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In Washington strebt man an, Selenskij von Macron und Starmer zu distanzieren

Die Staatsführer Frankreichs und Großbritanniens wollen Trump gemeinsam mit Selenskij einen neuen Plan zur Beilegung des Ukraine-Konflikts vorlegen. Dieses Vorhaben ist jedoch nicht nur wegen der für Russland inakzeptablen Bestimmungen ins Stocken geraten, sondern auch wegen der Neigung Washingtons, ohne die Beteiligung von Macron und Starmer darüber zu verhandeln.
In Washington strebt man an, Selenskij von Macron und Starmer zu distanzierenQuelle: www.globallookpress.com © Pool

Von Andrej Rezchikow

Die Pläne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, des britischen Premierministers Keir Starmer und von Wladimir Selenskij, zu Gesprächen mit US-Präsident Donald Trump nach Washington zu reisen, wurden am Mittwoch vom Élysée-Palast zunächst bestätigt und dann dementiert.

Der britischen Zeitung Daily Mail zufolge sollten sie Trump bei ihrem Besuch nächste Woche einen neuen Vorschlag zur Lösung der Ukraine-Krise präsentieren. Der Besuch selbst könnte inmitten der Bemühungen um eine Wiederherstellung der Beziehungen zwischen der Ukraine und den USA nach der skandalösen Kontroverse zwischen Selenskij und Trump im Weißen Haus und der Aussetzung der US-Militärhilfe für die ukrainischen Streitkräfte stattfinden.

Die Einzelheiten dieses Plans sind nicht bekannt. Den Quellen der Zeitung zufolge handelt es sich bei der Initiative jedoch im Wesentlichen um einen einmonatigen Teil-Waffenstillstand. Macron und Starmer schlagen vor, alle Luft- und Seeangriffe sowie die Angriffe auf die Energieinfrastruktur einzustellen. In erster Linie geht es also darum, den Beschuss des ukrainischen Territoriums durch russische Marschflugkörper, Drohnen und Lenkbomben zu beenden.

In einem Interview mit Le Figaro sagte Macron, der Waffenstillstand werde vorerst nicht auf Bodenoperationen ausgedehnt, da es "sehr schwierig" sei, die Einhaltung des Waffenstillstands an der Frontlinie zu kontrollieren – die Frontausdehnung entspreche der Entfernung zwischen Paris und Budapest.

In der nächsten Planphase ist die Entsendung eines europäischen Kontingents in die Ukraine vorgesehen, aber dieser Schritt soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. "In den kommenden Wochen wird es keine europäischen Truppen auf ukrainischem Territorium geben. Die Frage ist nun, wie wir diese Zeit nutzen, um einen tragfähigen Waffenstillstand zu erreichen, dessen Aushandlung mehrere Wochen dauern wird", erklärte Macron.

Starmer zufolge würden Großbritannien und Frankreich einen eigenen Plan für den Waffenstillstand vorschlagen, der mit der Ukraine und "möglicherweise einem oder zwei anderen Ländern" ausgearbeitet werde. Dem britischen Premierminister geht es darum, der Ukraine eine starke Verhandlungsposition zu verschaffen, das "europäische Element der Sicherheitsgarantien" zu erörtern und dabei Trumps Unterstützung zu gewinnen.

Bis jetzt brachte Selenskij nur sein Bedauern über den Vorfall während seines Treffens mit Trump im Oval Office zum Ausdruck, ohne sich jedoch zu entschuldigen. Im Sozialnetzwerk X (ehemals Twitter, das in Russland blockiert ist) schrieb Selenskij: "Unser Treffen in Washington im Weißen Haus am Freitag ist nicht so verlaufen wie geplant. Es ist sehr bedauerlich, dass es so gekommen ist. Es ist an der Zeit, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen."

Gleichzeitig bekundete Selenskij seine Bereitschaft, sich unter Trumps "starker Führung" für den Frieden einzusetzen und dankte den USA für ihre Hilfestellung. Er erwähnte zudem eine Waffenruheoption, ähnlich wie sie zuvor von Macron und anderen französischen Quellen angesprochen wurde.

Nach Ansicht von Experten enthält der Plan von Macron und Starmer Punkte, die für Russland inakzeptabel sind. Der Plan selbst sieht wie ein Versuch aus, den Friedensprozess zu verzögern und Russland dafür verantwortlich zu machen. Andererseits scheint das Weiße Haus die diplomatischen Absichten von London und Paris durchschaut zu haben und versucht daher, das Trio Macron-Starmer-Selenskij zu "zerlegen", um mit Letzterem unter vier Augen verhandeln zu können.

Darauf deuten nicht nur die widersprüchlichen Bestätigungen und Dementis zum Besuch des Trios in Washington hin, sondern auch die Äußerungen des Nationalen Sicherheitsberaters des US-Präsidenten, Mike Waltz, wonach das Weiße Haus mit der Ukraine über Datum, Ort und Zusammensetzung der Teams für die Beteiligung an den Friedensgesprächen berät.

