Von "Memes" zu "Fenstern": Wie sich die Herangehensweise an den Ukraine-Konflikt unter Trump ändert
Von Fjodor Lukjanow
Donald Trump formuliert seinen politischen Kurs über Memes. Strategien, Programme, Aktionspläne werden später von Personen aus seiner Umgebung gestaltet. Doch der Impuls wird vom eingängigen Refrain des Hauptcharakters gegeben. Deswegen klingt Trumps Versprechen, den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden zu beenden, zwar unrealistisch, spiegelt aber seinen – anscheinend bewussten – Wunsch wider. Das sollte man nicht abtun.
Anhand von Leaks und anonymen Kommentaren von Trumps angeblichen Vertrauten zu erraten, was der gewählte Präsident damit meinte, ist ein sinnloses Anliegen. Wahrscheinlich weiß er noch nicht einmal selbst, was er tun wird. Wichtig ist, inwiefern die Herangehensweise von Trumps Anhängern an die Ukraine sich von derjenigen unterscheiden wird, die die gegenwärtige Präsidialadministration praktiziert, und was Trump überhaupt unter einer "Regulierung" versteht.
Bei Ersterem bestehen erhebliche Unterschiede. Joseph Biden und sein Team vertreten eine Kohorte von Politikern, deren Ansichten das Ende des Kalten Krieges geformt hat. Das angebliche ideologische und moralische Recht der USA und ihre unumstrittene Kräfteüberlegenheit bestimmten nicht die Möglichkeit, sondern gar die Notwendigkeit einer weltweiten Dominanz. Das Erscheinen von opponierenden Staaten, die einzelne Elemente der liberalen Weltordnung infrage stellten, traf auf heftigen Widerstand. Diese Weltordnung sah kein Abweichen von den Grundsätzen vor und ließ keine Kompromisse zu prinzipiellen Fragen zu. Russlands Aktionen in der Ukraine wurden als ein Angriff auf die liberale Ordnung als solche gewertet. Daher rühren die Forderungen nach einer "strategischen Niederlage" Russlands.
Trump verkörpert einen Paradigmenwechsel. An die Stelle globaler Dominanz tritt eine kraftvolle Durchsetzung konkreter US-amerikanischer Interessen. Der Vorzug wird dabei jenen Interessen gegeben, die offensichtliche Vorteile bringen, und zwar nicht in der Zukunft, sondern jetzt. Die Priorisierung innerer Angelegenheiten vor äußeren, die Trumps Anhänger schon immer auszeichnete und inzwischen auf einen bedeutenden Teil der republikanischen Partei übergegriffen hat, bedeutet auch eine gewisse Pingeligkeit beim Selektieren internationaler Szenarien. Der Erhalt der moralisch-politischen Hegemonie der USA ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument. In einem solchen Koordinatensystem verliert das ukrainische Projekt jene Schicksalsträchtigkeit, die es in den Augen der Anhänger der liberalen Weltordnung hat, und wird zu einer Karte in einem größeren Spiel.
Eine weitere Besonderheit des gewählten Präsidenten, die selbst von seinen Gegnern eingeräumt wird, ist, dass er Krieg nicht für ein zulässiges Mittel erachtet. Hartes Feilschen, Muskelspiele und Unterdrucksetzen, wie sie in Trumps gewohnter Geschäftswelt praktiziert werden, sind akzeptabel, nicht aber ein zerstörerischer bewaffneter Konflikt, weil ein solcher irrational ist. Allem Anschein nach verstellt sich Trump nicht, wenn er von der Notwendigkeit spricht, das Blutvergießen in der Ukraine und in Gaza zu beenden.
Als Nächstes stellt sich daher die Frage nach den Methoden. Trumps vorherige Amtszeit liefert zwei Beispiele für seinen Zugang zu regionalen Konflikten. Das erste sind die Abraham-Abkommen, die eine offizielle Kontaktaufnahme zwischen Israel und einer Reihe von arabischen Staaten ermöglicht hatten. Das zweite sind die Treffen mit Kim Jong-un, einschließlich eines vollwertigen Gipfels in Hanoi.
Das erste Beispiel ist ein Produkt der Pendeldiplomatie von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Mächtige Finanzinteressen der USA, der Golfmonarchien und Israels bedingten eine ganze Reihe politischer Schattenabkommen. Die gegenwärtige Lage in der Region ist viel schlimmer als damals, doch von einem Zusammenbruch der Abkommen kann man nicht sprechen, ihr Grundgerüst bleibt bestehen. Freilich kann ein solches Schema kaum zu einem Vorbild werden, denn das Beziehungsgefüge im Nahen Osten ist sehr eigentümlich, und der Umfang des Ukraine-Konflikts um ein Vielfaches größer.
Das zweite Beispiel ist negativ. Trump versuchte, im ersten Anlauf eine systemische Konfrontation von einem toten Fleck zu bringen, und er griff dabei zu einem Schauspiel. Er setzte darauf, dem Ehrgeiz seines Gesprächspartners zu schmeicheln – Kim Jong-un sollte der erste nordkoreanische Staatschef werden, der sich mit einem US-Präsidenten trifft. Das Kunststück gelang indes nicht, denn ansonsten gab es keine weiteren Lösungsansätze für ein so kompliziertes Problem wie Korea.
Das Erbe der Jahre 2016 bis 2020 schlicht auf die Gegenwart zu projizieren, wäre falsch. Immerhin hat Trump einiges an Erfahrung gesammelt, und er hat inzwischen eine andere Entourage. Von einem Mandat, das er jüngst bei den Wahlen erhalten hat, konnte er damals nur träumen. Das Fenster der Möglichkeiten ist zwar breiter als damals, es nähert sich aber kaum dem Spielraum von Zugeständnissen, den sich Moskau leisten kann.
Es ist daher in Russlands Interessen, die Ruhe zu bewahren und nicht auf den Hype zu reagieren. Sicher, objektiv ändert sich die Lage. Doch nun werden alle behaupten, dass sich ein Fenster der Möglichkeiten eröffnet hätte und dass man sich diese Chance nicht entgehen lassen dürfe. In Krisen wie der ukrainischen gibt es allerdings keine "kurzen" Fenster, durch die man hindurchschlüpfen kann. Es gibt entweder Tore zu nachhaltigen Beziehungen, die nicht auf den ersten Anlauf, sondern durch eine Suche nach dem Schlüssel geöffnet werden können; oder aber Portale zu einer noch brutaleren Konfrontation, die nach einer weiteren Enttäuschung beginnt.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei "Profil" am 11. November.
Fjodor Lukjanow ist Chefredakteur von "Russia in Global Affairs", Vorsitzender des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik und Forschungsdirektor des Internationalen Diskussionsklubs "Waldai".
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