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Ursula von der Leyen wird es nicht gelingen, aus der EU ein Viertes Reich zu machen

Ursula von der Leyen gehört zu den wenigen westlichen Führungspersönlichkeiten, die nach drei Jahren der Konfrontation mit Russland nicht nur ihren Posten behalten, sondern auch ihre persönliche Macht konsolidieren konnten. Medienberichten zufolge will sie ihre Macht jedoch noch weiter ausbauen. Kann das gelingen?
Ursula von der Leyen wird es nicht gelingen, aus der EU ein Viertes Reich zu machenQuelle: Gettyimages.ru © Omar Havana/Getty Images

Von Geworg Mirsajan

"Ursula von der Leyen wird in ihrer zweiten Amtszeit als EU-Kommissionschefin die Zentralisierung der EU-Exekutivmacht weiter vorantreiben", schreibt die einflussreiche Zeitschrift Politico. Demnach gehe es ihr vor allem darum, ihre persönliche Macht zu stärken, insbesondere was die Zensur betrifft.

So erhielten die EU-Beamten am Tag der Inauguration des neuen US-Präsidenten Donald Trump eine strikte Anweisung, auf ihren Social-Media-Accounts den Beitrag der EU-Kommissionschefin zu posten, aber auf keinen Fall etwas Eigenes hinzuzufügen.

Die Aufsicht und Kontrolle wurden zu einem Charakteristikum der Amtszeit von Ursula von der Leyen, die versucht, die EU in ein präsidiales Regierungsmodell zu transformieren. Das bedeutet, dass die Europäische Kommission das Europäische Parlament und andere repräsentative Institutionen der EU ins Abseits stellt, ganz zu schweigen von den nationalen Regierungen, deren Souveränität durch die Zentralisierung noch mehr eingeschränkt wird.

Dies scheint ein Schritt in die richtige Richtung zu sein und dem Grundsatz "Entwickle dich oder stirb" voll und ganz zu entsprechen. Schließlich kann die EU in ihrem derzeitigen Zustand nicht effektiv funktionieren.

"Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet ist die EU eine ziemlich beeindruckende Kraft, aber gleichzeitig keine vollwertige Partei im Rahmen der internationalen Beziehungen", erklärt Alexei Naumov, Experte beim Russischen Rat für Internationale Angelegenheiten. "Sie ist ein Zusammenschluss von Staaten mit unterschiedlichen Machtzentren, politischen Ordnungen und Wahlsystemen. In einer Situation, in der von der EU mehr Unabhängigkeit in außenpolitischen Fragen verlangt wird, beobachten wir daher den Versuch einer gewissen Zentralisierung."

Rein formal hat von der Leyen dazu kein Mandat. Die Bevölkerung der EU-Länder hat sie nicht zur gesamteuropäischen Präsidentin gewählt und ihr sicherlich nicht die Befugnis übertragen, die Souveränität ihrer Länder zugunsten der supranationalen Europäischen Kommission einzuschränken.

Wenn schon nicht die Legitimität, so wird doch eine gewisse Legalität ihres Handelns von den globalistischen Kreisen gewährleistet, die die Schwäche der EU erkennen und sich darüber im Klaren sind, dass sie im Rahmen der neuen politischen Realitäten nur überleben können, wenn sie sich zusammenschließen.

Eine vereinte und starke Europäische Union wird in der Lage sein, dem Druck der USA zu widerstehen. Dieser Aspekt ist nicht nur jetzt – unter Trumps Präsidentschaft – relevant, sondern war auch am Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine von großer Bedeutung, als Amerika erfolgreich den "Entfettungsprozess" Europas einleitete.

"Die Amerikaner zerstören Europa schon seit drei Jahren, und das gefällt den Europäern natürlich nicht. Sie wollen nicht, dass Europa 'aufgefressen' wird", sagt Dmitri Ofizerow-Belski, leitender Forscher am Primakow-Forschungsinstitut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Es gibt jedoch mindestens zwei ernsthafte Hindernisse, die einer Transformation der EU in ein präsidentielles System entgegenstehen.

