftige Wirtschaftsminister, wer auch immer es werden wird, versteht es mit großer Sicherheit auch nicht. Es gibt ein grundlegendes Problem mit der wirtschaftspolitischen und makroökonomischen Bildung in Deutschland.
Dabei sollte nach drei Jahren Krieg in der Ukraine eigentlich klar geworden sein, dass sich die russische Kampfkraft nicht dadurch steuern lässt, dass man auf den Bezug von russischen Energieträgern verzichtet. Dies schwächt lediglich die eigene Wirtschaft. Im von Müller-Kraenner verlinkten Tagesschau-Beitrag wird das auch angemerkt. Aber es gibt in Deutschland nicht nur grundlegende Defizite hinsichtlich des Wissens um ökonomische Zusammenhänge, sondern auch in Bezug auf Lesekompetenz, ermittelte eine aktuelle PISA-Studie.
Russland ist zum Führen des Krieges nicht auf ausländische Devisen angewiesen. Man kann in Deutschland russisches Gas kaufen oder es sein lassen, es hat auf die russische Rüstungsindustrie und auf die Fähigkeit, den russischen Soldaten den Sold auszuzahlen, keinerlei Einfluss. Ich habe das schon oft geschrieben und schreibe es hier nochmal. Die Wahrscheinlichkeit, dass man das in Deutschland, vor allem im Umfeld der Grünen, versteht, bleibt jedoch weiterhin gering. Man hält dort an der absurden These fest, auch wenn inzwischen empirisch deutlich geworden ist, dass sie nicht stimmt.
Wie viele Panzer konnte Russland nicht bauen, weil Deutschland auf russisches Gas verzichtet hat? Wie viele Artilleriegranaten wurden nicht produziert? Wie viele Soldaten haben deshalb keinen Sold erhalten? Die Antwort ist in allen Fällen "null". Russland weitet seine Rüstungsproduktion im Gegenteil aus und erhöht die Zahl seiner Soldaten.
Der Grund, warum Russland das trotz aller Sanktionen kann, ist einfach zu verstehen. Russland produziert seine Rüstungsgüter überwiegend selbst. Von der Entwicklung bis hin zur Serienproduktion wird alles in Rubel abgewickelt. Die Soldaten erhalten ihren Sold in Rubel und nicht in Euro oder Dollar. Russland kauft keine Rüstungsgüter in Fremdwährung im Ausland. Hier liegt auch eine der Ursachen für das russische Wirtschaftswunder. Weil Russland nicht im Ausland kauft, sondern alles selbst produziert und die Soldaten sehr gut entlohnt, befeuert der Ukraine-Krieg die russische Wirtschaft. Russland ist zum Führen des Krieges nicht auf ausländische Devisen angewiesen. Dieser Zusammenhang wird in Berlin, in Brüssel, Paris und London partout nicht verstanden. Bei der Deutschen Umwelthilfe offenbar auch nicht.
Was aber darüber hinaus nicht verstanden wird, ist, dass es eine ausgesprochen dumme Idee ist, in einer Welt mit steigendem Energiebedarf einen der wichtigsten Lieferanten von Energie mit einem Boykott bestrafen zu wollen. Wenn Deutschland das russische Gas nicht kauft, dann kauft es eben jemand anderes. So einfach ist das. Im Zweifelsfall kaufen es die USA und verkaufen es als Zwischenhändler mit einem entsprechenden Aufschlag an Deutschland weiter. Ich habe bereits 2021 geschrieben, dass Deutschland immer russisches Gas beziehen wird ‒ die Frage ist lediglich, zu welchem Preis. Dabei habe ich genau dieses Szenario beschrieben: Die USA kaufen in Russland und verkaufen nach Deutschland. Märkte funktionieren nicht nach deutschen Moralvorstellungen. Darüber kann man sich in den sozialen Milieus der Grünen empören ‒ ändern kann man es nicht.
Ändern kann man auch nicht, dass die Energiemärkte jeden Tag genau das fördern, was die Welt an Energie braucht. Will Deutschland einen anderen Anbieter als Russland, dann muss der andere Anbieter erst entsprechende Quellen technisch erschließen, um liefern zu können. Der Energiemarkt produziert nicht auf Halde. Der Energieminister von Katar hat Wirtschaftsminister Habeck diesen Zusammenhang auch erklärt, aber Habeck ist Deutscher und weiß es selbstverständlich besser.
Der Effekt ist unter anderem, dass Frankreich und Spanien mehr LNG-Gas aus Russland kaufen. In Deutschland ist man entrüstet. Das Gas wird ins europäische Gasnetz eingespeist und produziert so auch in Deutschland Wärme und Strom. Darüber will man natürlich nicht sprechen. Fakt ist: Die Versuche, sich von russischem Gas loszusagen, müssen scheitern, weil der Gasmarkt dies systemisch gar nicht vorsieht. Es gibt diese Möglichkeit schlicht und ergreifend nicht. Das, was es gibt und wovon in Deutschland auch reichlich Gebrauch gemacht wird, ist Augenwischerei. Die deutsche Politik tut so, als hätten die Regeln und Wirkmechanismen, die für alle gelten, für Deutschland keine Gültigkeit. Das ist der große Betrug der deutschen Politik am Verbraucher, denn der muss den Gesichtswahrungs-Zuschlag aus eigener Tasche bezahlen.
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