
Der Preis der Kompromisslosigkeit – EU verliert an allen Fronten

Von Gert Ewen Ungar
Gegen Russland helfe nur Abschreckung, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute im Europaparlament. Sie will die Militarisierung der EU. Nahezu zeitgleich trifft eine US-Delegation in der saudischen Hafenstadt Dschidda ein, um die Ukraine zu einer Verhandlungslösung im Krieg mit Russland zu drängen. Damit ist die geopolitische Spreizung des transatlantischen Bündnisses im Kern umrissen. Der Wind hat sich gedreht, er weht der EU direkt ins Gesicht.
Die Brüsseler Betonköpfe mit den entsprechenden Frisuren bleiben dennoch der Logik der Gewalt und des Krieges verpflichtet. Mit immer mehr Militär und immer höheren Rüstungsausgaben sollen Probleme gelöst werden, die nur diplomatisch gelöst werden können. In Brüssel und in zahlreichen westeuropäischen Hauptstädten fehlt die Einsicht und der Wille zum Frieden.
Mit ihrer Starrköpfigkeit schadet sich die EU massiv und riskiert ihre Zukunft. Durch ihre Haltung zum Ukraine-Konflikt treibt sie sich selbst in die Isolation. Denn Fakt ist, der Ukraine-Krieg ist für den Westen verloren. Russland konnte sich durchsetzen und seine Ziele erreichen. Die Ukraine wird nicht der NATO beitreten, der Schutz der russischsprachigen Bevölkerung wird durch Gebietsabspaltung geregelt, die Ukraine wird entmilitarisiert. Die EU verliert diesen Krieg – militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich.

Man hätte es anders haben können, aber an einer Umsetzung von Minsk 2 und dem damit verbundenen Erhalt der territorialen Integrität der Ukraine bestand seitens Westeuropas kein Interesse. Die EU fühlte sich machtvoll, und hat sich gründlich verrechnet. In Brüssel ist diese Erkenntnis jedoch noch nicht durchgesickert. Dort glaubt man, mit viel Geld und dem Aufbau einer gigantischen Rüstungsindustrie ließe sich das Ruder noch herumreißen. Faktisch ist es dafür längst zu spät. Alles, was die Europäische Union jetzt plant, wird – wenn überhaupt – erst in einigen Jahren umgesetzt. Die Welt sieht dann aber ganz anders aus. Die Chance auf eine Mitgestaltung dieser künftigen Welt verspielt die EU jedoch in diesen Tagen. Von der Leyen hat heute im EU-Parlament deutlich gemacht, dass die Europäische Union für das ewige Gestern steht. Das Morgen gestalten andere.
Die USA haben die Zeichen der Zeit verstanden. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump bemühen sie sich um Schadensbegrenzung, während die EU an ihren Kriegszielen festhält, die schon immer illusorisch waren: Brüssel will die strategische Niederlage Russlands. Weil die sich aber partout nicht einstellen will, muss nun aufgerüstet werden. Zum einen, um den Krieg in der Ukraine am Laufen zu halten, zum anderen für den wahrscheinlichen Fall, dass die Ukraine zur Kapitulation gezwungen wird.
Dann nämlich – so lautet die Brüsseler Mär – wird Russland die Staaten der EU angreifen. Auf die Frage, warum Russland das tun sollte, antwortet unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Küchen-Psychologie: weil Wladimir Putin die Demokratie hasst, behauptet sie. Zudem ließe sich mit Putin nicht verhandeln, lautet ein weiteres Brüsseler Credo. Der verstehe nur die Sprache der Macht, wird man in Brüssel und zahlreichen europäischen Hauptstädten nicht müde zu wiederholen. Dabei redet gerade in diesen Tagen alle Welt mit Russland, nur eben die EU nicht. Die Diplomatie ist zurück, die Europäische Union nimmt daran nicht teil. Mit dem Festhalten an ihren bizarren Erzählungen, die der Begründung dienen sollen, warum Westeuropa Gespräche mit Russland ablehnt, macht sich die EU selbst zur Verliererin der Entwicklung. Sie verkennt die Zeichen der Zeit.
Die USA sagen klar, dass der Europäischen Union die Aufgabe des Wiederaufbaus der Ukraine zukommt. Aus Washington ist kein Cent zu erwarten. Die Ukraine liegt wirtschaftlich am Boden. Lebten 1994 noch rund 52 Millionen Menschen in der Ukraine, waren es 2023 37,7 Millionen. Die Energieinfrastruktur ist zerstört, die Wirtschaft brach 2022 um rund 30 Prozent ein.
Der Wiederaufbau der Ukraine kostet hunderte Milliarden, die von der EU aufzubringen sein werden. Geld, dass sie gleichzeitig wegen einer herbeiphantasierten russischen Bedrohung für Rüstung ausgeben will. Das kann nicht funktionieren. Der Europäischen Union fehlt nicht nur ein Konzept, sondern das grundlegende Verständnis für Zusammenhänge.
Russland und die USA verständigen sich. Sie sind zur Kooperation bereit, um eine künftige Friedensordnung für Europa festzulegen. Die EU wird bisher noch nicht einmal gefragt. Das ist angesichts des trotzigen Verhaltens der Brüsseler Technokraten mehr als verständlich, denn außer der zweifellos vorhandenen Kompetenz in Säbelrasseln und martialischer Rhetorik fehlt Brüssel jegliche Begabung zur Diplomatie. Damit verspielt die EU ihre eigene Zukunft.
Eigentlich ist jetzt die Zeit für diplomatische Initiativen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, sich an Moskau zu wenden und zumindest rhetorisch abzurüsten, wenn man die Absicht hat, die Geschicke Europas mitzugestalten. Doch genau das passiert nicht. Ob die EU aber die Folgen ihres diplomatischen Versagens übersteht, ist zu bezweifeln. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie unter der Last eines verlorenen Krieges auseinanderbricht. Verschuldet hätte sie ihren Untergang allerdings ganz alleine. Ihr Untergang wäre eine Art der natürlichen Auslese, die der Unfähigkeit der Europäischen Union zur Anpassung an eine neue politische Umgebung geschuldet ist.
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