Meinung

Schnell abgenickt: Regierung beglückt Rüstungsindustrie mit milliardenschwerem "Weihnachtsgeschenk"

Während immer mehr deutsche Bürger sparen müssen, winkte die Reste-Ampel mit Unterstützung aller großen Fraktionen kurz vor Weihnachten neue Rüstungsprojekte im zweistelligen Milliardenbereich durch. Immer mehr "Kleinprojekte" laufen überdies am Parlament vorbei.
Schnell abgenickt: Regierung beglückt Rüstungsindustrie mit milliardenschwerem "Weihnachtsgeschenk"Quelle: Legion-media.ru © Boris Roessler

Von Susan Bonath

Geplagt von finanziellen Sorgen muss ein wachsender Teil der deutschen Bevölkerung an Geschenken zum Fest sparen. Während Händler, Betriebe und Verbände über die Folge, ein mieses Weihnachtsgeschäft, klagen, freut sich die Rüstungsindustrie über die großzügigen Spendierhosen der Regierung. In der letzten Sitzungswoche dieses Jahres musste es ganz schnell gehen: Die Ausschüsse für Verteidigung und Haushalt winkten Dutzende große Rüstungsprojekte mit zweistelligem Milliardenvolumen durch. Und auch am Parlament vorbei lief einiges.

Dutzende "Kleinprojekte" am Parlament vorbei

Der Reste-Ampel war das vor ihrem bevorstehenden Abtritt offenbar besonders wichtig. Die Tagesordnung des geheim tagenden Verteidigungsausschusses fiel ungewöhnlich lang aus. Besprochen wurden zunächst unter anderem Bundeswehreinsätze in aller Welt, Regierungsberichte zu Israel, Syrien, angeblich "strategischen Bedrohungen" von NATO-Staaten und zur "Abgabe sensitiven militärischen Materials" an die Ukraine. In einem Großteil der Sitzung ging es dann – zur Freude beauftragter Waffenschmieden – um die Beschaffung von neuem Kriegsgerät.

Besonderer Knackpunkt dabei ist, dass sich ein wachsender Teil der Rüstungsgeschäfte nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch jeglichen demokratischen Entscheidungsprozessen entzieht. So ging es im Tagesordnungspunkt 12 um 40 "BMF-Vorlagen". Das sind Papiere des Bundesfinanzministeriums, hinter denen sich in fast allen Fällen sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlagen versteckten.

Das bedeutet: Alle Rüstungsprojekte, die einzeln ein Volumen unterhalb dieser Summe haben, kann die Regierung einfach durchwinken, wovon sie mit zunehmendem Eifer Gebrauch macht. Nur Beschaffungsvorhaben von einem höheren Gesamtwert müssen zuvor in den Ausschüssen für Verteidigung und Haushalt überhaupt debattiert und beschlossen werden.

In Rüstungsfragen ist das parlamentarische Prozedere inzwischen ein bloßes Ritual. Trotz des Bruchs der Ampelkoalition sind sich hier die großen Fraktionen im Bundestag einig. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich darüber hocherfreut. Bei der Regierungsbefragung am 18. Dezember bedankte er sich bei den Unionsparteien CDU und CSU sowie der FDP dafür, dass diese stramm an seiner Seite stehen.

Großprojekte für mehr als 20 Milliarden Euro

Am Freitag verkündete dann auch das Bundesministerium der Verteidigung die "frohe" Botschaft: Der Haushaltsausschuss habe 38 weitere große Rüstungsprojekte genehmigt – ihr Volumen: "mehr als 20 Milliarden Euro". Nicht inbegriffen sind die zuvor genannten zahlreichen kleineren Projekte, die im Einzelnen mit weniger als 25 Millionen Euro veranschlagt sind.

"Somit können die wichtigen Beschaffungs- und Entwicklungsverträge mit den Auftragnehmern noch in diesem Jahr gezeichnet werden", verkündete das Ministerium. Das klingt nach einem lohnenden Weihnachtsgeschäft für die beauftragten Rüstungskonzerne. Es geht dabei unter anderem um die Beschaffung von U-Booten, Patriot-Lenkflugkörpern, Eurofightern, Puma-Schützenpanzern, IT-Systemen für elektronischen Kampf und Weltraumüberwachung, aber auch diverser Waffensysteme und Handgranaten.

Der wohl größte abgenickte Posten sind vier U-Boote vom Typ U 212 CDU, welche die Regierung für knapp fünf Milliarden Euro bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Auftrag gibt. Überdies will auch der NATO-Staat Norwegen zwei Exemplare davon beschaffen – ein lukratives Geschäft für den Konzern.

Um das alles zu finanzieren, warb unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bereits für die Bereitstellung eines weiteren 100-Milliarden-Sondervermögens für die Bundeswehr. Denn das ebenso hohe Volumen des ersten Pakets, beschlossen 2022, ist bereits verplant. Für all das blechen muss natürlich der deutsche Steuerzahler – nicht nur direkt finanziell, sondern auch indirekt mit gleichzeitigem Sozialabbau.

Nur die Spitze des Eisbergs

Der Aufrüstungsmarathon so kurz vor Weihnachten war nur ein vorläufiger Endspurt und die sogenannte Spitze des Eisbergs. Bereits in der Sitzungswoche vor der diesjährigen Sommerpause Anfang Juli hatten die Ausschüsse diverse Milliarden-Projekte durchgewunken, vieles davon für das Panzerbataillon der neuen Bundeswehrbrigade in Litauen.

Auch drei Anträge der AfD zur Stärkung der Rüstungsexportindustrie und der Wehrfähigkeit Deutschlands werden noch in den Ausschüssen beraten. Die Partei fordert darin neben bedeutsamer Aufrüstung und verstärkter militärischer Rekrutierung, sämtliche Exportbeschränkungen für die Lieferung von sogenannten Dual-Use-Gütern aufzuheben, also von Produkten, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Die deutsche Genehmigungspraxis dürfe nicht länger von der Politik in Partnerländern, insbesondere den USA, abweichen, heißt es. Universitäten sollen außerdem verstärkt an neuen Waffen forschen.

Zwar ist es wahrscheinlich, dass die Anträge wie immer abgebügelt werden, weil sie von der "falschen Partei" kommen. Allerdings entspricht ihr Inhalt durchaus dem – wenn auch etwas vorsichtiger vorgetragenen – Bestreben aller anderen großen Fraktionen im Bundestag im Sinne der lauthals verkündeten militärischen "Zeitenwende". Diese könnten sich ein Beispiel daran nehmen und eigene Anträge solcher Art einbringen. Das wäre nicht der erste "Vorstoß" dieser Art. Unter einem möglichen neuen Bundeskanzler Friedrich Merz wird ein solcher gleich noch viel wahrscheinlicher.

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