Das beleidigte Annalenchen
Von Dagmar Henn
Jetzt hat also Alice Weidel Außenministerin Annalena Baerbock "beleidigt", und eine ganze Reihe von Presseorganen echauffieren sich darüber. Weidel, so wird erklärt, stehe "in den sozialen Netzwerken wegen einer herablassenden Äußerung" Baerbock gegenüber "in der Kritik".
In Wirklichkeit ist das, was Weidel gesagt hat, nachgerade harmlos. Vorgeworfen werden ihr vor allem diese Sätze:
"Die Franzosen mögen uns nicht, die Polen mögen uns nicht, die Ukrainer auch nicht, die Russen nicht mehr, die Chinesen nicht mehr, die US-Amerikaner nicht mehr. Das ist das Ergebnis einer unseriösen Außenpolitik unter Annalenchen Baerbock."
Und dann sagte sie noch, Baerbock habe "überhaupt keine Ahnung von Außenpolitik" und eigentlich dürfte sie "nicht einmal als Praktikantin" im Außenministerium arbeiten.
Nun muss man zuerst einmal sagen, die Auflistung ist zutreffend, aber unvollständig. Es fehlen beispielsweise die Inder, die ihre Haltung zur deutschen Außenministerin bereits vor längerem beim Empfang am Flughafen deutlich signalisiert haben. Wäre auch interessant, wie sie in Nigeria empfangen würde, nach ihrer berüchtigten Äußerung über die Toiletten. Jeder, der die Tätigkeit besagter Frau Baerbock die letzten drei Jahre beobachten durfte oder musste, weiß, dass neben Sprachfehlern ihre herausragendste Fähigkeit im Zerschlagen von Porzellan besteht. In einer Menge, dass das Zusammenkehren noch künftige Generationen unterhalten wird.
Nein, inhaltlich kann man gegen Weidels Aussagen nichts einwenden, und grundsätzlich sollte man, weil es hier gerade um AfD gegen Grüne geht, sagen, jemand, der von der anderen Seite grundsätzlich als Faschist tituliert wird (halt, nein, da müsste es dann Faschist*innen heißen), hat sowieso ein paar Schüsse frei.
Vermutlich ist es nicht die verheerende Bilanz der Baerbockschen Politik, sondern eher das "Annalenchen", das aufstößt. Der Merkur zitiert dazu einen anonymen X-Nutzer, der das Fehlen eines Eingreifens seitens des Interviewers kritisierte. Und dann kommt sowas wie "weitere User fordern ein Umdenken im politischen Diskurs und eine respektvollere Kommunikation zwischen den Politikern."
Der Stern begeht sogar eine Art Störung der Totenruhe und zieht die Piratenpartei seligen Angedenkens als Zeugin heran. Weidels Aussage zeuge "nicht nur von Respektlosigkeit, sondern auch von der Unfähigkeit, politische Ämter zu bekleiden."
Ja, das ist so eine Sache mit der "Unfähigkeit, politische Ämter zu bekleiden". Wie man jeden Tag den Nachrichten entnehmen kann, hält diese mitnichten davon ab, es dennoch zu tun. Und wo wir gerade beim Thema Bekleiden sind: Eigentlich ist Weidel auf einen Trick Baerbocks hereingefallen, die es mit dieser Nummer des unschuldigen Mägdeleins hervorragend schafft, von ihrer Verantwortung abzulenken. Sicher, von Annalenchen zu sprechen, zeugt nicht von Respekt vor Baerbock. Aber sich derartigen abzuringen, erfordert auch wirklich höhere Weihen in der Kunst der Gehirnverrenkung, sozusagen geistigen Kontorsionismus.
Baerbock versucht aber kontinuierlich, Signale abzusetzen, die sie trotz eines Alters deutlich jenseits der 30 unter Welpenschutz stellen. Mit ihrer unangebracht privaten Garderobe zeigt sie nicht nur, dass sie keinerlei Respekt vor dem Auftrag verspürt, der ihr als Ministerin erteilt wurde (und schon gar nicht vor dem Souverän, der ihr diesen erteilt haben soll); die Inszenierung endloser Jugendlichkeit lenkt auch davon ab, dass sie als Ministerin für ihr Handeln voll und ganz verantwortlich ist.
Und hier reden wir von strafrechtlicher Verantwortung. Von Landesverrat. Von einer Hüpfdohle als vermeintliche deutsche Außenrepräsentanz, die ihre Arbeitszeit der Schädigung des eigenen Landes im Interesse einer fremden Macht widmet. Die deutsche Presse läuft geradezu über vor Behauptungen, irgendwelche russischen Saboteure hätten angeblich irgendwo einen Zaun zerschnitten. Die bedauerliche Wahrheit ist, die amerikanischen Saboteure begnügen sich nicht mit Zäunen. Sie zerschneiden die wirtschaftlichen Grundlagen und ruinieren das Ansehen des Landes. Und verteilen außerdem noch beidhändig Beleidigungsanzeigen gegen jeden, der dagegen aufmuckt.