Erstens verengt sich das Fenster der Gelegenheiten in raschem Tempo.

"Solange die Mainstream-Parteien in den europäischen Ländern an der Macht sind, gibt es kaum Widerstand gegen Zentralisierungsversuche", sagt Alexei Naumow. "Allerdings gewinnen derzeit die rechtsgerichteten Parteien, die sogenannten 'Euroskeptiker', zunehmend an Einfluss in der EU. Sie sind unzufrieden damit, dass ihre Länder von einigen wenigen Brüsseler Beamten regiert werden, die nicht in der Lage sind, Wirtschaftswachstum sowie eine erfolgreiche Außen- und eine berechenbare Innenpolitik zu gewährleisten."

Auch wenn Euroskeptiker derzeit nur in Ungarn und teilweise in der Slowakei an der Macht sind, machen sie Ursula von der Leyen schon jetzt zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Migrationsprobleme, der Wirtschaftskrise und der Machtübernahme durch Trump wirkt sich der politische Trend zugunsten der Euroskeptiker aus. Daher werden Versuche, die EU zu zentralisieren, mittelfristig auf zunehmenden Widerstand stoßen.

Nach der Logik von der Leyens sollte die EU daher jetzt reformiert werden, bevor die Euroskeptiker noch stärker werden und den Reformprozess blockieren.

Zweitens: Washington tritt gegen eine solche Zentralisierung auf.

Als US-Vizepräsident J.D. Vance in München die europäische Demokratie kritisierte, richteten sich seine Worte unmittelbar an von der Leyen und die von ihr geleitete Europäische Kommission. In den Augen der Trumpisten ist dies nicht nur eine "Brutstätte" für ultraliberalen Unfug, sondern auch ein potenzielles Widerstandszentrum gegen die amerikanischen Versuche, Europa noch stärker zu "entfetten".

Für Donald Trump besteht das Idealmodell der amerikanisch-europäischen Beziehungen in bilateralen Kontakten zwischen den USA und einzelnen europäischen Staaten, die Amerika dank seiner vollständigen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Überlegenheit unterdrücken kann. Washington braucht kein Europa, das geschlossen auftritt.

Dazu müssen die Amerikaner Ursula von der Leyen mit all ihren Ambitionen in die Schranken weisen. Und das ist für die Amerikaner kein großes Problem. Schließlich mangelt es Ursula von der Leyen im Vergleich zu EU-Gründervätern wie Jean Monnet klar an Professionalität.

"Sie war mit Angela Merkel befreundet, und die Kanzlerin hat sie als eine von Berlin aus steuerbare Person an die EU-Spitze gesetzt", sagt Dmitri Ofizerow-Belski.

Hinzu kommen die Reputationsprobleme von Frau von der Leyen. "Wie viele andere europäische Politiker wurde sie von den Amerikanern in korrupte Geschäfte verwickelt und ist nun in den Fängen der Amerikaner. Man denke nur an die Pfizer-Impfstoffgeschichte gegen COVID-19", erinnert der Gesprächspartner.

Wenn Washington eine Anti-Korruptionsermittlung einleitet, kommt schnell ans Licht, wie viel die Chefin der Europäischen Kommission an der COVID-19-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und "grünen" Energieprojekten mitverdiente.

Gleichzeitig wird sich der Skandal um von der Leyen unweigerlich auf das Schicksal der gesamten Europäischen Union auswirken – für die einen wird er ein Schock sein, für die anderen – die Euroskeptiker – ein Popularitätsschub. "Die Europäer haben jahrelang den Anschein erweckt, dass es bei ihnen keine Korruption und keine Neigung zur Gewalt gibt und dass der Holocaust eine Verirrung der plötzlich verrückt gewordenen Deutschen war", erinnert Dmitri Ofizerow-Belski.

Angesichts all dieser Schwächen und Risiken besteht von der Leyens Aufgabe nicht darin, ihre Macht zu stärken, sondern sie zumindest aufrechtzuerhalten.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 24. Februar 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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