Meinung

Waltz' Missgeschick sorgt für Hauen und Stechen in Trumps Gefolgschaft

Die – versehentliche? – Einladung eines von US-Präsident Trump verachteten Journalisten in einen geheimen Chatroom verschärft die traditionellen Spannungen zwischen den Vertretern der Außen- und der Sicherheitspolitik der USA. Hinzu kommt, dass auch die Gräben zwischen Falken und Tauben immer tiefer werden.
Waltz' Missgeschick sorgt für Hauen und Stechen in Trumps GefolgschaftQuelle: Gettyimages.ru © Win McNamee/Getty Images

Von Walentin Bogdanow

Zwei Monate währten die "Flitterwochen" zwischen den Außenpolitik- und Sicherheitsteams von Donald Trump. Vielleicht hätten diese sogar noch länger gedauert (denn die in Einzelteile zerlegten US-Demokraten sind zu nichts mehr imstande), aber den Gegnern der frisch Vermählten kam ein Missgeschick zu Hilfe. Der erfahrene und abgebrühte Chefredakteur von The Atlantic, Jeffrey Goldberg, konnte ihnen zwei empfindliche Schläge verpassen. Zum einen, als er von Mike Waltz, dem Nationalen Sicherheitsberater, versehentlich in einen geheimen Chatroom eingeladen wurde. Und dann, als er die aussagekräftigsten Screenshots aus diesem Chat als "Kontrollschuss" veröffentlichte.

Es hatte keinen Sinn, es zu leugnen, denn jede Ausrede von Trump, Waltz oder US-Verteidigungsminister Hegseth (er war derjenige, der in besagtem Chat des Messengerdienstes Signal detailliert darlegte, wie sich F-18-Kampfjets auf einen Angriff auf die Huthi im Jemen vorbereiteten) hätte wie eine Falle gewirkt. Schließlich wurden sie von den Wählern gewählt, um die endlosen Lügen und Orwell'schen Aussagen des US-Präsidenten Biden – der Krieg sei der Frieden und so weiter und so fort – endlich hinter sich zu lassen. Für die US-Demokraten hätte das Ganze nicht besser laufen können.

Die Erzählungen der Pressesprecherin des Weißen Hauses Levitt, Goldberg sei ein unehrlicher Mann (er pflege Beziehungen zur Clinton-Familie über seine Frau Pamela, die für sie gearbeitet habe, und habe zu "Russiagate" und dann zu Trumps erstem Amtsenthebungsverfahren beigetragen), werden durch eine einfache Tatsache zunichte gemacht: Nicht der von Trump bereits kritisierte Signal-Messenger versagte, sondern sein Vertrauter Waltz. Denn es ist dessen Kontaktliste (was den US-Präsidenten besonders verärgerte) in der der vom Herrscher des Weißen Hauses gehasste Chefredakteur von The Atlantic auftauchte.

Stand der US-Außenminister unter Alkoholeinfluss?

CIA-Direktor Ratcliffe und die Direktorin des Nationalen Geheimdienstes Gabbard waren die Ersten, die in die Schusslinie gerieten. Sie waren auf dem Weg zum US-Senat, um über aktuelle Bedrohungen für Amerika zu sprechen, aber als Teilnehmer desselben skandalösen Chats landeten sie schließlich selbst auf der Liste dieser Bedrohungen. Wenn man den US-Demokraten den kleinen Finger gibt, nehmen sie gleich die ganze Hand.

Während der Anhörung des Geheimdienstausschusses wurde ein weiterer Teilnehmer dieses Chatrooms, der US-Sonderbeauftragte Witkoff, begrüßt. Er befand sich zum Zeitpunkt des Chat-Nachrichtenaustauschs in Moskau – die "russische Spur" ist also aufgedeckt. Auf heimtückische Weise erinnerten die Senatoren auch an die Alkoholsucht des US-Verteidigungsministers, die bei seiner Ernennung diskutiert wurde. "Stand Pete Hegseth eigentlich nicht unter Alkoholeinfluss?", fragte ein US-Senator schmunzelnd.

All dies ist natürlich politisches Gezänk ohne klares Ergebnis. Trump stellte bereits klar, dass es keine Rücktritte geben werde. Da die US-Demokraten nicht über eine Mehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses verfügen, können sie nichts gegen Trumps Verbündete unternehmen. Klageandrohungen von liberalen Menschenrechtsaktivisten richten sich in erster Linie an Fernsehzuschauer und Radiohörer. Das Hauptproblem liegt jedoch woanders.

"Europäische Schmarotzer"

Aus dem Chat-Nachrichtenaustausch und den Reaktionen darauf lässt sich eine wichtige Schlussfolgerung ziehen. Wie so oft bei republikanischen US-Regierungen sind sich Trumps außen- und sicherheitspolitische Blöcke in ihren Standpunkten nicht so einig, wie es scheint. In einem von The Atlantic veröffentlichten Chat-Screenshot ist zu lesen, dass Vance die Notwendigkeit von Angriffen gegen die Huthi anzweifelt und mit Waltz darüber streitet. Er und Rubio sind Falken. Gabbard, Ratcliffe und Hegseth sind Tauben. Beide Teams greifen sich schon gegenseitig an. So wurde Waltz bereits für Goldbergs Auftauchen in der Chatgruppe verantwortlich gemacht: Dieser sei nicht zufällig in der Chatgruppe aufgetaucht, sondern weil er vor langer Zeit Informationen zugespielt bekommen habe. Hegseth hingegen wurde der Vorwurf gemacht, er habe die geheimen Informationen veröffentlicht. Was beide Seiten eint, ist eine wenig schmeichelhafte Einschätzung der Alten Welt. "Europäische Schmarotzer" – diese harte Definition findet sich in dem offengelegten Chat-Nachrichtenaustausch.

Gleichzeitig verschärfen sich die Widersprüche zwischen Falken und Tauben. Dies war bereits während der ersten Amtszeit von US-Präsident Trump der Fall. Unter US-Präsident Bush Jr. gab es auch Konflikte zwischen Colin Powell und Donald Rumsfeld. Die einzige Ausnahme war Henry Kissinger, der sich selbst als den einzigen US-Außenminister bezeichnete, der mit dem Nationalen Sicherheitsberater zurechtkam – schließlich bekleidete er beide Ämter gleichzeitig.

Übersetzt aus dem Russischen.

Walentin Bogdanow ist Leiter des Büros der russischen Mediaholding WGTRK in New York. Diesen Kommentar verfasste er exklusiv für RT.

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