Natürlich fällt es mir aus Moskau wesentlich leichter, Baerbock nicht nur mit Platzpatronen zu beschießen. Immerhin reicht die Zahl der deutschen Panzer bei weitem nicht, um mir wirksam einen Strafbefehl zuzustellen, weil ich das strahlend blütenweiße Ansehen der deutschen Außenspringerin befleckt habe. Ich kann es durchaus nachvollziehen, wenn selbst Alice Weidel hier vorsichtig formuliert.
Wobei es wirklich interessant wäre, wenn die grüne Abmahnmannschaft auf diese Äußerungen hin tätig würde. Denn im Vergleich zu den Taten dieser Frau ist das eine absolut harmlose, geradezu wohlwollende Darstellung. Wie gesagt, auch wenn sich objektiv eine mangelnde Reife der Frau Baerbock nicht abstreiten lässt, ist es dennoch nicht angebracht, sie so zu behandeln, als könne sie immer noch Jugendstrafrecht beanspruchen.
Was sich aber hinter der ganzen Skandalisierung als "Beleidigung" verbirgt, ist die Vorstellung, dass regierende Politiker für ihr Tun nicht verantwortlich gemacht werden können. Ein Modell, das sich immer weiter durchsetzt – in der Begnadigung, die US-Präsident Joe Biden für seinen Sohn Hunter ausgesprochen hat, die unübersehbar vor allem verhindern soll, dass besagter Hunter womöglich gegen seinen Vater aussagen könnte; ebenso wie in der Einstellung des Verfahrens gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen der Pfizer-SMS, weil sie angeblich "Immunität" besitze. So ist das, ob korrupt oder kriminell, ein Dreh lässt sich schon finden.
Wobei da irgendwie ein Satz von John F. Kennedy in den Sinn kommt.
"Wer eine friedliche Revolution verhindert, macht eine gewaltsame Revolution unausweichlich."
So etwas kann man auch in einer kleineren Variante formulieren, und da wird dann kenntlich, wie dumm diese Haltung eigentlich ist. Selbst wenn die Vorstellung, Politiker ernsthaft für jenes Handeln, durch das sie ihrem Land oder dessen Bevölkerung geschadet haben, zur Verantwortung zu ziehen, unter den besten Umständen vielfach eine Illusion bleibt (Stichwort Klassenjustiz etc.), der Versuch, nicht nur die rechtliche Rechenschaft abzuschaffen, sondern sogar noch den verbalen Vorwurf zu inkriminieren, hat am Ende den gegenteiligen Effekt.
Denn wenn die einfache politische Ahndung in Gestalt der Abwahl durch allerlei Manöver verhindert wird, die juristische Klärung wegen einer extrem unterwürfigen Justiz nicht möglich ist und selbst das verbale Dampfablassen schon geahndet wird (und es ist wirklich spannend, ob selbst auf diese Kritik von Weidel das Anzeigenprozedere in Gang gesetzt wird), lautet das Endergebnis eben nicht völlige Ruhe. Das mag eine Zeit lang so wirken. Aber dann fliegen solidere Gegenstände als Worte. Und womöglich deutlich schnellere.
Die Verbindung, die inzwischen in Deutschland medial und politisch so fest etabliert wurde, dass alles, was als "Haß und Hetze" klassifiziert wird, sozusagen die Einstiegsdroge zur materiellen Gewalt darstellt, ist nämlich in vielen Zusammenhängen geradezu falsch. Durch das Verbot der Beschimpfung verschwindet nicht die Wut, vor allem nicht, wenn sie in den wirklichen Verhältnissen begründet ist. Sie sucht sich nur ein anderes Ventil. Das mag eine Zeit lang den Eindruck einer Befriedung erwecken, aber dieser Eindruck beruht einzig auf der Tatsache, dass die Schwelle für stärkere Reaktionen höher liegt. Letztendlich führt es nach Ablauf dieser Schonfrist zu einer weitaus stärkeren Eruption.
Insofern sollten Baerbock und die mit ihr sympathisierende Presse Alice Weidel geradezu dankbar dafür sein, dass sie einmal eine halbwegs hinreichende Kritik in entsprechender medialer Breite geäußert hat. Das, was die Außenministerin mit ihrer Mischung aus Infantilität, Verrat und Demütigung in anderen Köpfen auslöst, hat eine ganz andere Qualität. Weidel war so freundlich, etwas Dampf aus diesem Kessel zu lassen.
Mehr zum Thema - Urteil: "AfD-Nazis" und Sympathisanten "ins Gesicht kotzen" von Meinungsfreiheit gedeckt
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.