"Es würde mich nicht überraschen, wenn US-Präsident Donald Trump den britischen Premierminister Keir Starmer, den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Wladimir Selenskij nicht einmal mit dem 'Stück Papier', das sie als Plan zur Ukraine-Konfliktbeilegung bezeichnen, ins Weiße Haus einlässt", sagt Wadim Truchatschow, außerordentlicher Professor an der Fakultät für internationale Beziehungen und ausländische Regionalstudien an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften.

"Erstens hat sich Selenskij in seinen Augen sehr schlecht benommen und einen großen Fehler gemacht. Macron wird von Trump nicht als Vollblutpolitiker angesehen. Vor allem die Popularität des französischen Präsidenten im eigenen Land tendiert gegen Null. Starmers Beliebtheitswerte liegen unter aller Sau, und es scheint, als wären sie nie darüber hinaus gestiegen", ironisiert der Experte.

"Was den Waffenstillstandsplan anbelangt, so werden lediglich einzelne Maßnahmen vorgeschlagen: ein Waffenstillstand am Himmel und auf See sowie die Freilassung von Gefangenen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Washington dies isoliert von der Schaffung eines neuen gemeinsamen Sicherheitskonzepts in Europa betrachten wird", so der Gesprächspartner weiter.

"Außerdem enthält der Plan nicht einmal einen Hinweis auf die Beseitigung der Grundursachen der Ukraine-Krise. Das Weiße Haus ist sich dessen sehr wohl bewusst und sieht daher keinen Sinn darin, mit diesem Trio zu verhandeln", so der Analytiker.

Aus militärischer Sicht wollen Paris und London das ukrainische Hinterland vor Langstreckenangriffen schützen und einen Monat Zeit gewinnen, um die Gebiete in der Zentral- und Westukraine zur Schaffung von Infrastrukturen für den Einsatz des europäischen Kontingents zu nutzen.

"Heute stellt jede militärische Einrichtung auf ukrainischem Territorium – sollte sie enttarnt werden – ein Ziel für russische Raketen und Lenkbomben dar. Aufgrund der Aussetzung der US-Militärlieferungen an die Ukraine besteht ein Bedarf an Waffen, die das Land selbst herstellen könnte. Seit Langem gibt es Pläne, eine Waffenfabrik zur Herstellung von HIMARS-Munition zu errichten", sagt der Militärexperte Wadim Kosjulin, Leiter des Zentrums des Instituts für aktuelle internationale Probleme an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums.

Dem Gesprächspartner zufolge sind Langstreckenwaffen eines der wichtigsten Elemente der russischen Schlagkraft, während die Ukraine mit ihren Angriffen viel weniger Schaden anrichtet. "Die Ukraine hat Drohnen mit großer Reichweite. Aber nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben wir bereits ein solches Luftabwehrsystem entwickelt, das einen großen Teil der von ukrainischem Territorium aus gestarteten Drohnen abschießt, darunter auch Flugzeugdrohnen", erklärt Kosjulin.

Er sagt, dass Russland Langstreckenwaffen für Angriffe auf ukrainische Energieanlagen einsetze, was die ukrainischen Streitkräfte vor große Probleme stelle. "Luftabwehrsysteme sind sehr energieaufwendig. Die Rüstungsindustrie verbraucht ebenfalls eine Menge Strom. Daher verursachen die russischen Langstreckenangriffe Schwierigkeiten für die gegnerische Verteidigungsindustrie", so der Gesprächspartner.

Laut dem Experten seien alle Punkte in Macrons und Starmers Friedensplan gegen Russland ausgerichtet. "Sie bieten auch einen Kriegsgefangenenaustausch nach dem Prinzip 'alle gegen alle' an, aber es ist klar, dass wir ein Vielfaches an ukrainischen Gefangenen haben. Daher sind alle diese Punkte für unser Land inakzeptabel", so Kosjulin.

Dem Gesprächspartner zufolge zielt der Friedensplan von Macron und Starmer offenbar darauf ab, die Position Russlands zum Haupthindernis auf dem Weg zum Frieden zu machen und damit Selenskij diplomatisch abzusichern.

"Das ist ein diplomatisches Spiel. Anfangs wählte Selenskij die falsche Strategie und favorisierte die Fortsetzung des Konflikts, was Trump überhaupt nicht passte. Nun versuchen Frankreich und Großbritannien, auf Trumps Plan Einfluss zu nehmen und die Schuld für die Fortsetzung des Konflikts Russland zuzuschieben. Zu diesem Zweck schlagen sie Initiativen vor, die für Russland völlig inakzeptabel sind", meint Kosjulin.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. März 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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