Meinung

Staatsräson-Wahn: Deutsche Politiker erklären sich zu Maccabi-Ultras

Kaum zu glauben: Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus Union, SPD, Grünen und FDP mag offensichtlich rassistische Fußball-Hooligans. Im Rausch falsch verstandenen Anti-Antisemitismus gründeten sie nun ihren eigenen Maccabi-Tel-Aviv-Fanclub namens "Bundestags-Makkabäer".
Staatsräson-Wahn: Deutsche Politiker erklären sich zu Maccabi-UltrasQuelle: Gettyimages.ru © Fabian Strauch/dpa

Von Susan Bonath

Immer wenn man glaubt, tiefer kann die deutsche Politik nun wirklich nicht mehr sinken, kommt es härter. So wie in einem brandaktuellen Fall: Ein Häufchen überbezahlter Abgeordneter aus CDU, FDP, SPD und von den Grünen hatte nach der Ampel-Auflösung im Bundestag wohl zu viel Langeweile. So steckte dieses, unglaublich aber wahr, seine Köpfe zusammen, um "gegen Antisemitismus" tätig zu werden. Das Ergebnis: Die Gründung eines Bundestagsfanclubs für Maccabi Tel Aviv, im Bundestag allerdings mit hartem "Doppel-K" "Makkabi" geschrieben.

Nein, das ist kein Witz. Einige Medien berichteten darüber. Die Clubgründer blicken dabei auf die Ausschreitungen in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam Anfang November. Die allerdings begannen damit, wie man heute weiß, dass Maccabi-Ultras mit rassistischen Gesängen durch Amsterdamer Straßen zogen, allen Arabern den Tod wünschten und das Abschlachten von Zehntausenden Kindern im Gazastreifen feierten, mit Liedzeilen wie: "Warum gibt es in Gaza keine Schulen mehr? Weil keine Kinder mehr da sind." 

Maccabi-Ultras, allzu bekannt als rassistische Fußball-Hooligans, griffen dann auch wahllos Passanten vor allem arabischer Herkunft an, rissen Palästina-Fahnen von Gebäuden, bedrohten Taxifahrer, demolierten Autos und Bauzäune und so weiter. Um schließlich von Einheimischen die Rechnung für ihr rassistisches und gewalttätiges Wüten zu bekommen, auf Deutsch gesagt: ein paar in die Fresse. Was wiederum deutsche und andere westliche Medien zu einem "Pogrom gegen Juden" stilisierten.

Maccabi-Ultras gibt es nun also auch im Bundestag? Ja, offensichtlich. Der deutsche Ableger des Vereins, Makkabi Deutschland e.V., lobte die Spontangründung am Mittwoch in höchsten Tönen: 

"Dr. Thorsten Lieb (FDP), Stephan Mayer (CDU/CSU), Omid Nouripour (Grüne) und Mahmut Özdemir (SPD) haben heute in Berlin die Gründung des Fanclubs 'Bundestags-Makkabäer' initiiert."

Die Beweihräucherung erklomm mal wieder Dimensionen: Diese "interfraktionelle Initiative" setze "ein klares Signal für Vielfalt, Respekt und das jüdische Leben in Deutschland" und sei "ein klares Zeichen für politische Einheit und Solidarität", heißt es da beispielsweise.

Erwartbar hob man auch noch einmal mehr die Schrecklichkeit des 7. Oktober 2023 hervor – ohne jeden Kontext freilich, wie: die jahrzehntelange völkerrechtswidrige israelische Militärbesatzung der palästinensischen Gebiete, die unmenschliche Gaza-Blockade seit dem Jahr 2007 inklusive zahlreicher Kriege mit tausenden toten Zivilisten, viele Kinder darunter, die Totalentrechtung von Millionen Palästinensern, das rassistische Apartheidsystem inklusive Wasser- und Ressourcenraub im Westjordanland und so weiter.

Wenn es um Israel geht, ist derartiger Geschichtsrevisionismus bekanntlich so normal in Deutschland wie die Gleichsetzung der US-Militärbastion im Staatsgewand namens Israel mit allen Juden weltweit. Oder andersherum: Wer Israel kritisiert, ist nach deutscher Staatsräson ein Antisemit, weil er damit dann wohl zwangsläufig alle Juden weltweit meinen müsse. Was natürlich umgekehrt suggeriert, alle Juden seien für das völkermörderische Treiben Israels verantwortlich – also selbst antisemitischer Unfug ist.

Eine solche Reflexion erwartet man schon gar nicht mehr von deutschen Bundestagsabgeordneten. Aber von den rassistischen Gesängen und Angriffen der Maccabi-Ultras in Amsterdam sollten sie dann doch schon mal gehört haben, sofern sie nicht den letzten Monat unter einem Stein verbracht haben, salopp gesagt. Doch das spielt offenkundig keine Rolle für die Gruppe dieser "ganz doll guten".

So landet dieses von Steuergeld überbezahlte Personal dann argumentativ genau dort, wo israelische Siedlerfaschisten wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir schon angekommen sind: in einer tiefbraunen Güllegrube, die mit antiarabischem Rassismus auf einem mörderischen Level vorgeblich Antisemitismus bekämpfen will. Die Betonung liegt auf vorgeblich, denn genau das tun sie ja nicht. Tatsächlich wandeln sie nur eine Form des Rassismus in eine andere um – und befördern damit letztlich Antisemitismus.

Vielleicht muss man von einem Staatsräson-Wahn sprechen. Denn was kann es anderes als purer Wahn sein, sich an vorderster Staatsfront öffentlichkeitswirksam einem rassistischen Hooligan-Mob anzuschließen, einer Schlägertruppe, die keineswegs nur in Amsterdam entsprechend auffällig geworden war?

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