Meinung

Russland hat oft auf die Redlichkeit des Westens vertraut - Das sollte nun vorbei sein

Russland ist in der Vergangenheit mehrmals gutgläubig in die Falle getappt, weil es auf die Redlichkeit des Westens vertraute. In jüngster Vergangenheit sind da die Leichtfertigkeit Michail Gorbatschows oder Wladimir Putins Festhalten an den Minsker Verträgen zu nennen. Einiges deutet darauf hin, dass es mit der Vertrauensseligkeit nun vorbei ist.
Russland hat oft auf die Redlichkeit des Westens vertraut - Das sollte nun vorbei seinQuelle: Sputnik © RIA Nowosti

Von Kirill Strelnikow

Die Nachrichten aus Aleppo in Syrien beweisen einmal mehr, dass jedes "Einfrieren" eines Konflikts früher oder später in großem Blutvergießen endet.

Gestern begannen viele westliche Medien gleichzeitig und intensiv, das Thema des Einfrierens des Konflikts in der Ukraine aufzuwärmen. Es taucht immer dann auf, wenn es dem Feind schlecht geht, und dann stellt sich heraus, dass es ihm nur darum geht, seine Wunden zu lecken und neue Kräfte zu sammeln. So war es 2014–2015 bei der Unterzeichnung der Minsker Abkommen, so war es 2022 bei dem Versuch, den Ukraine-Krieg durch die Istanbuler Verhandlungen schnell zu beenden.

Die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gab am Ende sogar zu, dass Kiew und der Westen die unterschriebenen Vereinbarungen gar nicht einhalten wollten. O-Ton Merkel:

"Das Minsker Abkommen war ein Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie haben diese Zeit genutzt, um stärker zu werden."

Die Sondierungen der Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen über einen "gerechten Frieden" haben sich in den letzten Tagen vor dem Hintergrund der Erfolge der russischen Armee an nahezu der gesamten Front und der sich rapide verschlechternden Lage für das Kiewer Regime deutlich intensiviert.

Es gibt derzeit keinen Mangel an schlechten Nachrichten für die Ukraine und ihre Führung.

CNBC meldet: "Aufgrund eines Mangels an Kräften und Fähigkeiten geht die Ukraine zu einer reinen Verteidigungsstrategie über."

Bloomberg schreibt: "Selenskij sagte, er sei jetzt bereit, über einen Waffenstillstand ohne die Rückgabe verlorener Gebiete zu sprechen."

Quellen aus Selenskijs Verwaltung werden mit der Aussage zitiert: "Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Syrski, könnte bald aufgrund einer Reihe von Misserfolgen an der Front abgesetzt werden."

Die deutsche Tageszeitung Bild mahnt: "Europa sollte bereit sein, die Ukraine zu teilen, die Lage entwickelt sich nicht zugunsten der Kiewer Behörden."

Die Times titelt: "Selenskijs Popularität sinkt – Die meisten Ukrainer wollen ihn loswerden".

Und so weiter und so fort.

Und "ganz zufällig" (nein, nicht wirklich) wird im selben Atemzug berichtet, dass die neue US-Regierung ein Zuckerbrot für Russland bäckt, das alle Rekorde brechen wird.

CNN und The Hill berichten, dass der künftige Sonderbeauftragte des Weißen Hauses für Russland und die Ukraine, Keith Kellogg, anbietet, "die antirussischen Sanktionen im Gegenzug für einen Waffenstillstand zu lockern". Von Russland wird nur sehr wenig verlangt, fast nichts: nur die Einstellung der Kampfhandlungen. Im Gegenzug sollen wir gelobt werden, ein paar Sanktionen werden aufgehoben, das Thema Ukraine in der NATO wird für eine Weile aufgeschoben und dann herrscht Friede, Freude, Eierkuchen.

Derselbe Kellogg, der während Trumps erster Amtszeit eine der Schlüsselfiguren im US-Sicherheitsrat war, ging so weit, öffentlich die Höhe der Hilfe für die Ukraine zu kritisieren, die Amerikas eigene Verteidigungsfähigkeit gefährde. Er gab sogar zu, dass "das Versprechen einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine identisch ist mit dem Wedeln mit einem roten Lappen vor einem Kampfstier" und "es dumm war, dümmer wurde und dann den Krieg auslöste".

