Meinung

"Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" – Duda will US-Atomwaffen in Polen

Mit Polen gibt es geradezu keine tiefen Mysterien zu enthüllen. Die gesamte Staatsräson fußt auf purer Furcht vor Moskau. Nun will der bald entlassene Staatspräsident noch schnell sagen, dass ein US-Atomarsenal auf polnischem Boden genau das Richtige wäre.
"Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" – Duda will US-Atomwaffen in PolenQuelle: www.globallookpress.com © Annabele Gordon

Von Elem Chintsky

Wer erinnert sich noch an das mitgeschnittene Gespräch Andrzej Dudas mit Emmanuel Macron? Zumindest dachte Duda, Amtskollege Macron sei am anderen Ende der Leitung gewesen – dabei waren es die Medien-Formwandler Wowan und Lexus, die dem polnischen Präsidenten einige Aussagen entlocken konnten, die damals tatsächlich für etwas Ruhe im Eskalationsklima sorgen konnten. Duda damals wortwörtlich: "Glauben Sie mir, ich bin sehr vorsichtig, ich beschuldige die Russen nicht. Emmanuel, dies ist ein Krieg. Ich denke, beide Seiten werden einander die Schuld für diesen Krieg geben." Außerdem beteuerte er, dass Polen keinen Krieg mit Russland wolle. Da neigte sich aber die zweite Amtszeit Dudas noch nicht dem Ende zu. Das Gespräch liegt zweieinhalb Jahre zurück.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Duda zu dem Zeitpunkt, an dem er irgendwann doch RT ein Interview erteilen wird, nicht mehr im Amt sein, weshalb man erst einmal mit dem jüngsten Interview der BBC vorliebnehmen sollte

Man kann nicht gerade behaupten, dass Duda mit irgendeiner seiner neuesten Aussagen gegenüber der britischen Öffentlichkeit groß überraschte. So behauptete er, dass "das heutige Russland mindestens so aggressiv" sei wie die frühere Sowjetunion. Demnach steht in den Augen des polnischen Staatsoberhauptes die gegenwärtige Russische Föderation der Sowjetunion in nichts nach. Dies ist nur eines der vielen, üblichen, vorwurfsvollen Stichworte aus dem Handbuch für den polnischen Umgang mit Russland nach 1989.

Indem Duda dem BBC-Redakteur außerdem vorhersehbar erklärt, dass Moskau von "imperialer Gier" getrieben wird, bestätigt er einen typischen Mangel an Fingerspitzengefühl beim Unterscheiden historisch spezifischer, außenpolitischer Direktiven eines Russlands unter Zar Nikolai II., den frühen Bolschewiki, unter Josef Stalin oder Nikita Chruschtschow. Aus polnischer Perspektive ist dies alles ein vermeintlich totalitärer Einheitsbrei – außer vielleicht die beiden Amtsperioden von Boris Jelzin, während derer man dankbar von der NATO eingesogen wurde. Dass das heutige Russland keine Ansprüche auf Einverleibung russophober Länder hegt und viel eher auf den Aufbau gleichberechtigter Partnerschaften mit Nationen und Völkern setzt, die ähnliche Werte vertreten, sehen die polnischen Eliten als ein hinterlistiges Ablenkungsmanöver des slawischen Konkurrenten im Osten, das Weltherrschaftsambitionen verschleiern soll.

Jedenfalls erläutert Präsident Duda im Gespräch mit dem britischen öffentlich-rechtlichen Sender, dass eine potenzielle Stationierung von US-Atomwaffen in der Republik Polen eine "defensive und abschreckende Maßnahme" wäre. Es gehe noch auf die Entscheidung von Präsident Wladimir Putin aus dem Jahr 2023 zurück, als russische taktische Atomwaffen nach Weißrussland umverlegt wurden. Hier wird man der alles konsumierenden Sturheit der Polen nicht gerecht, denn auch die ganze NATO-Osterweiterung der 1990er- und 2000er-Jahre – sowie die NATO-Bombardierung Serbiens 1999 – werden sie als vollkommen defensiv verstehen und jegliche ignorierten russischen Sicherheitsbedürfnisse (und den damals klar damit geäußerten Protest, sogar noch unter Jelzin) als absurd und unbegründet abtun. Dass Polen als radioaktiver Krater im Herzen Europas enden könnte, geht an Dudas Denkprozess vorbei.

Die BBC erinnert außerdem daran, dass Polens Ministerpräsident Donald Tusk vor einer "tiefgreifenden Veränderung der US-amerikanischen Geopolitik" warnte, die sowohl Warschau als auch Kiew in eine "objektiv schwierigere Lage" bringe. Obwohl Polen bereits das NATO-Mitglied ist, das mit seinen fünf Prozent des BIP am meisten für Aufrüstung und Verteidigung ausgibt, betonte Tusk, dass eine weitere Erhöhung der polnischen Verteidigungsausgaben nötig sei und Polen "Möglichkeiten im Zusammenhang mit Atomwaffen" berücksichtigen sollte. Demnach bestätigt sich hier mit Tusk und Duda – Politiker aus jeweils zwei angeblich verfeindeten Volksparteien – ein parteiübergreifendes Prinzip, das dem Land nur einen einzigen Weg nach vorne ebnet.

Was die derzeitigen Verhandlungen zwischen Moskau und Washington und die damit verbundene hysterische Ungewissheit, auch Empörung im kollektiven Westen anbelangt, so klingt Duda wie eine kaputte Schallplatte. Er beteuert bei dieser jüngsten Gelegenheit mit blinder Gewissheit, dass Trump einen Plan hat, der "die russische Seite zu einem vernünftigen Handeln bewegen" werde.

Selbst einer der wichtigsten polnischen Politiker innerhalb der rechtskonservativen, monarchistischen Partei Konfederacja, Grzegorz Braun, ist dafür, dass Polen über ein Atomwaffenarsenal verfügten müsse – und zwar ein eigenes, nicht unbedingt US-amerikanisches oder französisches, da er mit seiner Partei der NATO und EU gegenüber ausgesprochen skeptisch gegenübersteht. Das stellt eher einen schwachen Trost für den Kreml dar. Denn aus Sicht der Russen würde eine solche Maßnahme – egal ob autonom von Polen umgesetzt oder mit direkter Hilfe einer der westlichen Atomnationen – innerhalb Osteuropas sicherheitspolitisch und geostrategisch eine totale Eskalation bedeuten.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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