Zuckerbergs plötzliches Zensur-"Tauwetter" bedeutet keine Meinungsfreiheit
Von Rachel Marsden
Warum regen sich manche Leute über die Idee auf, dass das kürzlich von Facebook wieder eingeführte Recht, so viele Schimpfwörter zu verwenden, wie man will, das Beste für die Meinungsfreiheit seit der Magna Carta sei?
Nun soll sich der von Facebook geschaffene Schutzraum für leicht erregbare geistige Zwerge plötzlich in einen Leuchtturm der freien Meinungsäußerung und Debatte verwandeln. Allerdings nur für einige. Mehr oder weniger. Diese dürfen nun beispielsweise Transgenderismus als Geisteskrankheit bezeichnen. Alle anderen müssen noch auf die zukünftige potenzielle Befreiung durch den virtuellen Aufseher warten.
Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook und dessen Muttergesellschaft Meta, kündigte kürzlich an, dass die Facebook-Nutzer nicht länger einer Faktenkontrolle unterworfen sein werden – zumindest nicht amerikanische Nutzer und auch nicht durch eigens zu diesem Zweck eingestellte professionelle Faktenchecker. Darüber hinaus sollen die Sprachkontrollen offenbar etwas gelockert werden.
Absolutist der Meinungsfreiheit
"Beginnend in den USA werden wir unser Programm zur Faktenüberprüfung durch Dritte beenden und zu einem Community-Notes-Modell übergehen", kündigte das Unternehmen an und bezog sich dabei auf das offene Kooperationsmodell von Elon Musks Plattform X. Diese Umstellung erfolgt nach Zuckerbergs Pilgerfahrt nach Mar-a-Lago, wo er sich mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump – der bis letzten Sommer selbst von Meta verboten und eingeschränkt wurde – und dessen ständigem Kumpel Musk – dem selbst ernannten "Absolutisten der Meinungsfreiheit" – traf.
In einer Erklärung beruft sich Meta auf den "gesellschaftlichen und politischen Druck, Inhalte zu moderieren", und behauptet, er sei "zu weit gekommen". Glauben Sie das? Zuckerberg brauchte bis August 2024, um vor einem Kongressausschuss zuzugeben, dass "im Jahr 2021 hochrangige Beamte der Biden-Administration, einschließlich des Weißen Hauses, unsere Teams monatelang wiederholt unter Druck gesetzt haben, bestimmte COVID-19-Inhalte, einschließlich Humor und Satire, zu zensieren" und dass dies zu "Entscheidungen geführt hat, die wir im Nachhinein und angesichts neuer Informationen heute nicht mehr treffen würden".
Im selben Schreiben erklärt er, das FBI habe sein Team vor den US-Präsidentschaftswahlen 2020 vor einer "russischen Desinformationsoperation" gewarnt, in die die Biden-Familie und das ukrainische Energieunternehmen Burisma – zu dessen Vorstand auch der Sohn von Präsident Joe Biden, Hunter, gehörte – verwickelt gewesen seien. Zuckerberg sagt, er wisse jetzt, dass sich die Geschichte als wahr herausgestellt habe und nicht als russische Fake News, wie das FBI behauptet habe – aber erst nachdem die New York Post es gewagt habe, die offizielle Version zu widerlegen, wonach Facebook durch Zensur der Debatte einen Beihilfebeitrag geleistet habe.
Bis jetzt arbeiten speziell bestellte "Experten" in verschiedenen Ländern mit Meta zusammen, um die Narrativ-Einhaltung zu gewährleisten. In Kanada zum Beispiel veröffentlichte der Partner AFP Fact Check vor Kurzem einen Bericht, in dem es heißt, dass "es keine Beweise dafür gibt, dass Methanhemmer bei Kühen zu menschlichen Gesundheitsproblemen führen". Dies ist eine Anspielung auf eine neue Strategie des westlichen Establishments, die in Kanada und anderswo eingeführt wurde – die Reduzierung der Gasemissionen von Kühen mit einem Futtermittelzusatz namens Bovaer 10 – alles in einem tapferen Versuch, den Planeten vor dem Klimawandel zu retten.
Regierung hält Pupsunterdrücker für sicher
Einige fragen sich, ob, ob dieser Pupsunterdrücker irgendwie in Milch oder Fleisch gelangen könnte. Laut Faktencheckern hält die Regierung diesen Stoff jedoch für sicher. Die Angelegenheit ist also abgeschlossen. Natürlich nur so lange, bis neue Informationen auftauchen. Aber dazu müssten erst einmal alternative andere Informationen ans Licht kommen – das passiert immer dann, wenn die Öffentlichkeit im Nachhinein erfährt, dass etwas offiziell Genehmigtes in Wirklichkeit fragwürdig war. Aber viel Glück dabei, diese Debatte auf Facebook zu führen, wo man riskiert, etwas zu posten, das am Ende mit einer offiziellen Meldung der Online-Gestapo – die die Website mithilfe von Algorithmen ständig nach falschem Denken durchkämmt – gebrandmarkt wird.