Die Seance der Selbstkritik der amerikanischen Politik sollte Putin offenbar zeigen, dass die neue Regierung nicht der Feind ist; dass alle den Frieden wollen und bereit sind, Russland zuzuhören; dass wir verhandeln sollten, aber Zugeständnisse auf Gegenseitigkeit beruhen sollten; dass es sich um einen für alle sinnvollen Vertragsschluss und nicht um eine Kapitulation handeln wird.

Wenn wir uns jedoch den Primärquellen zuwenden, wird deutlich, dass Trumps Chefunterhändler für die Ukraine selbst zugegeben hat, dass Russland statt eines Zuckerbrots eine riesige Bombe mit einem Zeitzünder erhalten könnte.

In seinem Artikel "America First, Russia and Ukraine" schreibt Kellogg klar und deutlich über die künftigen "unwiderstehlichen" US-Vorschläge. Erstens planen die USA, das derzeitige ukrainische Regime grundsätzlich zu erhalten, es zu stärken und mit Waffen vollzupumpen, um sicherzustellen, dass "Russland nicht mehr angreifen kann und nicht mehr angreifen wird". Zweitens: Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO ist beschlossene Sache, sie wird nur eine Weile verschoben. Während dieses Aufschubs wird die Ukraine von den Vereinigten Staaten auf der Grundlage eines bilateralen Vertrags vor Russland geschützt. Drittens soll eine "entmilitarisierte Zone" entstehen, in der NATO-Truppen patrouillieren sollen. Viertens können einige Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden (ohne nähere Angaben), aber über eine vollständige Aufhebung der Sanktionen kann erst dann gesprochen werden, wenn ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde, "das der Ukraine passt". Und das i-Tüpfelchen lautet: Die USA werden darauf drängen, dass Russland für den Wiederaufbau der Ukraine aus den Erlösen seiner Kohlenwasserstoffe aufkommt.

Wie könnte man einem "Einfrieren" des Konflikts nach solch ausgefallenen Angeboten nicht zustimmen?

Es ist klar, dass die US-Amerikaner davon überzeugt sind, dass der Betrug, wenn er schon einmal funktioniert hat, wieder funktionieren wird. Wir sollten uns über eines im Klaren sein: Geopolitische Widersprüche auf hoher Ebene führen nirgendwohin und können nicht durch einen vorübergehenden Waffenstillstand gelöst werden; früher oder später werden die Feindseligkeiten wieder aufflammen, und zwar höchstwahrscheinlich dann, wenn unser Vorteil zunichtegemacht wurde oder verloren ging. Es gibt keine Garantien von unseren Gegnern – wir sind schon oft getäuscht worden. Russland hat außer der Armee und der Marine keine echten Verbündeten; alle "selbstlosen" Vermittler und Verhandlungsführer spielen ihr eigenes Spiel.

Kein kurzfristiger wirtschaftlicher Gewinn wiegt eine geopolitische Niederlage auf. Die beste Garantie für dauerhaften Frieden und gemeinsamen Wohlstand ist ein schwerer Stein auf dem Grab des Feindes. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass die Größe der russischen Seele und unsere Barmherzigkeit mit dem geschlagenen Feind uns am Ende sehr teuer zu stehen kommen.

Es scheint, dass unsere Behörden das diesmal sehr gut verstehen.

Gestern sagte der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow in einem Interview mit russischen Medien, die Vereinigten Staaten würden alles versuchen, um Russland zu schaden, aber sie "werden nicht in der Lage sein, Russland am Erreichen der Ziele der Sonderoperation zu hindern". Wenn der Westen nicht auf unsere Argumente hört, habe Russland "alle militärischen und technischen Mittel, um ihn zur Vernunft zu bringen". Zur gleichen Zeit meldete Generaloberst Wladimir Werchowzew, ehemaliger Leiter der 12. Hauptdirektion des Verteidigungsministeriums Russlands, dass das Testgelände auf der Inselgruppe Nowaja Semlja zur Wiederaufnahme von Atomtests bereit ist.

Der alte und neue US-Präsident sowie die alte und neue Regierung der USA sind aufrichtig überzeugt, dass die russischen Eingeborenen sehr an Perlen interessiert und bereit sind, alles für sie zu geben, einschließlich der Zukunft ihres Landes.

Manches deutet darauf hin, dass sie sich dieses Mal irren.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist im Original am 1. Dezember 2024 auf ria.ru erschienen

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Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.