Meinung

Die Jagd auf den "Kriegsdienstverweigerer" Trump

Donald Trump schwankt, ob die USA unter seiner Führung vom Zug des Ukraine-Krieges abspringen sollten. In Europa sind viele darüber derart in Panik, dass sie den US-Staatschef beinahe so jagen wie ukrainische Wehramtsmitarbeiter ihre Rekruten in den Straßen.
Die Jagd auf den "Kriegsdienstverweigerer" TrumpQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Chris Kleponis/Pool via

Von Sergei Strokan

Das Weltwirtschaftsforum in Davos, auf dem in alten Zeiten über globalen Handel und Investitionen diskutiert wurde und sogar Wladimir Putin und Xi Jinping sprachen, hat seinen historischen Tiefpunkt erreicht. Es ist zu einer bösen Karikatur seiner selbst geworden. Das einzige Investitionsprojekt, das den westlichen Staats- und Regierungschefs auf dem diesjährigen Forum im Kopf herumschwirrt, ist der Krieg in der Ukraine.

Nachdem eines der ersten von US-Präsident Donald Trump unterzeichneten Dokumente eine Durchführungsverordnung zur 90-tägigen Aussetzung der Hilfsprogramme für andere Länder war, darunter die Ukraine, steht das Bauprojekt für ein riesiges Antirussland vor der Gefahr, dass ihm die Finanzierung gestrichen wird. Die Einsicht in diese plötzliche Realität jagt den diesjährigen Davos-Gästen Furcht und Schrecken ein. Sie versuchen alles, damit ihr Projekt kein Rohbau bleibt, sondern doch noch einen großen Investor, einen zuverlässigen Bauträger hat.

Als Trump gerade anfing, über seinen Mangel an Interesse zu sprechen, unnötig Geld für die Unterstützung Kiews auszugeben, liefen die Führer der europäischen "Partei des Krieges" noch mit erhobenem Haupt umher. Sie wollten klarmachen, dass sie die Ukraine nicht im Stich lassen werden – komme, was wolle. Doch das großmäulige Geschwätz über ein "starkes Europa", das angeblich völlig autark sei und notfalls auch ohne den in tiefer "Pflichtleugnung" versunkenen Trump die Last der Ausgaben für die Ukraine tragen könne, endete rasch. Die diesjährige Diskussion in Davos hat gezeigt, dass das unvollendete antirussische Bauwerk ohne die weitere Beteiligung der USA  schnell auseinanderfallen wird. Es ist offensichtlich, dass Europa dieses Projekt nicht allein bewältigen kann.

Die Erklärung von NATO-Generalsekretär Mark Rutte bei seinem Besuch in Davos war ein Aufschrei der Verzweiflung: Wenn wir heute keine neuen Milliarden für den Krieg gegen Russland finden, hieß es, werden wir morgen Billionen ausgeben müssen. Wir müssen uns also beeilen – Putin steht vor den Toren, lautete Ruttes an die versammelte Menge gerichtete Angstmache.

Doch was, wenn Trump im Krieg mit Russland weiterhin die Rolle des wichtigsten "Verweigerers" spielt? Denn ihm droht ja keine "Bussifizierung": Europäische Junior- und Senior-Zwerge sind schließlich keine ukrainischen Wehramtsmitarbeiter. Andrzej Duda, Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und die blasse Motte Kaja Kallas, die ihnen zu Hilfe geflogen ist, schaffen es nicht einmal zusammen, Trump zu überfallen, ihn in den sprichwörtlichen Kleinbus zu pferchen und an die Front des antirussischen Stellvertreterkrieges in der Ukraine zu fahren. Und um bei dem Bild zu bleiben: Er kann sie leicht auseinanderschubsen und ihnen die Gliedmaßen brechen.

Die Schlussfolgerung daraus ist: Der einzige Ausweg für die europäische "Kriegspartei" besteht – Gott bewahre – nicht darin, mit Trump aneinanderzugeraten. Sondern man muss versuchen, sein Bewusstsein umzuprogrammieren, ohne dass er es merkt. Und dem Geschäftsmann Trump die Idee einflößen, dass die Ukraine keineswegs ein unvollendetes, illiquides Projekt sei, das kein Interesse der USA bediene – sondern ein vielversprechendes Projekt, das zur Umsetzung der Strategie "Make America Great Again" beitragen könne.

Wie organisiert man das? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten.

Man könnte versuchen, die neue US-Regierung davon zu überzeugen, dass Europa sämtliche Kosten übernehmen wird, wenn die USA sich bereit erklären, im Gegenzug die Ukraine auch weiterhin mit Waffen aus Fertigung ihrer eigenen Rüstungsindustrie zu beliefern. Rutte versprach es ja geradeheraus

"Wenn die neue Trump-Administration bereit ist, die Ukraine weiterhin aus ihrer Rüstungsindustrie zu versorgen, werden die Europäer die Rechnung bezahlen. Davon bin ich absolut überzeugt, dazu müssen wir bereit sein."

In einem solchen Szenario dürfte das "Ukraine"-Projekt für Trump nicht länger unrentabel, sondern in jeder Hinsicht höchst profitabel erscheinen: Er wird den militärisch-industriellen Komplex seines Landes in Aktion setzen und den Staatshaushalt durch die rentabelste "Produktion" auffüllen. Dazu ein weiterer Bonus: Er behält sein Druckmittel gegen Russland.

Generell ausgedrückt: Aus Selenskijs Sicht ist plötzlich ein Hoffnungsschimmer sichtbar, der sich gleichsam als ein Lichtstrahl durch die undurchdringlichen Wolken über Washington nach unten gekämpft hat. Die Ukraine ist auf die Titelseiten der Weltmedien zurückgekehrt, und Kiews Lobby in Europa hat mit der Jagd auf den "Kriegsdienstverweigerer" Trump begonnen, in der Hoffnung, ihn in ihre Falle zu locken.

Übersetzt aus dem Russischen.

Sergei Strokan ist Beobachter für internationale Politik mit 25-jähriger Erfahrung. Heute ist er in dieser Eigenschaft im russischen Verlagshaus Kommersant tätig. Diesen Kommentar verfasste er exklusiv für RT.  

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