Zumindest in den USA sollte dies genau dort enden, wo es nach den Präsidentschaftswahlen 2016 begann, als US-Demokraten und andere Trump-Gegner in Hysterie ob der Idee verfielen, Russland habe Trump im Alleingang über die sozialen Medien gewählt. Dies führte dazu, dass Medien wie Meta unter Druck gesetzt wurden, die von Establishment-freundlichen "Faktencheckern" als Fake News eingestuften Informationen zu zensieren.
Diese Tendenz zur Zensur führte dann dazu, dass Meta 2018 beschloss, nur noch "vertrauenswürdige" Informationsquellen zuzulassen – ein System, das unter dem Vorwand des Covid-Fiaskos im Jahr 2020 weiter ausgebaut wurde. Nach den Unruhen auf dem Kapitol im Januar 2021 löschte Facebook Trumps Nutzerkonto auf unbestimmte Zeit und begründete dies mit der Notwendigkeit, Gewalt und Desinformation zu verhindern.
Während des jüngsten US-Wahlkampfs im September 2024 verbot Meta weltweit russische Medienkonten wie RT unter dem Vorwand des Vorwurfs der "ausländischen Einmischung" – ein Schritt, der die Chancen der Nutzer auf nicht offizielle oder alternative Ansichten, die den Status quo infrage stellen könnten, deutlich verringert. Bei auf Facebook geposteten RT-Nachrichtenartikeln werden die Nutzer gewarnt, sie mit Vorsicht zu lesen. Bei westlichen Nachrichtenquellen findet ein solcher Aufruf zum kritischen Denken jedoch nicht statt – sie entsprechen stets der "objektiven Wahrheit".
Es gibt noch keine Hinweise darauf, dass irgendjemand außerhalb der USA von Metas digitaler Gedankenpolizei verschont bleiben werden. Oder auch nur darauf, dass Amerikaner weiterhin nicht einer weniger offensichtlichen Zensur von Informationsquellen ausgesetzt sein werden.
Frankreich äußert sich jedenfalls besorgt über die Lockerung der Regeln. "Frankreich bleibt wachsam und setzt sich dafür ein, dass Meta und andere Plattformen ihre Verpflichtungen nach europäischem Recht, insbesondere dem Gesetz über digitale Dienste (DSA), einhalten", heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums. Dabei beruft es sich auf dasselbe europäische Gesetz, aufgrund dessen die EU Musk vor dessen geplantem Online-Interview mit der deutschen rechtspopulistischen Parteichefin Alice Weidel – die derzeit in den Wählerumfragen als Favoritin für das Amt der Bundeskanzlerin gilt – mit 150 bürokratischen Überwachungsmaßnahmen drohte.
"Das Recht auf freie Meinungsäußerung als ein in Frankreich und Europa geschütztes Grundrecht darf nicht mit einem Recht auf Viralität verwechselt werden, das die Verbreitung von nicht authentischen Inhalten an Millionen von Nutzern ohne jegliche Filterung oder Moderation erlauben würde", so die französische Regierung. Ja, aber es würde auch die Verbreitung von Debatten und eine größere Chance für Einträge aller Art bedeuten.
Frankreich mit DSA gegen eigenes Regime?
"Frankreich bekräftigt seine Unterstützung für die Akteure der Zivilgesellschaft weltweit, die sich für die Verteidigung und Stärkung der Demokratien gegen die Manipulation von Informationen und die destabilisierenden Maßnahmen autoritärer Regime einsetzen", so Frankreich. Ist damit vielleicht das französische Regime gemeint? Das Regime, das sich mit einem von Präsident Macron handverlesenen Premierminister – der nicht einmal zur Wahl angetreten ist – an die Regierungshebel klammert und dessen Regierung sowohl die populistische Linkspartei mit den meisten Sitzen als auch die Rechtspartei mit den meisten Stimmen ins Abseits drängte?
Die vom Staat unterstützte Online-Zensur und die Mitwirkung von Big-Tech-Akteuren wie Facebook sind verantwortlich für die wachsende Diskrepanz zwischen der Rhetorik des Establishments und der Realität in der westlichen Welt. Genau das führt zu Regimewechseln in den Wahlkabinen. Es verursacht zudem Schock und Ehrfurcht bei den Insassen der Internetblase, die von der digitalen Informations-Gestapo in einem Zustand der Unwissenheit gehalten werden und nicht verstehen können, wie der Rest der Welt – der nicht ihren digitalen Schutzraum teilt – anders denken oder wählen kann als sie.
Facebook strebt eine Neuausrichtung an, um nicht an Bedeutung zu verlieren. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie weit Facebook dabei vorankommen bzw. den Prozess beschleunigen kann, um nicht nur ein Lippenbekenntnis zum populistischen Aufschwung im Westen abzulegen, der den freien Informations- und Ideenfluss fordert.
Übersetzt aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin von unabhängig produzierten Talkshows auf Französisch und Englisch.
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